Fröndenberg. Rund 900 Eingriffe führen die Ärzte im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg jährlich durch. Ein Blick hinter die sechs Meter hohen Mauern.
Ein mechanisches Surren. Die rote Metalltür öffnet sich wie von Geisterhand. Ein mechanisches Surren. Die Tür schließt sich hinter den WP-Redakteuren. „Einmal den Ausweis bitte“, sagt einer der Beamten an der Pforte. Im Gegenzug gibt’s den Besucherausweis. Die nächste Tür. Wieder kurz warten.
Zwei Fehlalarme durch Bauarbeiten
Wer in das Justizvollzugskrankenhaus am Hirschberg in Fröndenberg möchte, braucht Geduld. Und eine Menge Schlüssel – wenn man dort arbeitet. Durch das Tor rollen an diesem Morgen parallel zahlreiche Lkw-Ladungen mit Baumaterial. „Hier wird eigentlich immer gebaut“, sagt Anstaltsleiter Joachim Turowski. Diese Bauarbeiten haben zuletzt wieder zwei Fehlalarme ausgelöst. Die Brandmeldeanlage in der Zwischendecke von Station 4, auf der das Dach derzeit erneuert wird, hatte angeschlagen. Turowski tun vor allem die Mitglieder der Fröndenberger Feuerwehr leid, die in solchen Situationen immer alles stehen und liegen lassen müssen – nur um festzustellen, dass mal wieder nichts passiert ist.
Im JVK werden nicht nur Häftlinge aus NRW behandelt. Aus dem gesamten südlichen Bundesgebiet reisen regelmäßig Gefangenentransporte an. Einer, der das Gefängniskrankenhaus sprichwörtlich wie seine Westentasche kennt, ist Ulrich Werner. Der Bereichsleiter ist seit der Eröffnung des JVK dort im Dienst. Vorher arbeitete er als Justizvollzugsbeamter in der Werler Anstalt. „Ohne Schlüssel kommt man hier nicht weit“, sagt er und lacht. Werner kümmert sich um Dienstpläne, Beschwerden und die Bereiche 3 und 4. Gefangene, sagt er, hätten dieselben Bedürfnisse wie alle anderen Menschen auch. „Komischerweise wollen sie alle auch wieder schnell zurück“, sagt er. Krankenhäuser seien eben auch für Häftlinge eher unangenehm.
Eine Stunde „Freiheit“ am Tag
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Um einen besseren Überblick zu erhalten, nimmt Werner uns erst einmal mit aufs Dach. Denn normalerweise sieht man sonst nur die hohen Mauern. Der Vollzug habe sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert. „Früher war es etwas handfester“, sagt Werner. Heutzutage sei alles auf Sicherheit ausgelegt. Keiner wolle etwas falsch und sich angreifbar machen. Drohungen mit rechtlichen Schritten und einem Anwalt sind hier fast an der Tagesordnung. „Die Gesellschaft draußen spiegelt sich im Gefängnis wider“, so der Bereichsleiter. Für ihn, sagt Werner, ist es „draußen“ deutlich unsicherer als im JVK. Hier sei schließlich an der nächsten Tür Endstation für die Häftlinge, im Notfall sind binnen Sekunden Beamte zur Stelle, um einen Konflikt zu regeln. Auf dem Dach wandert der Blick über die Mauern hinunter ins Ruhrtal. Und auf den Gefängnishof. Dort drehen die Häftlinge gerade ihre Runden. Freigang. Eine Stunde an der frischen Luft. Das einzige, was sie von „draußen“ wirklich trennt, sind sechs Meter hohe Mauern, Stacheldraht und eine rundum ausgerichtete Videoanlage. „Das ist der Maximalstandard“, erklärt Bereichsleiter Ulrich Werner. Denn man müsse sich im JVK ebenso auf den Ladendieb wie auf den Intensivtäter mit krimineller Karriere einstellen.
Weiter geht’s zum Aufzug. Wieder mit dem Schlüssel. Einfache Knöpfe, um den Lift zu rufen – Fehlanzeige. Wir fahren runter auf Station 3. Internistische Fälle, Dialyse, Methadon-Programm. WP-Redakteur Marc Friedrich schlendert durch Zimmer 307. Die dicke, beige Metalltür öffnet sich geräuschlos. Innen sieht es aus wie in einem normalen Krankenhaus. Zwei Betten, Notfall-Klingel, Toilette. Mit kleinen Ausnahmen: Ein Fernseher hinter Gittern und Metallstreben vor dem Fenster. Häftlinge kämen auf die kreativsten Ideen, sagt Werner. Mit Metalldrähten und einer Stromleitung basteln sie schon mal einen kleinen Tauchsieder. Oder aber hinterm Fernseher werden Drogen versteckt. Es gibt nichts, das es nicht gibt.
Gefühl von Sicherheit im JVK
„Angst, hier zu arbeiten, habe ich nicht“, sagt Schwester Nadine. Seit 2002 ist sie Pflegerin im JVK, hat vorher in einem Schwerter Krankenhaus „draußen“ gearbeitet. Im Gefängniskrankenhaus fühle sie sich auch deutlich sicherer als in der Welt draußen. Ohnehin höre man ja immer wieder von Sicherheitsdiensten in öffentlichen Krankenhäusern, die eingreifen müssen, um Konflikte zu lösen. Zwar müsse man eine gewisse Vorsicht walten lassen, wirklich unsicher fühlt sie sich aber nicht. „Nicht jeder Gefangene ist gefährlich oder böse“, bestätigt Werner.
Der Respekt ist verloren gegangen
Besuchszeiten
Einmal in der Woche, mittwochs, gibt es Besuchszeit im Fröndenberger JVK.
Von Mittags bis in die Abendstunden können Angehörige sich dann – auch unangemeldet – vorstellen.
Die Ausweitung auf die Abendstunden soll laut Anstaltsleiter Joachim Turowski vor allem Berufstätigen entgegen kommen oder jenen, die weite Anreisen auf sich nehmen.
Ähnlich sehen es die Pflegerinnen auf Station 4. „Mit draußen ist die Arbeit hier nicht zu vergleichen“, sagt Schwester Senta. Niemand hier trägt ein Namensschild. Das ist Absicht. Es komme immer wieder vor, sagt Schwester Anina, dass einem ehemalige Gefangene später einmal über den Weg laufen oder Drohbriefe verschickt werden. Während in „normalen“ Krankenhäusern vor allem körperlich gearbeitet werden müsse, sei im JVK eher die psychische Belastung ein Problem. „Die Gefangenen sind oft manipulativ und egoistisch“, erklärt Schwester Anina. Hinzu komme, dass Beschwerden und Co. auch zuerst bei ihnen landen würden. Beleidigungen sind an der Tagesordnung. Beide vermissen den Respekt. „Der ist komplett weg“, sagen sie. Ohne eine gewisse Distanz zu den Patienten gehe es nicht.
Der Rundgang ist so gut wie vorbei. Über den Aufzug geht’s wieder nach unten. Vorbei am Automaten für Getränke, Süßigkeiten und Tabak. Mitbringsel von „draußen“ sind tabu. Selbst Blumensträuße müssen an der Pforte abgegeben werden, die Beamten durchleuchten alles. Für den kleinen Hunger zwischendurch bleibt nur der hauseigene Automat im Foyer des Haupthauses. Wir traben weiter in den Innenhof. Nach zwei Schleusen stehen wir wieder „draußen“. In Freiheit. Mit Blick auf die Mauern.