Menden. Die Folgen des Klimawandels werden in Mendens Wäldern sichtbar. Stadtförster Basse zeigt die Schäden: „165 Hektar Fichtenbestand sind verloren.“
„Es ist frustrierend. Fast ein Drittel des Mendener Stadtwaldes wird nicht mehr zu retten sein“, so Stadtförster Dirk Basse. Der Klimawandel sei nicht mehr zu leugnen. Die Folgen seien aus forstwirtschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Sicht eine Katastrophe, die nicht mehr aufzuhalten sei.
Harvester unterwegs
Eine Holzerntemaschine, ein so genannter Harvester, wird in den nächsten Tagen im Mendener Wald zu sehen sein. Die Maschinen haben Vor- und Nachteile.
Die Holzernte mit so einem Harvester geht schneller und ist sicherer. Allerdings wird durch das Gewicht der Boden verdichtet und unter Umständen werden Biotope zerstört.
„Mit der Kettensäge schaffen wir das leider nicht“, so Stadtförster Dirk Basse und bittet um Verständnis: „Wenn wir zurzeit im Wald so aktiv sind, fällen wir die Bäume nicht, um Geld zu verdienen. Wir müssen das Holz schnell aus dem Wald holen. Die Bäume sind nicht mehr zu retten. Wer seinen Blick über den Wald schweifen lässt, kann das sehen. Die Verluste sind groß. Wir fällen Bäume, von denen wir über viele Jahre Einnahmen erwartet haben. Jetzt geht das Holz unter Wert weg.“
165 Hektar Fichtenbestand seien verloren. Das Schadensbild erläutert er der Westfalenpost in Begleitung von Stadtsprecher Johannes Ehrlich und Holzhändler Gregor Wagner am einzigen Regentag seit Wochen.
Vom Forsthaus an der Biggelebenstraße fährt der Stadtförster über den Oesberner Weg zum Waldfriedhof am Limberg, wo die Waldschäden sehr deutlich zu sehen sind.„Es geht mir darum, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für diese Katastrophe zu schaffen. Denn anders als beim Waldsterben in den 1980er Jahren wird das, was zurzeit in unseren Wäldern passiert, von vielen nicht wahrgenommen. Wir haben das größte Baumsterben seit mehr als einhundert Jahren. Niemand kann sich an so etwas erinnern, auch mein Vorgänger Stamm nicht. Besonders betroffen sind die Fichten, aber auch einige Lärchen“, erklärt Dirk Basse während der Fahrt die Ausgangssituation.
Massenvermehrung
In ganz Mitteleuropa halten die Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher die Fichten fest im Würgegriff. In kurzer Zeit haben sie ganze Arbeit geleistet. Die erste große Generation von Käfern machte sich über das Sturmholz von Friederike, die am 18. Januar 2018 über weite Teile Europas hinwegfegte, her. Dann folgte ein extrem trockener und heißer Sommer, der den Schädlingen beste Bedingungen für eine Massenvermehrung bot. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW warnte schon im Oktober vergangenen Jahres: „Bei einem erneut auftretenden … ähnlich trocken-heißen Sommer kann es im kommenden Jahr zu einer noch gravierenderen Kalamitätssituation kommen.“
Bohrmehl ändert Kaffeemehl
Das, was dann kam, übertraf die schlimmsten Befürchtungen. „Die Käfer trafen auf die durch das Klima stark vorgeschädigten und gestressten Bäume. Der Boden ist bis zu 1,80 Meter Tiefe knochentrocken. Das Ergebnis sehen wir hier“, berichtet Gregor Wagner und zeigt auf den dicken Teppich von gelben und grünen Nadeln, die die sterbenden Bäume innerhalb weniger Tage abgeworfen haben. Am Fuß der Bäume sieht man das Kaffeemehl ähnelnde Bohrmehl der Käfer. „Hier ist jeder Baum betroffen, die Stämme sind voller Bohrlöcher, das geht innerhalb weniger Tage“, beschreibt Dirk Basse die Situation.
Vier Borkenkäfer-Generationen in einem Jahr
Der Buchdrucker ist der forstlich gefährlichste Schädling. Er befällt meist Bäume mit einem Alter von über 50 Jahren. Der Kupferstecher bevorzugt dünnborkige Stammteile im Kronenbereich.
Ein Pionierkäfer bohrt sich in die Rinde und legt eine Rammelkammer an. Dann sendet er Pheromone zur Anlockung seiner Artgenossen aus. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier in einem Muttergang ab. Nach Larvenfraß und Verpuppung schlüpfen die Jungtiere. Ein Zyklus dauert sieben bis zehn Wochen, das ermöglicht normalerweise maximal drei Generationen.
Im Jahr 2018 gab es durch die für die Tiere günstige Witterung vier Borkenkäfer-Generationen. Jedes Weibchen hat in einer Vegetationsperiode bis zu 250.000 Nachkommen.
Auch die Bäume, deren Kronen noch grün sind, sind befallen und werden in kurzer Zeit braun und trocken sein. Käfer und Larven fressen das Kambium, die Wachstumsschicht des Baumes. So wird der Nährstofftransport unterbrochen. „Die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten. Nichts ist mehr planbar“, klagt Gregor Wagner angesichts der riesigen Mengen Holz, die nun eingeschlagen werden müssen. Der Preis sei im Keller. Für alle Waldbesitzer seien das gewaltige Verluste.
Nur das, was nachwächst
Dirk Basse erklärt die Situation für Menden. „Wir wirtschaften nachhaltig und entnehmen dem Wald pro Jahr nur das, was nachwächst. Das sind bei uns circa 1000 Festmeter. Nach Friederike hatten wir plötzlich 10000 Festmeter. Jetzt haben wir 20000 Festmeter und daraus werden mit Sicherheit 50000 bis 60000 Festmeter werden. Das hat den Preis in den Keller getrieben.“
Im Container nach China
Dann deutet der Holzhändler auf in der Nähe lagernde Stämme und erklärt: „Das geht im Container nach China. Der dortige Markt nimmt zum Glück noch Holz auf.“ Aber die Chinesen seien anspruchsvoll. Jeder einzelne Stamm müsse genau vermessen werden und exakt 11,80 Meter lang sein. Dann gingen die Stämme im Container über den Ozean.
Am Ende der Fahrt an der Waldbühne oberhalb Braukmanns Wiese angekommen, zeigt Dirk Basse auf einen Fichtenbestand, dem vor wenigen Tagen der Tod noch nicht anzusehen war. „Wir können nichts mehr retten, es gibt nichts, was helfen könnte“, sagt er und spricht dann über die Zukunft.
Klimaresistente Bäume
„Der Wald wird ein anderes Gesicht bekommen. Wir werden auf klimaresistentere Bäume wie Eiche, Wildkirsche, Marone und andere Laubbaumarten setzen, doch zuerst wird eine Kahlschlagsflora mit Weidenröschen, Fingerhut und vielen anderen insektenfreundlichen Pflanzen entstehen.“ Doch erst einmal fliegen in drei Wochen Milliarden von Käfern der nächsten Generation aus, um sich auf alles zu stürzen, was noch lebt.