Menden. Unerwarteter Erfolg für „Wir für Senioren“: Der Bauausschuss vertagt die Entscheidung zum Abriss des Bürgersaals auf die nächste Ratssitzung.

„Wir stehen jeden Freitag in der Stadt und sammeln Unterschriften. Und glauben Sie uns: Kein Mensch will hier den Abriss des Bürgersaals!“ Der Bürgerzorn traf CDU und SPD am Donnerstagabend im überfüllten Ratssaal mit Macht, und tatsächlich erhält der Bürgersaal jetzt noch einmal eine Gnadenfrist: Ohne Empfehlung gab der Bauausschuss die Entscheidung über Sein oder Nichtsein des großen Innenstadt-Komplexes an den Stadtrat weiter.

„Respektlos und undemokratisch“

Es war ein denkwürdiger Abend: „Respektlos und undemokratisch“ sei es gewesen, dass die CDU-Fraktion vor den anstehenden Beratungen der Fachausschüsse und des Rates ihr Nein zum Bürgersaal veröffentlicht habe, lasen Sprecherinnen der Initiative „Wir für Senioren“ der Union die Leviten. Die Stadt selbst habe die Bürger vor vier Jahren zum Mitplanen am damals vorgesehenen Bürgerhaus aufgefordert, jetzt werde der Abriss entschieden, ohne die Leute zu fragen. „Es ist schlimm, dass Sie uns nicht anhören. So werden Sie niemanden mehr finden, der sich noch an irgendetwas beteiligt!“

Scharfe Töne

Stefan Band (Grüne), Klaus Luig (FDP), Thomas Thiesmann (Linke) und Eugen Heinrich, die ohnedies für den Erhalt plädierten, erhielten Beifall von den Rängen. Luig hielt der Union vor, entschieden zu haben, ohne Kosten zu kennen. Das bestritt Hubert Schulte (CDU) und setzte hinzu, es gebe mittlerweile so viele Zahlen zu dem Bau, dass sich damit jede Haltung begründen lasse. Luig dazu: „Und ihr habt die Zahlen rausgesucht, die zu eurer Entscheidung geführt haben.“ – Schulte bissig: „Das haben wir von der FDP gelernt.“

Auch Fraktionen uneins

Luig wiederum erklärte, wenn der Bau so schlecht sei, müsse ein Komplettabriss des Rathauses erwogen werden, zu dem der Bürgersaal ja gehöre. Für eine „Grüne Lunge“ mit Klima-Effekt, den CDU und FDP wünschten, sei der Platz viel zu klein.

Wie berichtet, wollen CDU und SPD eine Parkanlage an die Stelle des Bürgersaals setzen.

Am Rande der Sitzung hieß es, Hubert Schulte habe in der Fraktion nicht zu den Befürwortern des Abrisses gezählt, den er jetzt vertreten musste. Und für jedermann sichtbar verließ SPD-Fraktionsvize Friedhelm Peters sogar seinen Platz, als die Bürgersaal-Debatte entbrannte. Das ließ viele Anwesende ebenfalls auf eine andere Haltung als die der Fraktion schließen.

SPD geht Senioren an

Die SPD-Position vertrat Mirko Kruschinski dafür vehement: „Ich weiß, dass ich hier keinen Beifall erhalte“, begann er. Aber dass niemand den Abriss wolle, stimme nicht: Seiner Partei gehe es um junge Familien, deren Kinder stadtzentral einen Spielplatz bekommen sollten. Das Bürgerhaus habe der Stadtrat schon vor zwei Jahren aufgegeben, dennoch habe die Verwaltung unter der Überschrift Bürgersaal unverdrossen daran weitergeplant. Er verüble Vertretern von „Wir für Senioren“ deren Aussage, es gebe in der Stadt ohnehin keine Kinder mehr: „Warum bauen wir gerade vier Kindergärten?“ Zudem habe niemand Kosten oder Fördermöglichkeiten für Abriss und Parkanlage geprüft. Was die Verwaltung bestätigte.

>>> KOMMENTAR<<<

Niemals Jung gegen Alt!

Was für ein Abend. Seniorinnen und Senioren, die all ihren Mut zusammennehmen, für ihren Treff kämpfen und am Ende einen Teilerfolg erzielen. Dank Politikern, die nicht nur auf stur stellen, sondern tatsächlich noch einmal nachdenklich werden können.

Doch welche Konstellationen waren hier zu sehen! Da verteidigt Hubert Schulte als CDU-Parteisoldat einen Abriss, den er in der Fraktion selber nicht vertreten hat. Sein langjähriges Gegenüber im Bauausschuss, SPD-Vizefraktionschef Friedhelm Peters, verlässt gleich ganz die Kampfzone.

Die Risse, die das Thema in beiden großen Fraktionen offenbart, verlaufen zwischen den Generationen. Der Seniorentreff ist für die meisten älteren Politiker eine Institution, die es zu bewahren gilt. Einigen jüngeren sind Angebote für Familien erkennbar wichtiger. Doch hier gilt es höllisch aufzupassen, auf allen Seiten. In Menden dürfen Jung und Alt nie gegeneinander ausgespielt werden. Die Gefahr ist real – auch das hat dieser Abend gezeigt.

THOMAS HAGEMANN

Personalrat sauer auf CDU

Im Rathaus selbst hatte indes vor allem der CDU-Satz, wonach die Stadtverwaltung künftig keinen Raumbedarf mehr habe, am Donnerstagmorgen für helle Empörung gesorgt, berichteten die Personalräte Rolf Heidenreich, Rainer Zenker, Gaby Adolph und Stephanie Behme. „Nach zahllosen Anrufen“ setzten sie sich zusammen und verfassten einen Offenen Brief an die Mendener Ratsfraktionen. Darin heißt es, die Kolleginnen und Kollegen litten zunehmend unter dem unzureichenden Raumangebot. Immer mehr Schreibtische würden in die Büros gestellt, es werde sogar überlegt, Azubis an kleinere Tische zu setzen, um sie bei ihren Ausbildern unterbringen zu können. Diskretion und Datenschutz seien so gefährdet. Und ohne Bürgersaalgebäude fehlten die Räume für EDV-Schulungen, Familienlotsen oder Politessen.

IM WORTLAUT Der Offene Brief des Personalrats an die Ratsfraktionen

Die Äußerung des, so die WP, Sprechers der CDU-Fraktion, „es fehle der Raumbedarf der Verwaltung …“, orientiert sich aus Sicht des Personalrates mehr an dem Wunschdenken, eine gute - aber trotzdem sachlich falsche - Begründung für den Abriss des Bürgersaales zu finden, als an der Realität. Hier stellt sich für den Personalrat die Frage, wie die Informationsgewinnung der politisch Verantwortlichen bezüglich der Arbeitssituation der Mitarbeiter der Stadt Menden stattgefunden hat.

Eine Nachfrage bei den MitarbeiterInnen bzw. bei dem von den MitarbeiterInnen gewählten Personalrat hätte, so ist jedenfalls zu hoffen, zu einer realistischeren und ehrlicheren Bewertung der Raumsituation im Rathaus führen können. Die Realität ist die, dass die Kolleginnen und Kollegen immer mehr unter dem unzureichenden Raumangebot zu leiden haben: Einzelbüros werden zu Zweierbüros, Zweierbüros zu Dreierbüros, Dreierbüros werden zu Viererbüros. Überlegungen werden angestellt, Auszubildende an kleinere Schreibtische zu setzen, um sie so bei ihren Ausbildern unterbringen zu können. Diskretion und Datenschutz sind aufgrund der Mehrfachbelegung von Büros - gerade auch in sensiblen Bereichen wie dem Jugendamt - sehr oft gefährdet.

Krank machende Unruhe durch ständig vorhandene konzentrationsstörende Einflüsse aufgrund von Mehrfachbelegungen, erschwerte Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen durch Auslagerung von ursprünglich im Rathaus angesiedelten Büros usw – auch stellt sich der Personalrat folgende Fragen: Wo werden demnächst EDV-Schulungen für die Mitarbeiter der Stadt durchgeführt werden? Wo werden demnächst die Familienlotsen zu finden sein? Wo sollen die Politessen der Stadt ihre Räumlichkeiten haben?

Im Rathaus jedenfalls nicht. Dort fehlt der Platz! Und zum Schluss: Nur so nebenbei, weil die Telearbeit bei der Stadt Menden erwähnt wurde: Acht Mitarbeiter haben Telearbeit beantragt und nutzen die Möglichkeit zu Hause zu arbeiten. Wie oft? In der Regel an zwei Tagen in der Woche. Umkehrschluss? An drei Tagen in der Woche arbeiten sie im Rathaus. Einspareffekt an Räumen? Extrem gering, aber eigentlich gleich Null. Hätte man bei Nachfrage in Erfahrung bringen können.