Menden. . Nach Missbrauchsfall in Lügde und Plettenberg: Evangelische Jugendhilfe Menden fürchtet ums Image. Abdeckung mit Familien im Kreis funktioniert.

Der Missbrauchsskandal in Lüdge bringt immer neue schockierende Details ans Tageslicht. Einem 65-jährigen Dauercamper wirft die Staatsanwaltschaft in mehr als 290 Fällen den Besitz von kinderpornografischen Schriften vor und Kindesmissbrauch vor, darunter auch den Missbrauch von Schutzbefohlenen. Der Hauptverdächtige war als Pflegeperson für eine Sechsjährige verantwortlich. Das Jugendamt Lippe sieht sich Kritik ausgesetzt.

Weiterbildung wind angeboten

Die Evangelische Jugendhilfe Menden geht offensiv mit dem Thema um. „Die Pflegekinderhilfe, Pflegekinderdienste, Jugendämter und nicht zuletzt die Pflegefamilien stehen durch die Missbrauchsfälle in Lügde und den Tod eines Pflegekindes in Plettenberg sehr in der Kritik“, sagt Dr. Richard Müller-Schlotmann, Bereichsleiter der Pflegekinderhilfe Menden. „Dabei leistet der überwiegende Anteil der Pflegefamilien ihre verantwortungsvolle und wichtige Arbeit sehr erfolgreich und unterstützt Kinder nachhaltig und erfolgreich in ihrer Entwicklung.“

Eine Verunsicherung bei den Mendener Pflegefamilien sieht der Diplom-Pädagoge nicht. Dennoch gibt es Weiterbildungsangebote zum Thema „Was passiert bei einer Meldung zum Kindeswohl?“ In der Regel sei dann das Jugendamt die Institution, die sich vor Ort kümmert. Beratungsgespräche beim Jugendamt gibt es alle vier bis sechs Wochen.

Eigenes Verhalten reflektieren

Die Evangelische Jugendhilfe kooperiert mit den Jugendämtern des Märkischen Kreises sowie der Städte Menden, Iserlohn und Hemer. Im Auftrag derer betreut die Stiftung 90 Pflegefamilien. Als freier Träger kommen noch einmal 36 Pflegeverhältnisse dazu.

Die Auswahl von Pflegeeltern erfolgt nach mehreren Kriterien, wie Müller-Schlotmann sagt: „Sie sollten gerne mit Kindern leben wollen und ein eigenes Einkommen haben.“ Auch ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis wird von den Bewerbern verlangt. „Pflegeeltern müssen ihr eigenes Verhalten reflektieren und die Situationen von Kindern verstehen können.“ Dazu gehöre zum Beispiel der Umgang mit traumatisierten Kindern.

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All diese Fähigkeiten werden in Vorbereitungskursen geschult. Die Pflegebescheinigung – eine Art Erlaubnis, Pflegekinder aufzunehmen – stellt das Jugendamt aus. „Bei einer Gefährdung kann das Jugendamt diese auch wieder entziehen“, sagt Müller-Schlotmann.

Solche Fälle kämen durchaus vor. Meist wird ein Pflegeverhältnis beendet, wenn die Beziehung zwischen dem Kind und den Erwachsenen zu sehr belastet ist. Manchmal seien die Pflegeeltern auch überfordert. „Zu einem Missbrauchsfall ist es in Menden Gott sei Dank noch nicht gekommen“, sagt der Bereichsleiter.

Insgesamt ist die Nachfrage nach Pflegefamilien mit dem Höhepunkt des Flüchtlingszugzugs 2015 stark angestiegen. „Ein Viertel der Kinder, die in Pflegefamilien leben, kommt aus einer Familie mit Migrationsgeschichte.“ Kultur sei bei der Eingewöhnung wichtig. „Für die Kinder ist es natürlich leichter, wenn ihnen etwas vertraut vorkommt.“ Es gebe auf der anderen Seite aber auch deutsche Kinder in türkischen Familien.

Mehr Auswahl gewünscht

In Großstädten wie Berlin suchen die Jugendämter dringend Pflegepersonen. „Jährlich fehlen etwa 500 Familien“, sagte kürzlich Peter Heinßen, Geschäftsführer der Familien für Kinder gGmbH, der Deutschen Presse-Agentur mit Verweis auf Schätzungen im April. Das Unternehmen betreibt unter anderem die Landesberatungsstelle Vollzeitpflege Berlin. Ein Problem sei der angespannte Wohnungsmarkt, sagte Heinßen.

Dagegen ist die Situation im Märkischen Kreis deutlich entspannter. Kinder aus Großstädten würden ins Sauerland vermittelt, weiß Müller-Schlotmann. „Ich habe das Gefühl, dass wir den Bedarf decken können. Wir würden uns trotzdem eine größere Auswahl wünschen.“ Kriterien seien auch, ob es in der Familie bereits ein anderes Kind oder ein Haustier gibt.