Menden. . Thomas Gsellas Mendener Poem über eine Eisenbahnwaschanlage zeigt: Komische Lyrik hat im Scaramouche endgültig eine Zuflucht gefunden.

Carsten Stephan aus Frankfurt am Main ist als zweiter Mensch im Universum Preisträger des Großen Dinggangs! Und er ist der vierte auf Erden, der das wichtigste Kleinod der Komischen Lyrik sein eigen nennt: den Dinggang-Badehosen-Aufnäher. Den muss er im Sommer nun mindestens ein Mal nachweislich tragen, ebenso wie Philip Saß aus Dänischhagen, der mit dem Kleinen Dinggang den Publikumspreis errang.

Carsten Stephan war der Szene mit abgedrehten Sherlock-Holmes-Gedichten aufgefallen. Als Dinggang-Preisträger wird er sich nun vor Verlags- und Filmangeboten kaum retten können, wie ihm die Moderatoren Janine Bauer und Peter P. Neuhaus nach der Verleihung im „Scaramouche“ am späten Samstagabend prophezeiten.

Das Tauberbischofsheim der Lyrik

Tatsächlich hat Stephan in der Jury wahre Koryphäen der Gattung überzeugen können: Corinna Stegemann, Christian Maintz, Thomas Gsella und last but not least den Lokalmatadoren Peter P. Neuhaus himself. Sie alle schrieben oder schreiben für Satire-Magazine, liefern Gags für Comedy-Sendungen oder Websites. Und sie alle können, von Thomas Gsella als dem Superstar der Szene abgesehen, nicht wirklich davon leben. Da sind 1000 Euro Preisgeld schon eine Nummer. Menden macht sich mit dem zweijährlich ausgeschriebenen Dinggang allmählich auf, zum Mekka der Komischen Lyrik zu werden.

Und zum Tauberbischofsheim: Wie im Fechten vom Degenknirps bis zum Olympiasieger alles aus diesem Örtchen kommt, soll es auch in Menden in zwei Jahren einen Nachwuchs-Dinggang als Preis sowie Seminare mit ganz Großen der Komischen Lyrik geben.

Gsella bleibt der große Käse

Dabei dürfte nicht nur die Dichtkunst als solche, sondern auch der gekonnte Vortrag eine Rolle spielen. Schon Carsten Stephan hatte seine Verse im Kampf um den Publikumspreis betont unbetont verlesen, doch gegen den furztrockenen Auftritt von Philip Saß aus Dänischhagen blieb er chancenlos. Stephans Reime mögen sich auf Papier saftiger lesen, Saß’ Gedichte sind vortragskompatibler, sie erinnern mitunter an Heinz Erhardt. So lauten die Verse zu seinen vertrockneten Pflanzen: „,Gieß es!’, hieß es, doch ich ließ es.“ Mitten aus dem Leben gegriffen auch der Nachruf auf einen (zeitschindenden) Mittelfeldspieler: „Fies raunten dir die Gegner zu, du würdest übertreiben. – Nun hast du endlich deine Ruh, nun darfst du liegenbleiben.“

Stefan Pölt aus Hatterheim ließ sich über „Fräulein Holles Gespür für Schnee“ aus. Moritz Hürtgen, aktueller Titanic-Chef aus Frankfurt, beschwor zehn Ängste – vor Spinnen, Versagen, Gespenstern, Keimen oder Prüfungen. In der Pause berichtete er, dass „Die Partei“ seines Titanic-Vorgängers Martin Sonneborn bei der Europawahl bis zu vier Sitze im Parlament erobern könne. Aktuelles gab’s auch von Ingo Neumayer aus Köln zu hören: Für ihn war die Tatsache, dass das Zimmertheater trotz des Pokalfinales ausverkauft war, ein „Sieg der Poesie über die Drecks-Bayern!“

Neumayer ist erklärter Fan des Bundesligaabsteigers VfB Stuttgart.

Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, wer in der Komischen Lyrik der wahre Superstar ist, der wirklich große Käse, dann hat der Dinggang auch diesen erbracht: Es ist und bleibt – Thomas Gsella.

Die Eisenbahn-Waschanlage

Dinggang: „Das Beste vom Guten“ gibt’s als Buch

Wie nach der Premiere 2017 gibt es auch für die Neuauflage des Großen Dinggangs das gleichnamige Buch mit allen Wettbewerbsbeiträgen, die im vorgetragen wurden. Das Buch gibt es zum Preis von 10 Euro in Menden bei der Katastrophenkultur im Scaramouche untermn Hallenbad sowie in der Buchhandlung Daub, Unnaer Straße.

Denn in der öffentlichen Jurysitzung am Freitagabend hatte das Mendener Publikum allen vier Juroren fünf Begriffe zugerufen und mit ins Bett gegeben, die in einem brandneu zu verfassenden Vierzeiler unterzubringen waren: „Gefuckelter“, „Sakrileg“, „Mensch“, „Eisenbahn-Waschanlage“ und „Hallenbad“.

Während die anderen Juroren mehr oder minder grandios daran scheiterten, diese Wörter in vier Zeilen samt Reim und Pointe unterzubringen, trug Ex-Titanic-Chef Gsella am Samstagabend ein Epos vor, das ab sofort neben „Wanderers Nachtlied“ seinen Platz im Olymp der Dichtkunst einnimmt – als Mendener Beitrag zur Hochliteratur.Ein Mensch in der Eisenbahn-Waschanlage? / Anstatt im Hallenbad? Welch Sakrileg! / Gefuckelte trinkt er und steht ohne Frage / den schmutzigen Eisenbahnen im Weg.

Diese Glanzleistung mit Mendener Wurzeln fiel dem Poeten unter der Dusche ein. Indes bedarf es noch eines weiteren Lobes: für den unfassbaren Aufwand, den die Katastrophenkultur mit dem Dinggang auf sich nimmt. Zehn Tage lang wurde ein Film produziert, der an beiden Abenden Glanzlichter setzte und als Director’s Cut bald im Netz zu sehen sein soll. Er zeigt Janine Bauer als Janine Bauer und Peter P. Neuhaus als Bodyguard Vassili, wie sie von Menden aus die mehr als 2000 Texte zu den Juroren bringen. Dazu gab’s im Scaramouche eine Showtreppe, im Eingang einen Aufbau samt rotem Teppich, der einer Berlinale zur Ehre gereicht hätte.: Großes Kino im kleinen Menden!