Menden. . Grünen-Vorsitzender Robert Habeck liest in Menden aus seinem Buch. Er bezeichnet sein Werk als „trocken“. Mendener fragen nach seinem Privatleben
Robert Habeck, Bestsellerautor, und seit einem Jahr Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen entpuppte sich am auf der Wilhelmshöhe im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Autorenfrühling“ der Buchhandlung Daub als Publikumsmagnet.
Er las in der Kulisse des neuen Stückes des Halinger Dorftheaters mit einem Bild des Bundespräsidenten im Rücken. Der mit fast 50 Jahren noch jungenhaft und unverbraucht wirkende Politiker, Philosoph und Autor trifft mit seinem neuen Buch „Wer wir sein könnten – warum unsere Demokratie eine offene und vielfältige Sprache braucht“ den Nerv der Zeit.
Autor zeigt sich selbstkritisch
Mit Leidenschaft spricht er; Habeck wirkt authentisch und kann auch selbstkritisch sein. In der Politik eine Seltenheit. Er hat sich mit Sprache gründlich auseinandergesetzt, denn er arbeitet als Schriftsteller, hat Philosophie, Germanistik und Philologie studiert.
Bereits in den ersten Zeilen seiner Lesung spricht er seine Grundthese aus: „Wie wir sprechen, entscheidet darüber, wer wir sind. Und wer wir sein könnten.“
Der gegenwärtige politische Rechtsruck mache sich zuallererst an der Sprache fest. Er zitiert den Brandenburger AfD-Vorsitzenden, der 2018 beim Kyffhäusertreffen seine Partei als „Totengräber der fauligen Reste dieser 68er-Zersetzung“ beschrieb.
Nach den ersten Kapiteln sagt er dem Publikum selbstkritisch: „Es ist schon trocken.“ Er meint damit sein an mancher Stelle sprachtheoretisch und vielleicht auch nicht für jedermann überall gut verständliches Buch. Dann fuhr er fort: „Aber Sie werden sehen, dass ich auch anders schreiben kann.“
Dies zeigte sich, als er aus seinem zweiten Buch „Wer wagt, beginnt“ las, das autobiografische Züge trägt und leichter verdaulich ist als sein Erstling.
Klassenfahrt im engen Bus
Spannend wurde es, als er nach dem ersten Teil der Lesung auf Publikumsfragen einging und aus seinem politischen Werdegang, seiner politischen Arbeit, seinem Verhältnis zu den Medien und auch aus seinem Privatleben berichtete.
„Ich will hier nicht in die Medienschelte einsteigen. Die klassischen Medien stehen unter Druck“, erklärte er. Die Berichterstattung sei emotionaler und weniger analytisch als früher. Zu den Jugendlichen der Gegenwart meint er: „Die Schülerstreiks sind ein Tritt in den Hintern der Politik der Erwachsenen. Bedenken Sie, dass die jetzt 16-Jährigen in zwei Jahren wählen dürfen. Da wächst eine politische Generation heran. Das finde ich großartig.“ Das meist nicht mehr jugendliche Publikum schloss sich mit großem Beifall seiner Meinung an.
Ausführlich berichtete er von den gescheiterten Verhandlungen zur Jamaika-Koalition. Das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz sei im Vorfeld die langweiligste Stunde des deutschen Fernsehens gewesen. Zu den Verhandlungen sagte er: „Das war wie eine Klassenfahrt in einem zu engen Bus“, und fuhr fort, „ich kann es nicht fassen, welche Anfängerfehler wir gemacht haben“. Es habe Vertrauensbrüche durch Indiskretionen gegeben. In den entscheidenden Gruppen sei nichts entschieden worden.
Ratlose Gesichter
Der Abend, als die Verhandlungen platzten, habe die Parteienlandschaft verändert. Es habe nur müde, ratlose Gesichter gegeben. Das Scheitern sei auf keinen Fall Lindner allein zuzuschreiben. „Daran waren wir alle beteiligt.“
Der Abend auf der Wilhelmshöhe war interessanter als manche Talkrunde, bei der betroffen und anklagend dreinschauende Moderatorinnen und Moderatoren manchmal nur das aus den Gästen herausholen, was sie erfragen dürfen, und was der Zuschauer oftmals sowieso schon weiß. Habeck liefert gegen den Strom laufende Denkmodelle. Das ist spannend.
Mit seinen letzten Worten machte der 50-Jährige dem Publikum Mut: „Trauen … wir uns, offen zu bleiben, angreifbar zu sein, verletzlich zu sein und optimistisch. Das ist die wahre Herausforderung: Zuversicht.“