Menden. . Dorothee Martin hat eine Software schreiben lassen, die Flüchtlingen hilft, Fachvokabeln und Co. zu lernen.

Bei manchen hapert’s an einfachen Alltagsausdrücken in deutscher Sprache, bei anderen am beruflichen Fachvokabular. Die Mendenerin Dorothee Martin hat für Flüchtlinge ein Programm schreiben lassen, damit diese schneller und leichter Deutsch lernen können. Das Besondere: Es ist kein Sprachprogramm im klassischen Sinn, sondern eine Vorstufe, ein Wort-Lern-Programm. Das Programm ist frei editierbar und kann individuell zugeschnitten werden. Dorothee Martin gibt es kostenlos weiter.

Als vor einigen Jahren die ersten syrischen Flüchtlinge nach Menden kamen und die Deutschkurse noch stolpernd anliefen, wollte Dorothee Martin handeln: „Ich habe mir ein Programm vorgestellt, das ähnlich wie Memory funktioniert. Text und Bild gehören zusammen, zusätzlich wird das Wort auch vorgelesen, so dass die Aussprache gehört werden kann.“ Kurzerhand bat die 68-Jährige einen Informatiker, ein entsprechendes Programm zu schreiben. Die Kosten bezahlte sie aus eigener Tasche.

Per Mausklick startet Dorothee Martin das Programm: Das Bild einer Kartoffel taucht auf dem Monitor auf, darunter steht „Die Kartoffel“ während eine Stimme das Wort spricht. Das Gleiche folgt mit „Die Gurke“ und „Die Tomate“. Tempo und Zahl der Wiederholungen können nach Bedarf eingestellt werden. Auch technische Begriffe und Sicherheitshinweise lassen sich abrufen. „Das ist interessant für Flüchtlinge, die zum Beispiel für eine Helfertätigkeit fit gemacht werden sollen“, erklärt Dorothee Martin. Das Computerprogramm, das Dorothee Martin „EWords“ genannt hat, wollte sie kostenlos zur Verfügung stellen. Sie wandte sich an die Stadtverwaltung und die Arbeitsagentur. Das Programm, so ihre Idee, könnte vormittags und nachmittags für zwei oder drei Stunden im Bürgersaal laufen, wo Flüchtlinge sich dann auf diese Weise erste Deutschkenntnisse aneignen und mit dem Klang der deutschen Sprache vertraut machen könnten.

Mathe-Unterricht für junge Flüchtlinge weiter fördern

Dorothee Martin ist auch als Ausbildungspatin ehrenamtlich aktiv. Darüber hinaus gibt sie jungen Flüchtlingen mehrmals in der Woche ehrenamtlich Unterricht.

So vermittelt sie beispielsweise jungen Menschen, die schon auf der weiterführenden Schule sind, Mathe-Grundlagen, die andere Schüler bereits in der Grundschulzeit lernen, die Flüchtlinge aber aufgrund ihrer Lebenssituation nicht lernen konnten.

Gleichzeitig würde sich Dorothee Martin wünschen, dass gut ausgebildete, erwachsene Flüchtlinge in ihrer Freizeit die Schüler ehrenamtlich mathematische Grundkenntnisse beibringen. „Den Kindern fehlt sonst die Basis“, sagt Dorothee Martin. Schon jetzt würden diese Kinder am Mathe-Unterricht nicht qualifiziert teilnehmen können. „Was sollen die denn erst mal in ein paar Jahren machen? Wir vertun jetzt Zeit, in der die Kinder am besten in der Lage wären zu lernen.“

Ein Ehrenamtlicher, so Dorothee Martins Vorschlag, könnte die Technik beaufsichtigen. Eine Lehrkraft werde hier nicht gebunden. Sie habe ihre Idee damals Bürgermeister Martin Wächter vorgetragen, der sei zwar angetan gewesen, das Ganze sei aber in der Stadtverwaltung nicht weiter verfolgt worden. Auch bei der Arbeitsagentur sei ihre Idee nicht angenommen worden, berichtet sie.

Dabei, so meint Dorothee Martin, wäre solch eine Initiative ein „schönes Signal“ gewesen. „Statt gelangweilt in der Stadt herumlaufen zu müssen oder nur im eigenen Umfeld herumzuhängen, hätten die Flüchtlinge für alle Bürger wahrnehmbar in kleinen Gruppen dort das Programm auf einem großen Monitor verfolgt und einen geregelten Tagesablauf trainiert“, sagt die ehrenamtliche Ausbildungspatin. „Da wäre es toll gewesen, wenn die Mendener gesehen hätten, dass die Flüchtlinge auch beschäftigt sind und Männer wie Frauen sich bemühen, uns kommunikativ näher zu kommen.“

Deutsch-Kenntnisse erweitern

Noch hat Dorothee Martin die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Stadt, Jobcenter oder Arbeitsagentur das Programm für Flüchtlinge nutzen möchten. „Flüchtlinge, die die Sprachkurse beendet, aber noch keinen Anschluss durch eine Ausbildung oder Arbeit haben, verlernen Deutsch sehr schnell wieder, wenn sie sich ausschließlich wieder in ihrem Umfeld bewegen“, erklärt Dorothee Martin. „Ein solches Angebot würde sie animieren und motivieren, sich weiterhin mit der deutschen Sprache zu beschäftigen und sich auch im deutschen Umfeld mit einer festen Tagesstruktur zu bewegen.“ Aber auch Initiativen, die sich ehrenamtlich um Flüchtlinge kümmern, oder Unternehmen würde sie „EWords“ kostenlos zur Verfügung stellen.

In jedem Fall setzt die Mendenerin das PC-Programm privat ein. Sie unterstützt Flüchtlinge, lernt ehrenamtlich mit ihnen. Ein junger Mann beispielsweise, der als Fachkraft für Metalltechnik ausgebildet wird, füttert das Computerprogramm mit dem entsprechenden Fachvokabular seines Berufes. Dazu macht er etwa ein Foto des Werkzeuges, sucht sich den deutschen Begriff dazu aus seinen Schulbüchern heraus, anschließend wird das Wort automatisch in eine Sprachdatei umgewandelt. „Das Programm ist quasi endlos erweiterbar“, erläutert Dorothee Martin. Und wenn Flüchtlinge auf diese Weise ihre Deutsch-Kenntnisse erweitern und festigen, ist sich Dorothee Martin sicher, sind auch die Chancen, auf einen Praktikums- oder Arbeitsplatz deutlich größer.