Menden. . Es gibt Zweifel an der Unabhängigkeit der Studie zum Einzelhandel in Menden. Die Autoren arbeiten für den Wüstenrot-Konzern.
Es gibt intern Zweifel an der Unabhängigkeit des neuen Einzelhandelskonzeptes für die Stadt Menden. Die Autoren der Studie arbeiten für die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung. Diese ist eine hundertprozentige Tochter der Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH. Deren Mutter Wüstenrot und Württembergische AG (W&W-Gruppe) ist großer Baufinanzierer und Versicherungskonzern. Kritikpunkt: Der Konzern macht sein Geschäft ausgerechnet mit Entscheidungen, die auf Grundlage solcher Berichte getroffen werden. Alleine im 15-Kilometer-Umkreis von Menden sitzt Wüstenrot aktuell bei fast 500 Immobilienprojekten unterschiedlicher Größe mit im Boot.
GMA nennt sich Institut
Der angesprochene Vorwurf eines Interessenkonfliktes sei ihr gar nicht bekannt, sagt Birgitt Wachs, Niederlassungsleiterin der GMA und Erstellerin des Mendener Konzeptes. „Es gibt auch keinen Interessenkonflikt, da die GMA unabhängig operiert und inhaltlich kein Austausch mit der W&W-Gruppe besteht“, erklärt Wachs schriftlich auf WP-Nachfrage. „Wir tätigen nachweislich keine Innenumsätze. Auch existiert weder ein Kontakt noch eine Zusammenarbeit zum örtlichen Wüstenrot-Berater in Menden. Daher liegt kein Konflikt unserer Auftragnehmerschaft vor.“
Kommentar: Die Abhängigkeit ist Fakt
Da hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Das neue Einzelhandelskonzept taugt nur bedingt als Grundlage für die weitere Stadtentwicklung.
Wenn Wüstenrot einerseits in dem 134 Seiten starken Papier den Wert der Innenstadt lobt und dann über eine andere Tochter beim Verkauf von Geschäftsimmobilien in der Fußgängerzone profitiert, dann ist ein Interessenkonflikt offensichtlich. Bitte trotzdem Vorsicht: Interessenskonflikt heißt noch lange nicht, dass mit böser Absicht schöngerechnet wurde. Das wäre ein ganz anderer Vorwurf.
Man kann diesen Konflikt jetzt nicht so einfach übergehen. Das Einzelhandelskonzept ist nicht eines von zahlreichen mal besseren, mal schlechteren Papieren, die in der Ablage landen. Das Konzept ist D I E Bibel für die Stadtentwicklung der nächsten Jahre. Es wird bei jeder Entscheidung hervorgeholt werden (müssen). So will es das Planungsrecht. Die GMA nimmt dabei geradezu die Aufgabe einer Aufsichtsbehörde ein. Ohne grünes Licht von der GMA läuft nichts. So gut der fachliche Ruf der GMA auch sein mag, der Interessenkonflikt stellt den Wert des Papiers komplett infrage.
Die Unternehmensvertreter hatten bei Vorträgen in Menden stets den Eindruck von Wissenschaftlern vermittelt, nennen sich selbst Institut. In seinem Geschäftsbericht macht das Unternehmen aber keinen Hehl aus der Geschäftstätigkeit: „Die Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH plant, baut und bewirtschaftet Lebensräume für Privatpersonen, Unternehmen, Städte und Gemeinden.“ Das Unternehmen und sein Mutterkonzern treten selbst als Bauträger auf und verdienen an Baukrediten. Viele Standorte der GMA sind gleichzeitig auch Standort von Wüstenrot.
Die Stadtverwaltung hat für die Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts nach eigenen Angaben 29.500 Euro investiert. Die Stadtverwaltung verweist darauf, dass sie bereits 2007 bei der Erstellung des ersten Einzelhandelskonzeptes mit der GMA zusammengearbeitet hatte. Die Erfahrungen seien positiv gewesen, sagt Stadtsprecher Johannes Ehrlich.
Sieben Büros angeschrieben
Für die Fortschreibung seien nun sieben renommierte Büros angeschrieben und um Abgabe eines Angebotes gebeten worden. Fünf hätten ein Angebot abgegeben, sagt Ehrlich. Die Angebote seien verglichen worden. „Dabei hat die GMA in der Bewertung nach Punkten am besten abgeschnitten.“ Neben der Wirtschaftlichkeit seien auch die Referenzen entscheidend gewesen. „Die GMA gilt, so wie die anderen angeschriebenen Büros auch, als renommiert und war bereits für zahlreiche Kommunen tätig“, erklärt Ehrlich. Und auch die positiven Erfahrungen aus 2007 haben eine Rolle bei der Auswahl gespielt. Ob und inwiefern ein solches Büro unabhängig von wirtschaftlichen Interessen agiert, geht meines Erachtens auch aus den Referenzen hervor, die es vorzuweisen hat.“
GMA: Nutzen Daten nicht weiter
Das Einzelhandelskonzept ist gespickt mit zahlreichen Informationen und Kennzahlen zur Stadtentwicklung. Grundlage sind auch sensible Daten aus dem Rathaus, die nicht öffentlich zugänglich sind. Versorgte die Stadtverwaltung eine Bank mit wertvollen Daten fürs Geschäft? Wüstenrot nutze die Daten nicht für andere Unternehmen im Konzern, erklärt Wachs auf Nachfrage. Als Tochterunternehmen sei die GMA nur an die „zentralen Dienste“ des Konzerns wie Personalabteilung und IT-Support angebunden.
Welchen tatsächlichen Wert könnte der Auftrag für Wüstenrot in Menden gehabt haben? „Erkenntnisse über Verknüpfungen oder Geschäftsbeziehungen zur ITG oder anderen Investoren haben wir nicht“, sagt Stadtsprecher Ehrlich auf Nachfrage. Es seien keine Wüstenrot-Unternehmen in Projekte involviert, die von Entscheidungen auf Grundlage des Einzelhandelskonzeptes profitieren könnten.
Zweifel an Rückschlüssen
Lokalpolitiker waren über mehrere Punkte des Konzeptes gestolpert. So hatten die Autoren den Einzelhandel in Menden in einem viel besseren Licht dargestellt als ihn die meisten Mendener wahrnehmen. Ein Ergebnis war, dass sich Investitionen in den Kernbereich der Innenstadt lohnen sollen. Merkwürdig erschien vor allem CDU und FDP, dass die Entwicklung des Kaufland-Geländes ausgebremst werden soll, um der Innenstadt nicht zu schaden. Gleichzeitig sollte am Standort Bösperde die Verlagerung von Aldi auf bestimmte Grundstücke weniger schädlich sein als auf andere. Eine detaillierte Begründung blieb die GMA vorerst schuldig.