Menden. Jessica Janz und Niklas Feldhaus ziehen zusammen in den Neubau des Vereins für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (VKM) am Lenzenplatz.

Mit dem Partner in die erste gemeinsame Wohnung zu ziehen, ist ein Einschnitt. Aber kaum jemand kann wohl ermessen, was dieser Schritt für Jessica Janz (31) bedeutet. Denn aufgrund ihrer Behinderungen ist sie auf Pflege rund um die Uhr angewiesen. Im neuen Wohnprojekt des VKM (Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen) kann sie sich ihren Herzenswunsch erfüllen. In wenigen Tagen zieht Jessica Janz mit ihrem Freund Niklas Feldhaus (37) zusammen.

Alles dauert ihr noch viel zu lang. Es sind doch nur noch ein paar Tage bis zum Einzug – aus Sicht eines Unbeteiligten. „Es dauert noch so lange“, sagt hingegen Jessica. „Ich bin sehr ungeduldig.“ Seit drei Jahren ist sie mit ihrem Niklas zusammen. Kennen gelernt haben sie sich in den Iserlohner Werkstätten in Sümmern, wo beide tagsüber arbeiten. Aus Kollegialität wurde Freundschaft, schließlich Liebe.

© Corinna Schutzeichel

Jeden Nachmittag dann die Trennung. Per Bus wird Jessica Janz nach Menden in die „Villa Dominik“ an der Schmölen-Allee – ein Wohnhaus für Menschen mit schwerer Behinderung – gebracht; Niklas Feldhaus in seine eigene Wohnung nach Iserlohn. Dann dauert es nicht lange, und die ersten Nachrichten fliegen von Handy zu Handy. Die Sehnsucht ist groß.

Niklas Feldhaus benötigt zwar auch Unterstützung, aber anders als seine Freundin keine Rund-um-die-Uhr-Pflege-Bereitschaft. Ein Zusammenleben in einer regulären behindertengerechten Wohnung kam für das Pärchen nicht in Frage. Jessica Janz braucht auch nachts einen Pflegedienst. „Von unseren bisherigen Bewohnern hat Jessica die stärksten körperlichen Einschränkungen“, berichtet VKM-Geschäftsführerin Marie-Ellen Krause. Im VKM-Haus am Lenzenplatz ist die Versorgung Tag und Nacht gewährleistet: „Uns ist es wichtig, dass möglichst alle Menschen die Chance bekommen, selbstständig zu wohnen.“

Die ersten Bewohner zieht am Wochenende ein

Der VKM ist Träger und Betreiber mehrerer Wohnmöglichkeiten für Menschen mit schweren Behinderungen, darunter das „Wohnhaus Solling­straße“ und die „Villa Dominik“. Das neueste Projekt ist das Appartementhaus für Menschen mit Handicap am Lenzenplatz (Zufahrt über Hofeskamp) – eine Hausgemeinschaft für 16 Personen, die teilweise einen sehr hohen Unterstützungsbedarf beim selbstständigen Wohnen haben und hier intensive Unterstützung erhalten.

An diesem Wochenende ziehen die ersten Bewohner ein, am Wochenende später wollen Jessica Janz und Niklas Feldhaus einziehen.

Der VKM, so berichtet Geschäftsführerin Marie-Ellen Krause, benötigt dringend noch examinierte Pflegekräfte als Ergänzung zum Team. Informationen unter: www.vkm-menden.de.

In den vergangenen Monaten hat das junge Paar die Wohnschule des VKM besucht, um Dinge des Alltags gemeinsam meistern zu lernen. Dazu gehört auch das Zubereiten von Mahlzeiten. Teamwork ist alles. „Jessica sagt mir dann, was ich machen soll“, erzählt Niklas Feldhaus, der zwar wie seine Freundin ebenfalls im Rollstuhl sitzt, diesen aber auch kurzzeitig verlassen kann. „Alleine wüsste ich das nicht so genau.“ Jessica Janz im Gegenzug weiß genau, was gemacht werden muss, könnte dies aber nicht alleine umsetzen. „Und wenn etwas mal gar nicht klappen sollte, ist immer jemand vom Team da, der dann hilft“, erläutert Marie-Ellen Krause.

Kürzlich waren Jessica Janz und Niklas Feldhaus mit Unterstützung in einem großen schwedischen Möbelhaus und haben alles gekauft, was ihnen für ihr neues Zuhause noch fehlte. „Mein Vater baut das dann bei uns auf“, freut sich Niklas Feldhaus. Im Schlafzimmer steht bald ein Doppelbett, kein Pflegebett. „Darauf ist dann ein Metallrahmen, so dass man das Bett für die Pflege rauf- und runterfahren kann“, erklärt Marie-Ellen Krause.

Ein Stück Selbstständigkeit

Neben dem Schlafzimmer gehören eine Wohnküche, ein Badezimmer, ein Abstellraum sowie Niklas Feldhaus’ Musikzimmer – für Schlagzeug, Keyboard und Gitarren – zum neuen Heim. Vom Wohnzimmer aus geht der Blick über die Terrasse auf den Lenzenplatz.

Für Jessica ist die erste eigene Wohnung „ein Stück Selbstständigkeit“, erklärt sie. „Ich bin dadurch selbstbewusster.“ Das Allergrößte aber ist für sie, „dass ich nicht mehr alleine bin. Es ist mir so wichtig, dass wir bald zusammen wohnen können. Es wird alles so viel schöner sein, wenn man den anderen um sich weiß.“

Das Zusammenleben ist nur der erste Schritt auf dem gemeinsamen Weg. An ihrem fünften Jahrestag wollen Jessica und Niklas heiraten: am 9. Mai 2020 – ein Samstag. „Niklas hat sich vor mich hingekniet und gefragt, ob ich ihn heiraten will“, erinnert sich Jessica Janz an den romantischen Moment. „Ich konnte erst gar nichts sagen, aber ich musste nicht lange überlegen. Ich hatte Tränen in den Augen.“ Eines steht für Jessica Janz jetzt schon fest: Sie will Niklas’ Nachnamen annehmen: „Dann heiße ich Frau Feldhaus.“