Menden. Teilnehmer tricksen mit unrealistischen Kilometerangaben. Veranstalter disqualifizieren Gruppe. Wettbewerb setzt auf Symbolik – und Ehrlichkeit.

Da wurden die Verantwortlichen stutzig: Schüler haben beim Wettbewerb Stadtradeln mit völlig übertriebenen Kilometerangaben versucht, den Sieg abzuräumen. Der Schwindel fiel auf, die Gruppe wurde disqualifiziert. Auch bei anderen Teilnehmern kommen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben auf. Echte Kontrollmöglichkeiten gibt es keine. Welchen Sinn macht dann der Prestige-Wettbewerb überhaupt?

„Einer der Schüler hat 100 000 Kilometer am Tag eingetragen. Das war natürlich völliger Blödsinn“, sagt Stadtsprecher Johannes Ehrlich. Der Stadtradel-Wettbewerb lief bekanntlich drei Wochen lang. Die Teilnehmer konnten sich in Gruppen zusammenschließen. Wer eine Etappe auf dem Arbeits. oder Schulweg mit dem Rad absolviert hatte, konnte die Strecke im Internet in eine Datenbank eintragen. Am Ende gab es Preise für die Gruppen mit den längsten Strecken. 161 Mendener Teilnehmer sollen demnach vor den Sommerferien 47 478 Kilometer absolviert haben – mit Betonung auf sollen.

„Das alles funktioniert auf Vertrauensbasis“, sagt Ehrlich. Die lokalen Verantwortlichen Rainer Lückermann und Rüdiger Merse könnten nur die Plausibilität überprüfen. Dass kein Schüler 100 000 Kilometer zur Schule fährt, ist relativ klar. Bei kleineren Abweichungen werde es schon schwieriger.

App zur Kilometererfassung

Die Hauptveranstalter vom Netzwerk Klimabündnis, die 800 Teilnehmerstädte und 230 000 Radler betreuen, setzen auf eine genauere Erfassung per Handy-App. „Theoretisch muss auch da niemand mit dem Rad gefahren sein. Man kann natürlich auch das Smartphone auf den Beifahrersitz im Auto legen und mit Tempo 20 durch die Gegend fahren“, sagt Klimabündnis-Sprecher Sebastian Reich. Das sei aber auch nicht entscheidend. „Es geht nicht darum, hier Kilometer eins zu eins anzugeben. Wir wollen zeigen, dass Radförderung notwendig ist.“ Das Online-Portal zeigt neben der absolvierten Strecke auch die hochgerechnete Kohlendioxid-Einsparung an. Reich: „Wir setzen auf das Vertrauensprinzip.“

Reich räumt ein, dass es immer wieder Beschwerden über falsche Angaben gebe. Die lokalen Koordinatoren seien dafür die Kontrollinstanz. Auch wenn es theoretisch sogar denkbar ist, dass ganze Kommunen es nicht ganz so genau mit den Kilometern nehmen, um wertvolle Preise im Bundeswettbewerb abzusahnen: „Es gibt keine stadtweiten Verschwörungen.“

Hohe Akademiker-Grade

Die Mendener Verwaltung denke noch darüber nach, ob der erstmals durchgeführte Schülerwettbewerb 2019 wiederholt werde, sagt Stadtsprecher Ehrlich. Fakt ist, dass sich der Radel-Nachwuchs besonders kreativ bei der Auslegung der Regeln zeigte: Die 7e vom Hönne-Gymnasium zum Beispiel fällt vor allem durch einen hohen Akademiker-Grad auf: Dr. Tim-Thomas-Thommesson von und zu Sachsen, Professor Dr. Lukas und Professor Dr. Nikiforos wollen gemeinsam mit 13 Klassenkameraden 3837,9 Kilometer in drei Wochen geradelt sein. Die Kilometer klingen nachvollziehbar, bei den Namen kamen Zweifel auf.

Beim Mendener Sieger des Stadtradelns sind sich die Koordinatoren dagegen sicher, dass er realistische Zahlen angegeben hat. „Wir haben die Lehrer gefragt. Der Junge sitzt wirklich so viel auf dem Rad“, sagt Johannes Ehrlich. Realschüler Leon Oberste strampelte 475 Kilometer durch Menden.