Menden. Zum wiederholten Mal besucht der Benediktinerpater Anselm Grün die Hönnestadt. Dabei macht er in der St.-Vincenz-Kirche Mut zur Entschleunigung.
Manche kennen sie kaum, bei anderen bestimmt sie den Alltag – die Sorge. Pater Anselm Grün nimmt bei seinem Besuch in Menden das Sorgen in den Fokus. „Vom Ich zum Du“ heißt das neue Buch des Benediktinerpaters. Für andere sorgen, aber auch für sich selbst sorgen – das sind die beiden Pole der Reise, auf die der 73-Jährige seine Zuhörer in der Vincenz-Kirche mitnimmt.
Mit dem Thema Sorgen haben sich schon viele große Namen beschäftigt. Der Philosoph Martin Heidegger, der den Menschen definiert hat als jemand, der immer in Sorge ist. Der Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Erich Fromm, der festgestellt hat, es gibt keine Liebe ohne Sorge. Sorge kann liebend und wertschätzend sein, doch sie kann auch einengen, fesseln, entmutigen, keinen Raum zum Atmen lassen. Anselm Grün, Pater aus der Abtei Münsterschwarzach, führt an vielen kleinen Begebenheiten des Alltags aus, wo Sorgen immer wieder aufflackern oder gar das Leben bestimmen: „Es ist die Frage, welche Qualität die Sorge hat.“
Eine ängstliche Sorge der Eltern um Sohn oder Tochter könne das Kind schwächen: „Es ist kontraproduktiv, wenn dem Kind vermittelt wird: Du bist ein Sorgenkind.“ Setzen Eltern stattdessen trotz aller Sorge Vertrauen in ihr Kind, „spürt es das und wird gestärkt“. Sorge müsse auch loslassen, um Freiraum zu gewähren. Anselm Grün schildert das Beispiel einer Mutter,
Kantor Rose improvisiert an der Orgel
Wie auch bei seinen früheren Besuchen wurde Pater Anselm Grün von improvisierter Orgelmusik durch Kantor Christian Rose begleitet.
Musik als Zugang zur Seele: Schon der griechische Philosoph Pythagoras (570 v. Chr.) habe gesagt, dass Musik die Menschen in Schwingungen bringe und heilsam wirke, erklärte Pater Anselm Grün: „Musik ist auch ein Weg, uns mit uns selbst auszusöhnen.“
die sich nach dem Studienabbruch ihres Sohnes Gedanken über dessen Zukunft macht und die klagt, dass der junge Mann nur vor dem Computer sitze und seinen Weg ins Leben nicht finde. Einfach sei es sicherlich nicht, räumt der Pater ein, „eine quälende Sorge in eine helfende Sorge zu verwandeln. Aber das Gebet kann ein Weg sein.“
Ob Identitätskrisen Heranwachsender, Einsamkeit im Alter, (gefühlte) Verpflichtungen innerhalb von Familien – Pater Anselm Grün führt eine Vielzahl von Beispielen an. Eines ist allen gemeinsam: Es geht nicht um die Aufgabe der eigenen Bedürfnisse, sondern darum, die eigenen Grenzen zu spüren und zu setzen. Die Sorge um uns selbst bedeute allerdings nicht, egoistisch zu sein, betont der Pater. „Menschen, die mit gutem Maß für andere sorgen, sorgen auch gut für sich selbst, haben Psychologen festgestellt. So leben Menschen, die sich zum Beispiel um ihre Enkel kümmern, länger als die Älteren, die nur um sich selbst kreisen.“
Auf das eigene Gefühl achten
Die Waage zwischen Geben und Nehmen, zwischen Sorgen um andere und Kümmern um sich selbst müsse stimmen. Wichtig sei, auf das eigene Gefühl zu achten: „Wer Bitterkeit spürt, sich ausgenutzt fühlt und gereizt ist, sollte nicht jammern, sondern die Verantwortung übernehmen und für sich selbst sorgen.“ Der Pater will Mut machen, sich nicht vom Partner, von Kollegen oder anderen Menschen abhängig zu fühlen: „Für sich selbst sorgen heißt, auszusteigen aus der Opferrolle.“
Achtsamkeit, nicht durch den Alltag hetzen, Wahrnehmen eigener Bedürfnisse: „Eine wichtige Sorge für sich selbst ist, gute Rituale zu haben: selber zu leben statt gelebt zu werden“, legt der Pater seinen Zuhörern ans Herz. Häufig erlebe er in jüngerer Zeit, dass Menschen bei ihm Hilfe suchen, in denen das tiefe Gefühl verwurzelt ist, sie seien nicht genug: „Als Mutter nicht genug, als Vater nicht genug, im Beruf nicht genug.“ Er appelliert, nicht zu jammern, sondern Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und dem „verlassenen inneren Kind“ zu sagen: „Für mich bist Du gut genug.“ Passend hierzu führt der Seelsorger zum Abschluss eine Übung durch, bei der die Besucher mit vor der Brust gekreuzten Armen ihr „inneres Kind“ symbolisch umarmen.
Mehrere hundert Besucher
Wie sorgfältig mit der Sorge – um andere, um sich selbst – umgegangen werden kann, das vermag der Benediktinerpater eindrucksvoll zu zeigen. Auch bei seinem wiederholten Besuch in Menden auf Einladung von Buchhändler Andreas Wallentin hat Anselm Grün nichts von seinem Charisma verloren, mucksmäuschenstill lauschen mehrere Hundert Besucher in der Vincenz-Kirche seinen Ausführungen – die mal ganz lebenspraktisch sind, mal spirituell, immer zum Nach- und Weiterdenken anregend.