Menden. Uta Lahme vom Hospizkreis Menden arbeitet seit 20 Jahren ehrenamtlich als Sterbebegleiterin. Ein Gespräch über Herausforderungen und Perspektiven

Mit mehr als 20 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern steht der Hospizkreis Menden stets bereit, um Menschen in ihrer letzten Lebensphase und ihre Angehörigen zu Hause, in den Krankenhäusern und Altenheimen zu begleiten. Patrick Friedland sprach mit Vorstandsmitglied Uta Lahme über Herausforderungen und emotionale Erlebnisse im Leben einer Sterbebegleiterin.

Frau Lahme, warum wird man Sterbebegleiter?

Uta Lahme: Wir wollen ermöglichen, dass Menschen in ihren ­Familien sterben können, weil die Allermeisten dies wünschen. Dazu wollen wir beitragen. Die Hospizbewegung kam in den 90er Jahren aus England nach Deutschland und entstand aufgrund der Tatsache, dass mit den Fortschritten der modernen Intensiv-Medizin eine längere Lebens-/Sterbephase einherging. Es ging darum, einen Platz zu finden, wo man in Ruhe sterben kann und nicht – wovor damals viele Angst hatten – auf der Intensivstation.

Kann man Menschen die Angst vor dem Sterben nehmen?

Ich würde sagen: Nehmen kann man es nicht. Aber wenn jemand zu dem Punkt kommt, dass er ­akzeptiert, sterbenskrank zu sein, wenn das im Bewusstsein ist – dann kann man über die wichtigen Dinge sprechen und dem Tod mit weniger Angst entgegensehen. Unserer Erfahrung nach ist es oft auch einfacher, mit Fremden wie uns über gewisse Dinge zu reden. Viele ­haben etwas Bestimmtes auf dem Herzen, das sie mit ihren Angehörigen nicht besprechen können oder wollen. Manchmal reicht auch schon ein Erstgespräch. Dieses führen wir sofort, möglichst noch am dem Tag, an dem uns die Anfrage erreicht. Schließlich sind die Menschen in großer Not, wenn sie uns anrufen. Viele warten unseres Erachtens nach zu lange.

Welche positiven Erlebnisse ziehen Sie aus ihrem Job? Was fällt besonders schwer?

Es ist eine ungeheuer befriedigende Tätigkeit. Wir werden immer mit ganz großer Dankbarkeit in die ­Familie aufgenommen, egal, wie lange die Betreuung andauert. Schwer haben es Menschen, die ihre Krankheit nicht akzeptieren und keine Vertrauensbasis zulassen. Das passiert aber eher selten.

Gab es besondere Fälle?

Auf der Palliativstation in Hemer ist mir mal eine junge Frau unter 40 mit zwei Kindern begegnet. Sie hatte größere Bedenken, was mit den beiden passiert. Wichtig ist in solchen Fällen, die Kinder von Anfang an mitzunehmen und ehrlich mit ihnen zu sprechen. Die spüren sowieso, dass da was im Busch ist.

Was bewegt denn die Sterbenden? Mit welchen Themen setzen Sie sich besonders häufig auseinander?

Jeder Mensch erzählt unglaublich gern über sein Leben. Für ältere Menschen ist ein schlechtes Verhältnis zu den Kindern oft das Schlimmste. Und Religion spielt eine große Rolle. Nicht für uns als konfessionsneutraler Verein, aber für die meisten Menschen. Wenn bei mir das Gespräch ins Stocken gerät, dann frage ich häufiger, welche Vorstellung die Person von dem hat, was nach dem Tod ist.

Mit welchen Erkrankungen müssen Sie sich am Häufigsten auseinandersetzen?

Die meisten leiden an Krebs. Altersschwäche kommt auch vor. Und: Die Menschen sind im Regelfall bettlägerig. Ich glaube, solange Menschen noch mobil sind, meinen sie auch noch nicht, dass sie sterbenskrank sind.

Thema Finalität: Gibt es Rücksprachen mit Ärzten?

Wir ziehen es nicht in Zweifel, dass diejenigen, die sich an uns wenden, todkrank sind. Was hingegen vorkommt, ist, dass sich manche Altenheimbewohner während der Betreuungszeit sehr gut erholen. Dann sprechen wir natürlich auch mit den Angehörigen über das weitere Vorgehen. Für normale „Besuche“ sind wir nicht zuständig, aber geht es den Bewohnern dann wieder schlechter, geht die Begleitung weiter. Rücksprachen mit Ärzten gibt es nicht.

Wie groß ist die Nachfrage für Sterbebegleiter-Ausbildungen? Gibt es „Nachwuchsprobleme?“

Wir machen da sehr gute Erfahrungen. Alle zwei Jahre gibt es bei uns einen gut besuchten Kurs.

Was geschieht nach der Ausbildung?

Man muss im Verein Mitglied werden, sich aus unseren vier Tutoren einen aussuchen und persönliche Gespräche führen. Da geht es darum, ob die Interessenten geeignet sind für eine aktive Mitarbeit als Sterbebegleiter bei uns. Diejenigen sollen dann ein Jahr lang sich bei uns einbringen, an Veranstaltungen teilnehmen, dass wir uns gut kennenlernen können und sollen verbindlich alle sechs Wochen an den Supervisionen teilnehmen. In diesen thematisieren wir unter anderem, was wir bei unseren Begleitungen erlebt haben. Und wir geben Unterstützung, wenn neue Begleiter vor ihrem ersten Begleiteinsatz Sicherheit brauchen.

Belasten Sie die Schicksale Ihrer Patienten im Privaten?

Das dürfen wir eigentlich gar nicht zulassen. Das ist auch ein Teil der Ausbildung. Ein Helfer-Syndrom zu entwickeln, wäre das Schlimmste, was passieren kann. In solchen Fällen helfen aber auch Supervision (psychologische Mitarbeiterbegleitung, d. Red.) oder der jeweilige Tutor.

Hat sich der Umgang mit dem Tod in den letzten Jahren verändert? Wenn ja, wie?

Ganz eindeutig zum Positiven. Wir können das auch nicht allein nur der Hospizbewegung zuschreiben. Vor unserer Gründung vor etwas mehr als 20 Jahren versteckte man die Toten. Wenn da jemand starb, wurde nachts einfach der Bestatter geholt. Wenn sie daran denken, wie offensiv Bestattungsunternehmen heutzutage in der Werbung sind, dass sie Abschiedsräume bei sich anbieten – es ist ein Bedürfnis für viele Menschen, den Verstorbenen nochmal zu sehen in würdiger Umgebung. Das war lange gar nicht möglich. Eine weitere Änderung – die halte ich aber für rückwärtsgewandt – ist die hohe Zahl von anonymen Bestattungen. Die Menschen, die den Toten durchs Leben begleitet haben, müssen die Gelegenheit bekommen, Abschied zu nehmen. Dies wird ihnen dadurch verwehrt.