Menden. . Gitarren-Legende Ali Claudi kehrt in Heimatstadt Menden zurück. Ein Gespräch über blutige Finger, Hausaufgaben und die erste Gage.

Kult-Gitarrist Ali Claudi ist wieder in seiner Heimatstadt. Der gebürtige Mendener gehört zu den Pionieren der Jazz-Gitarre in Deutschland. Der Wahl-Düsseldorfer jazzt am Samstag, 14. April, 20 Uhr, mit Organist Hans-Günther Adam im Club „woanders“. Jürgen Overkott erwischte ihn am Telefon – erst mobil und dann auf seinem Festnetzanschluss.

So, jetzt ist die Tonqualität von einer guten Verbindung nicht mehr zu unterscheiden. Ist die Verbindung im Düsseldorfer Norden so schlecht?

Ali Claudi: Nee, ich habe kein Smartphone, ich habe noch so einen richtig alten Knochen. Den brauche ich auch, wegen meiner dicken Daumen. Mein Telefon muss erhabene Tasten haben.

Ich vermute, dass mit dem Gitarrespielen zu tun. Stichwort: Hornhaut auf den Fingerkuppen.

Ich habe einfach breite Finger.

Heißt das, Sie spielen auch auf einem breiten Griffbrett?

Schmale Hälse sind 41 Millimeter breit, bei meiner Gitarre sind’s 44 Millimeter.

Kräftige Hände – das hat vermutlich auch damit zu tun, dass Sie Gitarren heutzutage auch handwerklich bearbeiten.

Ja, ja. Auch. Aber ich habe einfach muskulöse Hände. Das ist längst nicht bei allen Gitarren so. Viele haben oft mit Sehnenscheiden-Entzündungen zu tun. So’n Quatsch habe ich überhaupt nicht. Übrigens: Meine rechte Hand ist besser trainiert als meine linke. Ich kann übrigens mit Daumen und Zeigefinger einen Kronkorken zerquetschen. Das führe ich bei Gelegenheit gerne mal vor.

Der Raimund Harmstorff der Jazz-Gitarre. Der „Seewolf“ hat sich ja in dem gleichnamigen TV-Mehrteiler angeblich an einer rohen Kartoffel versucht.

Der hat die so lange gequetscht, bis viereckige Stäbchen dabei ‘raus kamen.

Ein Klassiker in Biografien über Gitarristen ist der Satz „Er übte so lange, bis seine Fingerkuppen blutig waren“. Wie war’s bei Ihnen?

Ich habe ja erst mit 17 angefangen, sechs Stunden am Tag, die Schularbeiten zwischendurch. Am Ende konnte ich erst mal gar keine Saiten mehr drücken. Da musst Du durch. Bei mir war’s Besessenheit.

Waren Sie damals der Ansicht, dass Schularbeiten überbewertet werden?

Gar nicht! Schularbeiten finde ich gut. Wenn ich heute junge Leute sehe, die keine Schularbeiten machen, merke ich, dass die keinen richtigen Satz mehr sprechen geschweige denn schreiben können. Die wissen ja gar nicht, was ein Komma, was ein Semikolon ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass nach einem Hausaufgaben-Marathon noch sechs Stunden Gitarre kamen.

Na, Hausaufgaben dauerten schon mal zwei oder drei Stunden. Nachmittags, bei den Hausaufgaben, habe ich Radio gehört. In Werl war ein wunderbarer Sender der Canadian Air Force. Von eins bis sechs lief Country, Hillbilly, Western Swing und so ein Zeug. Damals habe ich unheimlich viele gute Gitarristen gehört. Sie waren in den 50er Jahren schon perfekt, und heute sind die amerikanischen Gitarristen noch besser. Tricky, kann ich nur sagen, tricky. Mein Gott!

Jazz-Geschichte in Menden führt unweigerlich in den „Dixie-Keller“...

...ja, von Lehmkühler. Da habe ich fast jede Woche gespielt, damals.

Wie muss ich mir das als Nachgeborener vorstellen?

Das war ein Schuppen, mehr nicht. Eine Baracke, gemauert, da stand ein Ofen drin. Die Kohle mussten wir selbst mitbringen. Der Raum war so groß wie mein Wohnzimmer, fünf mal sechs oder sieben Meter, länglich, sehr niedrig, eine Tür. Da durften wir Krach machen, weil da in der Nähe eigentlich niemand wohnte. Erst wurde eingeheizt, dann wurde Bier geholt, und am Ende wurde Musik gemacht.

Mussten die Leuten doppelt Kohle mitbringen: einmal Eintritt zahlen und dann auch noch heizen?

Nein, nein, wir haben eigentlich nur für uns geübt.

Wann kamen die ersten Auftritte gegen Gage?

Bei der Pfingstkirmes oder wenn eine Gaststätte mal Musik brauchte oder in der Milchbar.

Milchbar – das ist doch ein Begriff vom Wortfriedhof. Den kennt doch heute keiner mehr.

Meine erste Gage habe ich mit 18 bekommen. Das waren 15 Mark, wir waren zu Dritt. Das wären heute 120 Euro. Und dann gab’s noch was zu essen, ich glaube, Kuchen. Wir waren dermaßen stolz.