Menden. . Scharfe Kritik und wütende Appelle: Gelsenwasser-Projektleiter Felix Schaack musste sich in Versammlung zum Windpark Ostsümmern vieles anhören

„Sie müssen sich hier fühlen wie in der Höhle des Löwen.“ So begrüßte Peter Schnurbus, Sprecher der Anti-Windpark-Initiative „Gegenwind“, den Gelsenkirchener Projektleiter Felix Schaack am Donnerstagabend in der vollen Schützenhalle Platte Heide. Tatsächlich war das Gros der 300 Gäste aus Menden und Iserlohn auf der Bürgerversammlung eindeutig auf Seiten der Windpark-Gegner – was zum Auftakt am Applaus für Karl-Heinz Schröder deutlich wurde: „Verhindern Sie diesen Wahnsinn!“, rief der Vorsitzende des Heimatvereins Ostsümmern die Versammlung auf. „Zeigen Sie Flagge für Natur und Heimat – gegen Beton und Stahl!“

Kritik an „Wettstreit ums Geld“

Heimat sei, wo man sich wohlfühlt – der Begriff sei aktueller denn je: Es gebe Heimat-Ministerien, die Heimatzeitung, „und die Stadtwerke Menden nennen sich Heimatversorger.“ Deren Geschäftsführer Bernd Reichelt musste denn auch erklären, warum ausgerechnet ein kommunales Mendener Unternehmen „in diesem Wettstreit ums Geld“, wie es Franz-Josef Kissing von der Dorfgemeinschaft Halingen nannte, für drei riesige Windkraftanlagen eintrete, die doch die Landschaft in Ostsümmern und Umgebung verschandeln würden.

Reichelt erklärte, dass die Stadtwerke von der Gelsenwasser AG angesprochen worden seien, als diese als Siegerin unter zehn Bewerbern aus der Ausschreibung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hervorgegangen war. „Wir hätten uns auch auf Ihre Seite setzen und nicht mitmachen können“, dann aber könne man für die Bürger auch nichts mehr mitgestalten. Bis heute hätten die Stadtwerke keinen Vertrag mit Gelsenwasser. „Es kann gut sein, dass wir am Ende gar nichts davon haben. Unsere Wertschöpfung liegt jedenfalls nicht in der Windkraft.“

Zeitplan von Gelsenwasser sieht Inbetriebnahme im Frühjahr 2021 vor

Bisher wird das Windpark-Projekt zu je 50 Prozent von der Bietergemeinschaft aus Gelsenwasser AG und der „VSB Neue Energien Deutschland“ getragen.

DIe Unternehmen gewannen Anfang 2017 die Ausschreibung des Ex-Militärgeländes als Windkraftfläche durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Im Herbst sollen einjährige Windmessungen beginnen. Bei Genehmigung würde 2020 die Bürgerbeteiligung beginnen. 2021 wären die Räder in Betrieb.

Falls die Räder kämen, würde es Aufgabe der Stadtwerke, die Bürgerbeteiligung daran zu organisieren. Sollten aber, wie von den Gegnern erklärt, wertvolle Biotope zerstört werden, würde er das auch persönlich nicht gutheißen. Das alles werde ein Artenschutz-Gutachten prüfen, das im Frühjahr vorliegen soll. Auch ein aeronautisches Gutachten stehe noch aus.

Felix Schaack hatte eingangs erläutert: „Die drei geplanten Anlagen liefern im besten Fall den Strom für rund 11 000 Haushalte.“ Ihre Nabenhöhe liege bei 170, die Gesamthöhe bei 250 Metern. Die Anlagen seien ein neuer Typ, der in Kürze erstmals gebaut werde. Sowohl Ausmaße als auch Anzahl seien für den Standort Ostsümmern aber Maximalangaben.

Von MIndestabstand bis Rotmilan

„Selbst wenn es drei 250-Meter-Ungetüme werden: Die versorgen weniger Haushalte, als hier in Mitleidenschaft gezogen werden“, hielt ein Bürger dagegen. Ein anderer rief: „Diese Monster entvölkern die Platte Heide. Das gibt eine neue Flüchtlingswelle!“ Er habe in der Asbeck erlebt, dass ihn das kleine Windrad in Eisborn vom Balkon vertrieben habe. „Wie soll das hier werden?“ Mit der A 46 werde Menden dann zur „Lärmgemeinde“.

Anwohner Klaus Durawa sagte dazu, er mache sich gar keine Sorgen: „Die Mindestabstände zur Wohnbebauung müssten bei diesen Riesendingern zweieinhalb Kilometer betragen. So nahe, wie wir daran wohnen, werden diese Windräder nie und nimmer genehmigt.“ Durawa empfahl Schaack, sich die Gelder für die Gutachten zu sparen. Ein Anlieger aus Sümmern ergänzte, er sei aus der Großstadt hergezogen, „um Ruhe zu haben und kein Getöse“.

Georg Sommer setzt gegen die Räder auf den streng geschützten Rotmilan: „Der brütet in Hämmer-Riekenbrauck in großer Zahl. Und den vorgeschriebenen Abstand von 1500 Metern dazu wird keine der drei Anlagen einhalten können.“

DAS sagen die Projektierer

Unter der Überschrift „Gemeinsam Windstrom ernten“ steht ein Flyer von Gelsenwasser und der VSB.

Darin heißt es:

Durch das Angebot der Bundesanstalt könnte bei einer Eignung der Fläche jeder Bieter einen Windpark errichten – auch private ohne jede Bürgerbeteiligung am Ertrag.

Bei Gelsenwasser und VSB gehöre die regionale Beteiligung zur Unternehmensphilosophie, ebenso die Ansprache lokaler Stadtwerke.

Obwohl gesetzlich keine Informationspflicht bestehe, informierten Stadtwerke und Bietergemeinschaft die Bürger und Interessengruppen frühzeitig und transparent.

Einwände und Fragen aus der Bevölkerung würden zu jeder Zeit der Prüfungs- und Projektphase einbezogen.

Die Bietergemeinschaft habe die Ausschreibung auch dank dieses regionalen Beteiligungskonzeptes gewonnen.

Die Stadtwerke habe man als möglichen Partner für die Bürgerbeteiligung angesprochen. Sie könnten dazu ein Modell entwickeln und Betroffenen bei der Suche nach Alternativflächen helfen.

Die Stadtwerke wollten dafür sorgen, dass Mitgestaltung umgesetzt wird, sofern dies in Menden mehrheitlich befürwortet werde.

Die drei geplanten Anlagen in Ostsümmern könnten Strom für 11 000 Haushalte liefern – und würden damit jährlich rund 30 000 Tonnen Kohlendioxid einsparen.

Der geerntete Windstrom könne jedem Bürger, der sich beteiligt, viele Jahre eine Rendite einbringen.

DAS sagen die Gegner

In einem Argumentationspapier haben die „Gegenwind“-Vereine ihre Positionen aufgelistet.

Darin heißt es:

Der Lärm der Anlagen und ein zerstörtes Landschaftsbild vertrieben die Anwohner. Grundstücke und Wohnbauten verlören drastisch an Wert.

Die Kleingartenanlage Kleine Heide wäre durch Geräuschkulisse und Optik massiv betroffen.

Dem Campingplatz mit seinen positiven Effekten für Ostsümmern drohte das Aus.

Die Sternfreunde Menden, mit einer Sternwarte seit 52 Jahren im Bereich Hülschenbrauck ansässig, würden durch aggressive Leuchtfeuer massiv in Mitleidenschaft gezogen.

Auch der 1963 gebaute Flugplatz Sümmern, von zwei Betreibervereinen teuer hergerichtet, wäre in seiner Existenz gefährdet.

Das heutige Naherholungsgebiet für Spaziergänger, Jogger, Radler oder Hundehalter würde künftig schon wegen unappetitlicher Kadaver gemieden.

Vogelzüge von Wildgänsen und Kranichen seien massiv gefährdet.

Seltene, geschützte Pflanzen- und Tierarten seien bedroht.

Die Bodenverdichtung durch die Bauten schade dem Bewuchs.

Die frühere Nutzung als Truppenübungsplatz berge die Gefahr von Munitionsresten im Boden.

Das Gemeinwohl durch die geplante Bürgerbeteiligung sei eine Farce: Bürgerinnen und Bürger würden nur „zu Investoren der Zerstörung ihrer eigenen Naherholung“.