Zweiter Teil um Dane Slamic: 1997 startet Hilfstransport von Dane Slamic und den „Freunden Kroatiens“.
Menden. „Wir fahren in die Sonne“, hatte der CDU-Politiker Hinrich Johannes Kehnen mit einem gewissen Sarkasmus gesagt. Aber damit hatte er nur auf angenehme Temperaturen am Mittelmeer hingewiesen, mit denen die elf Männer und Frauen rechnen durften, die Ende Mai 1997 Teilnehmer des ersten Mendener Hilfstransportes an die dalmatinische Küste waren. In Wahrheit musste sich die Mendener Truppe auf ein vom Krieg gebeuteltes Land vorbereiten, das noch vom Tourismus abgeschnitten war.
Der Kriegsdonner im ehemaligen Jugoslawien war noch nicht verhallt, als der heimische Gastronom Dane Slamic 1995 einen Kreis von hilfsbereiten Menschen um sich scharte, die sich zum Mendener Verein „Freunde Kroatiens“ zusammenschlossen und bereit waren, für Kranke und die Jugend des neuen Mittelmeer-Staates eine Basis für das Überleben zu schaffen. Zu den Mitgliedern der ersten Stunde gehörten neben Heinrich Johannes Kehnen auch Bürgermeister Rudolf Düppe und der Leiter der Hauptschule Bösperde, Gerhard Jentsch.
Mobiliar für Schule und Krankenhaus
Dieser erste Transport mit einem 16-Tonner vom Malteser Hilfsdienst, mit zwei 7,5 Tonnern und einem PKW von Auto-Rosier und S.A.M. Schulte sowie einem Monovan der „Lebenshilfe“ brachte Schulmobiliar, Krankenhausinventar, Medikamente und Computer nach Kroatien. Zielort war das 1500 km entfernte Siveric im kroatischen Hinterland, rund 36 km entfernt von der Küste und von Sibenik, der Heimat-Region von Dane Slamic, der 1972 mit seiner Frau Visnja seine Heimat Kroatien als Gastarbeiter Richtung Deutschland verließ und sich ab 1976 in Menden eine Existenz aufbaute (s. Teil I).
In Siveric mit seinen 4500 Einwohnern war es wie in anderen Gegenden Kroatiens: zerstörte Häuser, zerstörte Infrastruktur. Bei ihrem Rückzug aus Kroatien hatten die Serben 1995 das, was sie selbst verwenden konnten, mitgehen lassen und den Rest verwüstet. Nicht nur Firmengebäude, auch die Schule war erheblich beschädigt, was besonders schwer wog, weil nach Siveric auch die Schüler umliegender Orte kamen. Jetzt aber war an Unterricht nicht zu denken. Das Mobiliar mit Tischen und Stühlen aus Menden sollte Abhilfe schaffen. Ziel war, so betont Dane Slamic 20 Jahre nach der Aktion, der Jugend durch Bildung wieder eine Zukunft zu geben.
Für das Krankenhaus in Sibenik waren Betten, Schränke und Teile für Ambulanz und Operationsbereiche bestimmt. Lebens- und überlebenswichtig für viele.
Kindergarten-Aufbau als erste Aufgabe
Schon früh hatten sich die Lehrer im Freundeskreis Kroatien überlegt, Mendener Schüler mit einzubeziehen in die Hilfsaktionen und den Wiederaufbau des Landes. Rudi Düppe und Heinrich Johannes Kehnen als Lehrer an den Berufsbildenden Schulen sowie Gerd Jentsch von der Hauptschule Bösperde hatten Interesse ihrer Schüler verspürt und sahen für sie eine sinnvolle Aktion darin, in ihren Ferien in der Königsstadt Knin den von Serben verbrannten Kindergarten zu erneuern. Eine andere Aufgabe sollte sein, den zugemüllten deutschen Soldatenfriedhof aus dem 2. Weltkrieg wieder würdig zu gestalten.
Praxisnah war erst einmal nur das Projekt „Kindergarten-Wiederaufbau in Knin“. Bürgermeister Rudolf Düppe, damals Leiter der Berufsbildenden Schulen Menden, schwebte eine Begegnung seiner Schüler mit kroatischen Jugendlichen vor. Gemeinsam sollten sie die Instandsetzung vollenden.
Der Kindergarten Knin wurde fertig gestellt. Noch heute weist dort ein Schild auf die Hilfe der Mendener hin. Mendener Schüler-Handwerker und Lehrer hatten in den Osterferien 1999 Hand angelegt. Großes Hallo, als in Split die Cessna des Lendringser Unternehmers Ulrich Bettermann landete und neben dem Unternehmer auch „Freunde Kroatiens“ mitbrachte. Bettermann befand sich mit Journalisten auf dem Flug zu seinen Firmen in Budapest und machte einen Abstecher nach Kroatien zum Kindergarten in Knin. Im Rathaus von Knin versprach er Hilfe, legte gleich einen Tausender für Spielzeug für den Kindergarten auf den Tisch und erhielt als Dank die Ehrenkappe der Region Sibenik verliehen.
Diskussion um Soldatenfriedhof
Vor Ort in jenen Osterferien waren Schüler, Azubis, Studierende und Lehrer der Berufsbildenden Schulen Menden in Knin. Kirsten Woithe, Anja Unglaube, Martin Utsch, Tobias Linnebank, Thorsten Hübner, Martin Neuhaus, Uwe Schüler, Arnold Toschka, Jürgen Glienicke und Heiner Lohmann opferten sogar Teile ihres Urlaubs oder nahmen unbezahlten Urlaub. Sie strichen, verputzten, legten Leitungen und installierten. Gearbeitet wurde von 8 bis 18 Uhr, untergebracht waren sie in Sibenik in der Hotelanlage „Solaris“ direkt am Mittelmeer.
Großer Beratungskreis im Rathaus Knin. Thema war die Wiederherstellung des Soldatenfriedhofs Knin aus dem 2. Weltkrieg durch Mendener Schüler. Auf diesem Friedhof sind etwa 800 gefallene deutsche Soldaten und kroatische Legionäre bestattet.
Nach dem Sturz Mussolinis 1943 und Italiens Kehrtwende im 2. Weltkrieg übernahm die deutsche Armee die Macht in Knin, wurde aber bereits da von Titos Partisanen bekämpft. Als Knin im Dezember 1944 in die Hände der Partisanen fiel, wurden alle Grabmäler des deutschen Soldatenfriedhofs umgeworfen, die Kreuze und Grabinschriften von der kommunistischen Jugend und den Partisanen zerstört. Der Boden aber wurde nicht umgegraben, die sterblichen Überreste blieben unberührt.
1998 beim Besuch der Mendener Delegation lag dieser Friedhof unter einer Müll- und Schutthalde, von Bäumen und Sträuchern überwuchert. Die toten Soldaten sollen, so geht aus einem Briefverkehr des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) mit Rudi Düppe und Heinrich Johannes Kehnen hervor, auf den 1998 fertiggestellten Soldaten-Sammelfriedhof in Split umgebettet werden.
Entsetzen um Partisanen-Greuel
Die Diskussion um gefallene deutsche Soldaten in Knin nahm 1998 im Rathaus Knin unerwartet eine brisante Wende. Schilderungen von drei Zeugen über die letzten Jahre des 2. Weltkriegs versetzten sogar Dane Slamic, der alle Gespräche dolmetschte, in solche Erregung, dass er kaum noch für die Gäste aus Menden übersetzen konnte.
Die Zeugen waren 1944 zwischen 10 und 13 Jahre alt und arbeiteten auf dem Friedhof. Nach ihren Erinnerungen liegen in einem Luftschutzbunker in der Nähe des Soldatenfriedhofs Knin 150 bis 200 deutsche Soldaten, die beim Rückzug der Deutschen aus Knin, Sibenik und Split am 2. und 3. Dezember 1944 von Partisanen aus Krankenhäusern und Kirchen gezerrt, in einen 25 m langen, ein Meter breiten und 1,30 m tiefen Schutzgraben vor einem Luftschutzbunker geworfen und umgebracht wurden. Obwohl offensichtlich nicht alle tot, sondern viele nur verwundet waren, wurden ihre Körper dann in den Bunker getragen und der Eingang zugeschüttet. Bis heute (1998) sei der Bunker nicht geöffnet worden. Die Zeugen betonten, sie hätten die Schüsse gehört, das viele Blut und die vielen Patronenhülsen gesehen. In dem Schutzgraben hatten sich ihre Familien im Krieg vor Luftangriffen geschützt.
Damit war das Projekt Soldatenfriedhof für die Mendener Schüler hinfällig.