Menden/Märkischer Kreis. . Einfach einsteigen und mitfahren? Die Umweltschutz-Idee, den Nahverkehr kostenlos zu machen, stößt bei der MVG auf Zurückhaltung.
Grundsätzlich hätte die Märkische Verkehrs-Gesellschaft MVG als Mendener Nahverkehrs-Anbieter rein gar nichts gegen Gratis-Busfahrten einzuwenden: Die Botschaft hört man wohl, allein, es fehlt der Glaube. Das ist die Haltung in der Lüdenscheider Zentrale zum jetzt viel diskutierten Vorstoß der Bundesregierung, zur Entgiftung der Luft in Ballungsräumen Busse und Bahnen bundesweit kostenlos zu machen.
„Tür auf, einsteigen, losfahren – das wäre eine Riesensache“, sagt MVG-Sprecher Jochen Sulies. Dem Unternehmen bliebe viel Ärger, den Kunden viel Sucherei erspart. Zwar könne man heute in Sekunden seine Fahrstrecke in Menden, im Kreis und darüber hinaus im Smartphone selbst ermitteln.
Heute schon ein Jahr Bestellzeit
Doch schon beim nächsten Schritt, den richtigen und günstigsten Tarif herauszufinden, gerät auch der MVG-Kunde in einen Dschungel: Da warten Einzel-, Gruppen- und Abotickets, Schüler-, Studenten- und 60plus-Karten, Billets für einen Tag, für sieben Tage, einen Monat, in der Gruppe oder alleine, in den Urlaub, in die Ferien und und und. „Da wären Gratisfahrten bedeutend einfacher für alle“, findet Jochen Sulies.
Doch dann kommt schon das große Aber: „Wir wollen nicht die Bundesbedenkenträger sein. Nur würde uns schon interessieren, woher dann unsere heute etwa 35 Millionen Euro an Ticket-Erlösen pro Jahr herkommen“, sagt der Sprecher. Und sogar, wenn das geregelt wäre: „Wir bräuchten dann vermutlich viel mehr Busse und entsprechend mehr Fahrer.“ Denn auch Netz und Takte müssten dichter werden, um viel mehr Fahrgäste aus ihren Autos zu locken.
Linienbus-Bestellung dauert ein Jahr
Einen Linienbus zu bestellen, dauere zudem bis zum Eintreffen heute schon etwa ein Jahr. Wenn in der ganzen Republik alle gleichzeitig Busse brauchen, könne sich die Wartezeit vervielfachen. Auch Fahrer seien Mangelware, seit sie nicht mehr mit dem Lkw-Führerschein von der Bundeswehr kommen. „Auf diesem abgefrühstückten Markt stünden wir ebenfalls zeitgleich in Konkurrenz zu allen anderen Nahverkehrsunternehmen.“
Auch kann sich Sulies nicht vorstellen, dass Feinstaub- oder Stickoxid-Konzentrationen in den größten MK-Städten Iserlohn, Lüdenscheid und Menden annähernd so hoch liegen wie in Stuttgart, wo bald Diesel-Fahrverbote drohen.
Die technischen Lösungen, die man dort suche, würden aber sicher auch für die MVG und ihr ländliches Gebiet interessant sein, sagt Sulies. Denn man setze seit vielen Jahren auf möglichst umweltschonende Antriebe.
„Gespannt“ auf den Fortschritt
Zur Erklärung: Linienbusse sind deshalb besonders im Visier, weil sie sich ein Linienbus ständig durch Innenstädte bewegt und dank seines viel stärkeren Motors auch stärker ausgast als ein Auto.
Die MVG kann laut Sulies darauf verweisen, dass sie schon lange dagegensteuert: Diesel-Rußpartikelfilter werden seit 2005 eingebaut, die Abgasnorm Euro 6 werde – Stand 2018 – von mehr als 40 Prozent aller MVG-Busse eingehalten. Ebenso lange werden Katalysatoren mit der Ad-blue-Technik von HJS aus Menden eingebaut, die jetzt auch den Diesel-Pkw helfen könnten. Und: Busse der MVG-Auftragnehmer würden nach denselben Kriterien beschafft.
Mehr als 380 Busse fahren Linie für die MVG
Rund 140 Busse nennt die MVG heute ihr eigen, hinzu kommen 14 kleine Bürgerbusse. Die Flotte der beauftragten Fremdfahrzeuge ist noch größer: Rund 230 Busse rollen im Auftrag der MVG durchs Kreisgebiet.
Die Wirksamkeit von Maßnahmen für bessere Luft soll in fünf Modellstädten getestet werden, darunter Essen in NRW. Dabei geht es auch um Tempolimits und „Niedrig-Emissionszonen“ für Lastwagen.
Zudem rechne die MVG in den nächsten Jahren mit Veränderungen in der Fahrzeugtechnik von Linienbussen. Dabei gehörten Erdgas-, Hybrid-, Elektro- oder Wasserstoffbusse entweder längst zum Alltag oder stünden auf der Schwelle vom Prototypen zum Serienfahrzeug. „Mit Spannung verfolgen wir die aktuelle Entwicklung umweltfreundlicher Elektrobusse und solcher mit Brennstoffzellen als Antriebsquelle.“ Auch das autonome Fahren sei längst in der Testphase vieler Nahverkehrs-Unternehmen, heißt es auf mvg-online.de. Hinzu kämen Angebote wie Busse auf Abruf – per Handy-App.