Menden. . Er holt Promis nach Menden, und ist, als WDR-Buchexperte, selbst ein Promi: Buchhändler Andreas Wallentin. Wie er tickt.

Andreas Wallentin ist Menden-Botschaft in doppeltem Sinn: Der Inhaber der Buchhandlung Daub holt Autoren aus der Champions League der Branche in die Stadt. Zugleich wirbt er in Christine Westermanns Bücher-Sendung auf WDR 5 seit Jahren für „Menden im Sauerland“. Und das war keineswegs selbstverständlich, wie er im Gespräch verrät. „Andreas, das mit Menden können wir uns doch eigentlich schenken“, hieß es beim Sender. Wallentin indes blieb stur. Am Ende setzte er sich bekanntlich durch.Warum?

Stolz

Wallentin-Gast Bernd Stelter
Wallentin-Gast Bernd Stelter © privat

Andreas Wallentin knüpft beim Gespräch in der „Schokoladen-Manufaktur“ nahtlos an die Frage an: „weil ich fest zu meiner Heimatstadt stehe“. Er fährt fort: „Ich weiß, dass Menden eine schöne Stadt ist. Und ich weiß, dass ich Buchhändler aus Menden im Sauerland bin. Und darauf bin ich stolz.“

Traum geht in Erfüllung

Wir können uns den kleinen Seitenhieb nicht verkneifen und erinnern Andreas Wallentin daran, dass er als gebürtige Letmather ein Zugereister ist. Wie lange dauerte seine Integration? „Ich habe gar nicht lange gebraucht“, entgegnet Andreas Wallentin, „ich kam als Sechsjähriger, bin in Schwitten ins zweite Schuljahr eingeschult worden, und ich fühlte mich sofort wohl, weil ich zwei tolle Freunde hatte, die ich heute noch habe. Menden hat mich mit offenen Armen aufgenommen. Dazu kam, dass ich auf einem kleinen Umweg meinen Traum erfüllen konnte, Buchhändler in Menden im Sauerland zu werden.“

BWL und Vertretungsjob

Andreas Wallentin ist stolz auf seine große Auswahl an Menden-Produkten in der Buchhandlung Daub.
Andreas Wallentin ist stolz auf seine große Auswahl an Menden-Produkten in der Buchhandlung Daub. © Mareike Sehr

Wie das? Andreas Wallentin hatte sich erfolgreich für eine Ausbildung zum Buchhändler beworben. Danach hatte er sich an der Uni in Münster eingeschrieben, für Betriebswirtschaftslehre, üblicherweise als BWL bekannt. „Ich habe aber nie einen Schein gemacht, weil ich damals, während des Semesters, in der Buchhandlung Hornung in Unna gejobbt habe.“

30-jähriges Jubiläum

Und dann nahm das Schicksal eine überraschende Wendung. Andreas Wallentins damaliger Chef wollte eine Filiale in Menden aufmachen und fragte seinen Nachwuchs-Mann, ob er sie führen wolle. Und dann kamen die Damen Daub ins Spiel, denen damals die Traditionsbuchhandlung gehörte: „Sie trafen meine Mutter beim Friseur und fragten sie, warum ich ihnen das Leben schwer machen wolle. Sie sagte, sie könne nichts dazu, ich könne auch nichts dazu – es sei ein Angebot gewesen. Die Damen sprachen mich also an, und ich habe sofort Luft gerochen.“ Andreas Wallentin ließ sich beraten – und kaufte den Laden. Er nippt am Cappuccino. „Und das ist am 1.1.2018 genau 30 Jahre her.“

Ferkel-Kram

WDR-Plauderer Wallentin
WDR-Plauderer Wallentin © WDR

Andreas Wallentin war damals 28 Jahre alt – gewissermaßen ein junger Wilder. Nahe liegende Frage: Brach er mit Traditionen? „Ein neues Element habe ich tatsächlich eingeführt. Benoite Groult, „Salz auf unserer Haut“, beispielsweise galt damals als Ferkel-Kram. Das war bei Daub damals im Keller. Ich habe das ins Geschäft geholt.“

Die Klugen, die Amüsanten, die Mächtigen

Andreas Wallentin hatte aber noch eine viel wichtigere Idee, die bis heute nachwirkt: Er startete seine Lesungsreihen „Autorenfrühling“ und „Autorenherbst“. Sie sind inzwischen zu einem Markenzeichen weit über Menden hinaus geworden. Andreas Wallentin lenkt unseren Blick zu einem Stapel Kladden, Fotoalben im Kunstlederalben, die unbestritten ein Stück Kulturgeschichte enthalten.

In den Bänden finden sich Danksagungen aus drei Jahrzehnten. Fotos erinnern an Lesungen mit den Erfolgreichen, den Klugen, den Amüsanten und nicht zuletzt den Mächtigen.

Der erste Gast

Andreas Wallentin, Menden-Botschafter
Andreas Wallentin, Menden-Botschafter © Jürgen Overkott

Der erste Gast war ein Gottesmann: der evangelische Theologe Heinz Zahrnt, zu sehen auf einer kleinen Schwarz-Weiß-Fotografie, dem optischen Zeichen für moderne Vergangenheit. Zahrnt strebte eine Versöhnung von Glauben und Wissen an. „Diese Veranstaltung lag mir sehr am Herzen. Sie fand im Januar 1988 statt.“

Welt-Star in Menden

Aus professionellen Verbindungen wurden gelegentlich sogar persönliche Freundschaften. So besuchte der verstorbene Romancier und Essayist Ralph Giordano die Wallentins zuhause.

War es in der Ära vor dem Internet leichter, Autoren für Lesungen zu gewinnen? Andreas Wallentin denkt nach: „Eher schwerer. Ich musste ja mein Netzwerk überhaupt erst aufbauen.“ Inzwischen hat sich der Buchhändler einen derart guten Namen in der Branche erarbeitet, dass er bei den Verlagen seltener nachfragen muss, sondern vermehrt von ihnen angesprochen wird – etwa ob er Lust auf eine Signierstunde mit Romantik-Weltstar Cecelia Ahern habe.

Unterm Strich übersichtlich

Nebenher räumt der Kultur-Manager mit einer Legende auf: nämlich ihn Lesungen reich machen. Zu den Honoraren kommen, neben der unvermeidlichen Mehrwertsteuer, Hotelkosten, Catering, Fahrservice. Die Erträge erscheinen im Vergleich zum Aufwand übersichtlich.

„Aber“, setzt Andreas Wallentin hinzu, „es macht ungeheuer viel Spaß.“

Daub-Gast Wolfgang Schorlau
Daub-Gast Wolfgang Schorlau © privat

Und den Autoren? Mit welchen Erwartungen kam, beispielsweise, Cecelia Ahern in die Stadt hinein, und mit welchem Gefühl ging sie aus der Stadt hinaus? „Sie kam sicher mit der Erwartung hierher, na ja, das ist eine Durchgangsstation. Und dann kriegte ich heraus, dass der Zuspruch in einer größeren Stadt viel geringer war als hier. Ich hatte aus der Veranstaltung mit (Romantik-Autorin) Kerstin Gier gelernt, dass das Internet für eine derartige Veranstaltung eine Rolle spielt, und es kamen Leute aus einer Entfernung von 100 Kilometern hierher.“

Total begeistert

Mit Cecelia Ahern ging Andreas Wallentin nach der Autogramm-Stunde in die „Schokoladen-Manufaktur“. „Sie war total begeistert. So etwas, sagte sie, hätte sie noch nie gesehen. Ich habe ihr sofort einen Geschenkkorb gekauft.“