Menden. . Es ist nochmal gutgegangen: Die Praxis Leyendecker hat dank des neuen Klinik-Modells einen Nachfolger. Doch die Zukunft sieht düster aus.
- Erleichterung dank Praxis-Übernahme durch Klinikarzt Mohammed Al-Shami
- Doch schon für die nahe Zukunft stellt Dr. Ulrich Leyendecker eine düstere Prognose
- Hausarzt-Kollegen konnten viele seiner 2000 Patienten nicht in ihre Karteien aufnehmen
Bis zum glücklichen Ausgang hatte Dr. Ulrich Leyendecker (69) volle zwei Jahre lang vergebens versucht, einen Nachfolger für seine Hausarztpraxis zu finden – eine gut gehende Praxis für 2000 Patienten. Die Lösung kam erst, als er das Vincenz-Krankenhaus um Hilfe bat. Wie exklusiv berichtet, wird nun Klinikarzt Mohammed Al-Shami die Praxis übernehmen – angestellt beim Medizinischen Versorgungszentrum des katholischen Krankenhaus-Verbundes, der die Praxis Leyendecker kaufte.
Eine Übernahme wie an der Baustraße dürfte bei weiteren Schließungen nicht ohne weiteres greifen, meinen Leyendecker und Klinik-Sprecherin Bea Pape: „Wir haben kein unerschöpfliches Reservoir an Krankenhausärzten, die gern niedergelassene Praxen übernehmen.“ Und wenn Leyendecker das hohe Alter vieler Kollegen in Menden aufruft, „dann kann der Notstand, den meine Patienten jetzt schon erleben mussten, jeden Tag aufs Neue eintreten“.
Menschen blieben ohne Arzt
Die Nöte der Patienten, die Leyendeckers Erkrankung im April auslöste, erlebte seine Frau hautnah: Nur ein Drittel der Leute habe sie mitsamt ihren Akten an Hausärzte in Menden weitergeben können, berichtet Delia Leyendecker. „Mehr war den Kollegen trotz großer Hilfsbereitschaft unmöglich.“ Und als noch unklar war, ob es an der Baustraße weitergeht, „da habe ich mit dem Praxisteam zwei intensive Monate erlebt“, sagt sie leise. „Vor unserer Theke standen nicht selten Patienten, die weinten, weil sie in für sie erreichbarer Nähe bei keinem Arzt mehr unterkamen.“
Ulrich Leyendecker sieht darin vor allem ein Versagen der Politik: „Wer heute ein Abi mit 1,8 macht, muss Jahre auf einen Studienplatz warten“, sagt er kopfschüttelnd. Er selbst erlebte die Interessentenliste der Kassenärztlichen Vereinigung zudem als untauglich: „Die jungen Kollegen wollen meist nach Münster oder Düsseldorf. Und ich suchte für meine Patienten obendrein jemanden, der Kontaktfreude und Liebe zum Beruf als wichtige Voraussetzungen mitbringt.“ Die Stipendien des Märkischen Kreises für Medizinstudenten, die später hier praktizieren sollen, nennt er Augenwischerei. „Die verschwinden in Kliniken und helfen uns nicht bei der Grundversorgung.“
Erfüllung eines Lebenstraums
Bei Mohammed Al-Shami sei das dank des Mendener Modells jetzt möglich, sagt Leyendecker: „Wir habe zuletzt gemeinsam gearbeitet. Es ist eine Freude zu sehen, wie er mit den Patienten umgehen kann.“ Al-Shami nennt es seinerseits „eine Ehre, eine seit 60 Jahren bestehende Praxis übernehmen zu dürfen.“
2007 aus dem Jemen nach Deutschland gekommen, arbeitet der 41-jährige Internist seit 2010 am Krankenhaus, wo er auch die Facharztprüfung ablegte. Hausarzt habe er schon immer sein wollen, doch das Risiko der Selbstständigkeit sei hoch, sagt der Vater von vier Kindern, der in Iserlohn wohnt.
Beim Medizinischen Zentrum des Klinik-Verbunds für die „Hausarztpraxis St. Vincenz“ angestellt zu sein, mache jetzt ohne dieses Risiko seinen Traum von der Nähe zum Patienten wahr. „Das kommt im Klinik-Alltag viel zu kurz.“
Es gebe indes noch mehr Unterschiede, ergänzt Leyendecker, und die habe Al-Shami in den wenigen Tagen an der Baustraße auch bereits kennengelernt. „Im Krankenhaus werden Ärzte nicht mit eingeklemmten Daumen konfrontiert.“