In der Reihe „So war es früher“ geht es diesmal um den heiligen Antonius von Padua, der sogar ein Internet-Star ist.

Menden. Ja was ist das denn? NRW ist Antonius-Land noch vor Bayern und all den anderen. Antonius von Padua, der Schutzpatron von Menden, dem die Mendener 1685 hoch droben auf dem Rodenberg, Romberg oder Kalvarienberg eine Kapelle gebaut haben. Eine Kapelle „zur Ehre der schmerzhaften Jungfrau Maria unter dem Schutze des hl. Antonius von Padua“, wie es offiziell heißt. Keiner von den eben angeführten Namen hat sich durchgesetzt. Mendener sagen einfach „Kapellenberg“ zu ihrem Hausberg, dem Ziel der Karfreitags-, Pfingst- und Magdalenen-Prozessionen. Die Kapelle heißt weitgehend Kreuz- oder Antonius-Kapelle.

In einer Reihe mit Lissabon genannt

Der hl. Antonius von Padua in einer Wandnische im Chorraum als Schutzpatron der Stadt und Namensgeber der Kapelle.
Der hl. Antonius von Padua in einer Wandnische im Chorraum als Schutzpatron der Stadt und Namensgeber der Kapelle. © Archiv Klaus Kimna

Dieser heilige Antonius hat etwas geschafft, das niemand anders aus der großen Schar der Heiligen so hinbekommen hat: Menden steht durch ihn im Internet in einer Reihe mit ganz Großen. Und das klingt so und zergeht wie Butter auf der Zunge: „Der Heilige ist Schutzpatron der Städte Padua, Lissabon, Paderborn, Hildesheim und Menden (Sauerland)“.

Diesem Antonius von Padua sind in NRW 24 Kapellen geweiht, mehr als in Bayern (9). 44 Kirchen tragen in NRW den Namen des Heiligen, in Bayern nur 26. Ich kenne viele in Menden, die mit Antonius von Padua eine ganze Menge anzufangen wissen, weil sie ihn erlebt haben, als sie ihn um Hilfe baten.

Antonius von Padua hat einen eigenen, einen bemerkenswert griffigen Spitznamen. Das haben nur wirklich bedeutende Menschen oder Heilige. „Klüngeltünnes“ nennen sie ihn in Menden, in Bayern ist er der Schlamper-Toni. Er hilft denen, die etwas verloren haben, ist auch Schutzpatron der Bäcker, Bergleute, Reisenden, Schweinehirten und Sozialarbeiter. Wird angerufen bei Unfruchtbarkeit, Fieber, Pest und Schiffbruch und soll sogar bei der Partnersuche helfen. Er ist auch Schutzheiliger der Frauen und Kinder, der Liebenden, der Ehe, der Pferde und Esel, soll zu einer guten Geburt, zum erträglichen Älterwerden und zu einer guten Ernte verhelfen. Eine ganz schön breite Erwartungs-Palette, auch für einen Heiligen. Seine Verehrung im Volk war vor allem in den 1950er und 1960er Jahren groß. Auch in Menden.

Männerhut gehörte nicht auf Antonius-Figur

Überliefert ist die Geschichte vom damals 75 Jahre alten Josef Ax in den 1960ern. Ein tieffrommer Mann, der sich an Karfreitag, dem für ihn höchsten Feiertag, am Stock zum Berg zur Kapelle hoch quälte, um sich dort der Karfreitagsprozession anzuschließen. Dann sah er die unfassbare Beleidigung des Heiligen Antonius. Unbekannte hatten der Figur über dem Seitenportal einen Männerhut aufgesetzt. Aufgebracht versuchte Opa Josef den Hut mit seinem Krückstock abzuwerfen. Vergeblich. Wütend stapfte er nach Hause, Karfreitag war für ihn gelaufen. Ich kenne diese Geschichte, weil Josef der Opa meiner Frau war.

Die „schmerzhafte Jungfrau Maria“ in der Kapelle von 1685 auf dem Rodenberg steht unter dem Schutz des hl. Antonius von Padua.
Die „schmerzhafte Jungfrau Maria“ in der Kapelle von 1685 auf dem Rodenberg steht unter dem Schutz des hl. Antonius von Padua. © Archiv Klaus Kimna

Das Vertrauen in den „Klüngetünnes“ war in Menden immer groß. Ich weiß von nichtgläubigen Bürgern, dass sie ihn in ihrer Not anriefen, wenn sie ihr Handy oder ihre Schlüssel trotz intensiver Suche nicht finden konnten. Nach meinem Aufruf in der WP habe ich so erstaunliche Geschichten gehört, dass ich sie kaum glauben könnte, wären mir manche Anrufer nicht persönlich bekannt (s. Teil II). Ich habe mich selbst vor kurzem erst dabei ertappt, wie ich ihn schon wütend und genervt fast anschrie, doch dafür zu sorgen, dass ich meinen Schlüsselbund von Haus und Garage wiederfand. Ich hatte bereits alles auf den Kopf gestellt, sah mich schon alle Schlösser der Schließanlage auswechseln, als mich irgendetwas zwang, das nach oben gedrehte Garagentor nach unten zu ziehen. Und siehe da, der Garagenschlüssel mitsamt Schlüsselbund steckte im Schloss. Danke, Antonius.

Internetadresse ist eher unangenehm

Der Glaube an seine Kräfte hat sogar seinen Niederschlag im Internet gefunden. Unter www.HeiligerAntonius.de gibt es eigene Seiten mit Gebetsanleitungen und Erfolgsmeldungen. Wörtlich heißt es da: „Antonius von Padua ist einer der beliebtesten Heiligen. Er wirkte unzählige Wunder. Er wird vor allem als Wiederbringer verlorener Sachen angerufen. Wenn Sie also etwas suchen bzw. wiederfinden wollen, was Sie verlegt, vergessen, verloren, falsch abgelegt oder verschlampt haben, sind Sie auf dieser Seite genau richtig. Der heilige Antonius wird Ihnen helfen.“

Das klingt etwas unangenehm, eher wie für einen Kandidaten, der sich zur Wahl stellt. Ich finde, eine so plumpe Werbung hat unser „Klüngeltünnes“ nicht nötig.

Seit wann Antonius von Padua schon Schutzpatron von Menden ist, ist mir nicht bekannt. Zur Namensgebung für das Gebetshaus auf dem Kapellenberg gibt es genaue Angaben. Der frühere Museumsleiter Wilhelm Dortmann (1879-1962) schrieb: „Am 18. April 1685 wurde laut Denkschrift des damaligen Vikars Joh. Heinrich Schmittmann von dem Generalvikar Weihbischof Heinrich Anethan dem Bürgermeister Winimar Schmittmann und dem Rat von Menden sowie anderen Beförderern und Wohltätern die Erlaubnis erteilt, auf dem Romberge (Rodenberg), welchem man den Namen Kalvarienberg beilegte, zur Ehre der schmerzhaften Jungfrau Maria unter dem Schutz des hl. Antonius von Padua eine Kapelle neben sieben Fußfällen an dem dorthin führenden Wege zu erbauen.“

Kreuztracht-Tradition urkundlich beglaubigt

Und weiter: „Rasch gingen nun die Mendener an die Ausführung ihres Vorhabens… Nachdem die Baustelle abgemessen, trugen Bürgermeister Winnimar Schmittmann und der nachmalige Bürgermeister Joh. Heinrich Wulf ein Kreuz auf ihren Schultern aus der Stadt zu jener Stelle und pflanzten es in der Mitte des Platzes auf, wo die Kapelle erbaut werden sollte.“

Wilhelm Dortmann vermutete, dass jede Menge Volk aus der Stadt die beiden Kreuzträger begleitete. Für ihn war das der urkundlich beglaubigte Anfang der Kreuztracht-Tradition von Menden.

Seit Mitte 1895 befindet sich eine Antonius-Figur auch über Haupteingang und Steiltreppe zur Kapelle auf dem Rodenberg. Das Gesicht ist gerichtet auf die Stadt drunten im Tal, die sich auf ihren Schutzpatron verlässt. Auf eine solche Figur passt kein ordinärer Männerhut. Opa Josef Ax hat sich in den 1960ern zu Recht aufgeregt.
Seit Mitte 1895 befindet sich eine Antonius-Figur auch über Haupteingang und Steiltreppe zur Kapelle auf dem Rodenberg. Das Gesicht ist gerichtet auf die Stadt drunten im Tal, die sich auf ihren Schutzpatron verlässt. Auf eine solche Figur passt kein ordinärer Männerhut. Opa Josef Ax hat sich in den 1960ern zu Recht aufgeregt. © Archiv Klaus Kimna

Überliefert ist, was die Mendener dazu veranlasst hat, diese Kapelle anno 1685, in diesem schrecklichen 17. Jahrhundert, zu bauen. Es waren die Katastrophen, die schlimmen Ereignisse, die die Mendener auszuhalten hatten. Auch darüber hat Wilhelm Dortmann berichtet: Es waren die Ausläufer des 30-jährigen Krieges (1618-1648), die Einquartierungen der Soldaten, die Durchzüge verwilderter kaiserlicher und hessischer Horden, Raub Plünderungen, Feuersbrünste, allgemeine Unsicherheit auf den Straßen, aber auch die Pest mitsamt der wundersamen Heilung der an Pest erkrankten Frau des Bürgermeisters Winnimar Schmittmann am Karfreitag des Jahres 1684. Und als Folge all dessen der übermächtige Wunsch der Bürger nach göttlichem Beistand.

Kalandsbruderschaft stützte Kapellenbau

Der Name des hl. Antonius für die Kapelle könnte von einem Vikar Adolf Menke ins Gespräch eingebracht worden sein. Er stammte aus der Bischofsstadt Hildesheim in Niedersachsen, die den hl. Antonius von Padua als Schutzpatron erkoren hat. Vikar Menke war Hausgeistlicher bei der Familie von Brabeck auf Haus Hemer und Hauptförderer des Mendener Kapellenbaus. Er gehörte auch der seit 1685 existierenden Mendener „Kalandsbruderschaft“ an. Sie war eine Gemeinschaft wohlhabender Bürger zur Verrichtung guter Werke, die im Mittelalter in vielen Städten verbreitet war. Die Bezeichnung Kaland könnte von dem lateinischen Wort „kalendae“ stammen, dem ersten Tag eines Monats. Die Bruderschaft traf sich regelmäßig am ersten Tag eines Monats.

Nach Erweiterungen der Kapelle 1711 und 1733 fand der hl. Antonius nicht nur im Kapellenraum, sondern auch außen den ihm gebührenden Platz. Mitte 1895 war es, als es dem Bildhauer Wagner in mühsamer Arbeit gelang, seine von ihm geschaffene Antonius-Figur hoch über dem Haupteingang, über der sogenannten „steilen Treppe“, anzubringen. Das Antlitz des Heiligen ist hinunter auf Menden gerichtet, wie es sich für einen Schutzpatron gebührt, der auf seine Stadt aufpassen soll.. Für diese Figur hatte sich der Antonius-Verein – auch den gab es mal in Menden – eingesetzt. Kaplan Toelle weihte sie. In der Zeitung hieß es danach: „Anhaltendes Glockengeläut hatte viele Andächtige herbeigezogen, welche dem feierlichen Hochamte und der Festpredigt beiwohnen wollten.“ Thema der Predigt: „Mensch rette Deine Seele.“

Antonius von Padua kommt aus Lissabon

Wer war denn nun dieser Antonius von Padua (1195-1231), unter dessen Schutz sich die Stadt Menden begeben hat? Es gibt unzählige Schriften über ihn, kaum welche von ihm. Im elektronischen „Netz“ ist er dauerpräsent. Man kommt kaum an ihm vorbei.

Eines vorweg: Sein Name ist irreführend. Er ist nicht von Padua. Er hat dort nur die letzten Jahre seines Lebens verbracht, ist dort gestorben und in der ihm geweihten Basilika beigesetzt. Padua ist eine Stadt von heute 210 000 Einwohnern am Rande der Po-Ebene, etwa 30 km entfernt von Venedig.

Geboren wurde Antonius als Sohn einer wohlhabenden Adelsfamilie in Lissabon, hieß eigentlich Fernando Martim de Bulhoes e Taveira Sazevedo, nahm den Namen Antonius erst später an, als er im Antonius-Kloster zu Coimbra in Portugal weilte.

In Rimini vor den Fischen gepredigt

Selbst im Zeitraffer ist das Leben des Antonius nur unzulänglich zu beschreiben. Er will als Missionar in Marokko in Nordafrika wirken, erkrankt aber. Er muss zurück, Ein Sturm wirft sein Schiff aber nicht an Portugals Küste, sondern ans sizilianische Ufer. Von dort zieht er nach Assisi in Mittelitalien (heute 21 000 Einwohner) und trifft Ordensgründer Franziskus. Bekannt ist, dass er mitreißende Predigten gegen Irrlehren vor mehr als 30 000 Zuhörern hielt. Keine Kirche war groß genug, er musste nach draußen ausweichen. Als man ihm in Rimini an der Adria-Küste (heute 147 000 Einwohner) nicht zuhören wollte, hielt er seine Predigt den Fischen, die zu Tausenden ihre Köpfe aus dem Wasser gesteckt haben sollen, so wie Franziskus den Vögeln predigte. Danach hörten ihm auch die Menschen in Rimini zu.

Nicht verwechseln mit dem „Fickeltünnes“

Von 1227 bis 1230 war Antonius als Bußprediger in Oberitalien tätig, seine Fastenpredigten ab 1231 in Padua hatten, so die Legende; unfassbare Erfolge. Die ganze Region um Padua soll wie umgewandelt gewesen sein: Schulden wurden erlassen, Diebe gaben Gestohlenes zurück, Dirnen kehrten ins ehrbare Leben zurück, überhöhte Zinsen wurden zurück gezahlt.

Wie Antonius von Padua Mendenern tatsächlich wundersam aus ihrer Not geholfen hat und dass es neben dem „Klüngeltünnes“ in Menden auch den Antonius-Einsiedler gibt, der im Sauerland nur „Fickeltünnes“ genannt wird, dazu mehr in Teil II.