Menden. . Der VKM bietet ein Wohngruppen-Training. Es macht Menschen mit Behinderung fit für den Alltag. Das Angebot ist rar in Deutschland.

  • Der VKM bietet jungen Behinderten ein WG-Training
  • Es geht um alltägliche Dinge, die sie künftig allein meistern
  • Bei den jungen Menschen überwiegt Vorfreude. Eltern üben das Loslassen

Wenn Kinder flügge werden und ausziehen, müssen Eltern loslassen. Und der Nachwuchs muss auf dem Weg in die Selbstständigkeit manches lernen, was vorher zu Hause die Eltern wie selbstverständlich übernommen haben – vom Umgang mit Geld übers Einkaufen und Kochen bis hin zum Wäschewaschen. Auf diesem Weg werden Menschen mit Behinderung in einer neuen Wohnschule unterstützt, die der Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (VKM) nun gegründet hat. Die Einrichtung ist eine der wenigen dieser Art in ganz Deutschland.

Intensive Betreuung

Bärbel Lange hat die Entscheidung lange hinausgeschoben. Ihr 48-jähriger Sohn Jörg wohnt bei ihr zu Hause. „Mein Mann ist vor 13 Jahren gestorben, und ich bin jetzt 75. Wir haben sonst niemanden – was soll aus meinem Sohn werden, wenn ich nicht mehr kann?“ Diese Gedanken machen sich viele Eltern, die ein Kind mit Behinderung haben. In der Wohnschule werden die Frauen und Männer langsam darauf vorbereitet, irgendwann vielleicht mal alleine wohnen zu können. Viele der Menschen mit Behinderung, die nun die Wohnschule des VKM besuchen, wollen in den derzeit entstehenden Neubau am Lenzenplatz einziehen, wo eine intensive Betreuung angeboten wird.

Umgang mit Geld lernen

Ihr Sohn könne beispielsweise alleine zum Bäcker gehen, sagt Bärbel Lange. „Aber ich muss ihm vorher sagen, dass er Wechselgeld bekommt. Er würde das sonst nicht wissen.“ Sie hofft, dass er in der Wohnschule den Umgang mit Geld lernt. Andere Dinge hingegen beherrscht Jörg Lange gut: „Er kann die Mikrowelle bedienen, auch Kaffee kochen oder den Eierkocher anstellen.“

Ins kalte Wasser

Ihr Sohn habe immer zu ihr gesagt, dass er nicht in ein Heim wolle. Bärbel Lange ist sich sicher, dass ihm das Betreute Wohnen am Lenzenplatz gefallen wird: „Er muss da einfach ins kalte Wasser geschmissen werden“, sagt die Seniorin. Und auch für sie selbst wird der Auszug ihres Sohnes eine Herausforderung, das weiß Bärbel Lange schon jetzt: „Wir haben schon manchen Abend nebeneinander auf der Couch gesessen und geweint.“

Allein einkaufen

Andere haben sich schon vor längerer Zeit von zu Hause abgenabelt. So auch Sebastian Nagel. Der 35-Jährige lebt seit elf Jahren im Wohnheim des VKM an der Sollingstraße. „Alleine einkaufen gehen soll er lernen“, wünscht sich seine Mutter Gabi Nagel. Im Wohnheim habe er einen geschützten Raum, für sein künftiges Zuhause am Lenzenplatz müsse er mehr Selbstständigkeit erlernen.

Wäsche waschen, Freunde finden

Wieder andere, wie etwa Astrid Schnell, sprühen vor Enthusiasmus, wenn sie an die Wohnschule denken. Was sie dort lernen will? „Wäsche waschen“, sagt sie sofort. „Und ich will neue Freunde kennen lernen.“ Die 40-Jährige wohnt bei ihren Eltern Erika und Hermann-Josef Schnell. Seit fast 20 Jahren hilft sie in der Küche auf der Kluse mit. Als die Schnells von dem geplanten Projekt am Lenzenplatz hörten, „haben wir Astrid die Vor- und Nachteile erklärt und sie dann selbst entscheiden lassen“, berichtet Mutter Erika Schnell. Sie und ihr Mann haben auf diese Weise die Möglichkeit, ihre Tochter langsam in die Selbstständigkeit zu entlassen. „Wir wohnen ja trotzdem in der selben Stadt und ganz in der Nähe.“ Astrid selbst musste nicht lange überlegen: „Natürlich will ich. Ich freue mich riesig darauf.“