Menden. . Das NS-Monsterprojekt „Eisenkies“ brauchte Wasser aus der Ruhr. Antonius Fricke zeigt Leitungsrelikte – bei einer Führung.

  • Das NS-Monsterprojekt „Eisenkies“ sollte künstliches Benzin herstellen
  • Das Werk war unterirdisch. Es brauchte Wasser aus der Ruhr
  • Die Leitung verlief über den Rodenberg. Historiker Antonius Fricke zeigt Relikte

Der Rodenberg am Dienstagmittag. Jogger, Nordic Walker, Spaziergänger mit Hunden. Ein Freizeit-Idyll am Rand der Innenstadt. Weithin unbekannt sind die dunklen Seiten des Waldgebietes. Sie haben zu tun mit dem monströsen Nazi-Projekt „Eisenkies/Schwalbe 1“. Was genau, erläutert Regionalhistoriker Antonius Fricke am Samstag, 22. Juli, 16 Uhr, bei einer offenen Führung..

Warum war „Eisenkies/Schwalbe 1“ ein Monster-Projekt? Die Nazis hatten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Probleme, an Treibstoff zu kommen. Deshalb wollten sie unabhängig sein vom ausländischem Öl, in der Hoffnung, nach dem – wie sie wähnten – nahen „Endsieg“ billig Sprit aus Kaukasus wie Nahem Osten beziehen zu können.

Entwürdigende Zwangsarbeit

Die Talkerbe beherbergte Röhren für die Wasserleitung.
Die Talkerbe beherbergte Röhren für die Wasserleitung. © Jürgen Overkott

Angesichts zunehmender alliierter Luftangriffe legte das NS-Regime ein gigantisches Tunnel-System zur künstlichen Treibstoff-Herstellung im Dreieck Menden/Balve/Hemer an – mit guter Verkehrsanbindung zum gefährdeten Ruhrgebiet. Das Teuflische daran war der Einsatz Tausender Zwangsarbeiter unter entwürdigenden Bedingungen.

5000 Kubikmeter pro Stunde

Antonius Fricke: „Dieses unterirdische Hydrierwerk im Hönnetal, dort befindet sich jetzt das Polizeiübungsgelände, benötigte riesige Mengen Kühlwassser von etwa 5000 Kubikmetern pro Stunde, das die nahe vorbeifließende Hönne nicht enthielt. Deswegen sollte das Kühlwasser der Ruhr entnommen und durch eine Leitung von 1000 Millimetern Durchmesser in das Hydrierwerk in Oberrödinghausen gepumpt werden. Das Pumpenhaus sollte an der Ruhr errichtet werden und das Wasser hochdrücken zum Rodenbergstollen.“

Regionalhistoriker Antonius Fricke oberhalb einer metertiefen Talkerbe
Regionalhistoriker Antonius Fricke oberhalb einer metertiefen Talkerbe © Jürgen Overkott

Die Nazis planten ein 9,5 Kilometer langes Rohrsystem von Schwitten über den Rodenberg nach Oberrödinghausen; es ist nur zum Teil fertig geworden. Der Verlauf der Leitungen ist durch britische Luftbilder dokumentiert – etwa vom 29. November 1944. Die Briten fotografierten nicht nur – sie wussten die Bilder auch zu deuten. Leitung und Lager sind ausdrücklich mit dem Hinweis „new“ (neu) markiert.

Stahlrohre verschwanden blitzschnell

Wanderung mit Antonius Fricke
Wanderung mit Antonius Fricke © Martina Dinslage

Eine noch heute deutlich erkennbare Stelle ist eine Talkerbe auf dem Rodenberg. Sie ist weder natürlich noch durch Bomben-Einschlag entstanden. Vielmehr sollte dort die Wasserleitung nach Oberrödinghausen verlaufen. Abgedeckt wurde sie nie. Im April 1945 endeten die Kämpfe in Menden. Danach war das Leitungsvorhaben Geschichte. Und die Mannesmann-Stahlrohre verschwanden laut Fricke schneller, als sie gelegt worden waren.

Frickes Reise in die Vergangenheit ist zugleich eine Aufforderung an die heutige Forscher. Denn eine Untersuchung der Wasserleitung für „Eisenkies/Schwalbe 1“ liegt bisher nicht vor.

>> INFO: EXKURSION

Eine zweistündige Rodenberg-Exkursion steht am Samstag, 22. Juli, 16 Uhr, an. Mendens Bodendenkmalpfleger Antonius Fricke zeigt Überbleibsel des NS-Projekts „Eisenkies/Schwalbe 1“. Treffpunkt ist der Parkplatz am Hexenteich. Die Führung ist gratis, Anmeldung nicht nötig.