In der zweiten Folge rund um die Mendener Kult-Diskothek geht es um Streit um berechtigte Anliegen von Anwohnern und „KM“.
Menden. Das war ein Hauen und Stechen. Das Gerangel um die Großdiskothek „KM“ am Kiebitzweg beschäftigte nicht nur die städtischen Behörden. Die um ihre Nachtruhe bangenden Nachbarn bemühten jetzt auch die Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte. Es ging hin und her, Genehmigung bis morgens 4 Uhr, oder nur bis 1 Uhr nachts? Oder still schweigende Duldung wie bisher? Die Besucher der Diskothek griffen zur Selbsthilfe. Als die erste kurze Disco-Nacht anstand, sammelten sie Unterschriften. Innerhalb kurzer Zeit kamen an einem Wochenende im Januar 1991 mehr als 1000 Unterschriften zusammen.
Drogen-Gerücht um den Jugend-Treffpunkt
Wie dramatisch die Situation in Menden gesehen wurde, zeigte sich, als sogar der als erz-konservativer CDU-Politiker bekannte Dr. Adalbert Düllmann Unterstützung für die Diskothek forderte. „Das KM ist zu einem beliebten Treffpunkt für die Jugend geworden. Wir laufen Gefahr, dass wir unsere Söhne und Töchter demnächst aus Dortmunder Diskotheken abholen müssen.“
Aber wie konnte man den Anwohnern helfen? Nächtlicher PKW-Lärm, Lautes Rufe von „KM“-Besuchern auf dem Weg zum Auto und nach Hause, Türenschlagen der Fahrzeuge, An- und Abfahrgeräusche, das störte die Nachtruhe. Das war die eine Seite, die andere: bei Schluss schon um 1 Uhr nachts würde Günter Kühl-Müller den Betrieb nicht mehr wirtschaftlich führen können und die Jugend abwandern in die Großstädte.
Woher das Gerücht kam, ist nicht mehr herauszufinden, auch nicht, wer es böswillig gestreut hatte, aber plötzlich schwappte es im Mai 1990 durch die Lande: „In der Diskothek KM wird mit Drogen gehandelt und werden auch Drogen genommen.“ Normalerweise ein tödliches Gerücht für jedes Lokal. Günter Kühlmüller voller Empörung: „Ich bin ein Feind von Drogen und bekämpfe sie.“ Und weil die Gerüchte sich auch auf die Teeny-Partys erstreckten, die sonntags von 15-20 Uhr für Jugendliche von 14 bis 18 Jahre liefen, griff Kühl-Müller zu ungewöhnlichen Mitteln. Er lud die Eltern der Teenys ein. Bei Kaffee und Kuchen sollten sie aus der Empore zusehen, wie sich ihre Kinder im „KM“ auf der Tanzfläche tummelten oder Musik hörten. Zusammen mit Vertretern des Jugendamtes stand er für Fragen zur Verfügung.
Jugendamt wollte Eltern bevormunden
Aber eben dieses Jugendamt spielte zwei Jahre später eine weniger souveräne Rolle. „Dr. Alban“ wollte im September 1992 an einem Sonntagnachmittag auftreten. Der singende Zahnarzt und Hitparadenstürmer war der Schwarm der Jugendlichen. Das Jugendamt hatte da wohl eine falsche Vorstellung und bedeutete Kühl-Müller, zu dieser Veranstaltung hätten Kinder unter 14 Jahren keinen Zutritt, auch nicht in Begleitung ihrer Eltern.
Das zog geharnischte Proteste nach sich. Empörte Eltern pochten darauf, selbst entscheiden zu können, was ihr Kind sehen dürfe. Sie wollten sich nicht bevormunden lassen.
Nach dem Studium entsprechender Gesetzestexte musste das Jugendamt klein beigeben. Aber natürlich nicht so ganz, ein wenig Nachtreten gehörte dazu. Kinder ab 14 Jahren dürften jetzt „Dr. Alban“ auch ohne erwachsene Begleitung sehen und hören, Kinder von 0 bis 13 Jahren aber nur in Begleitung. Und dazu der Nachsatz des Jugendamtes: „Wir sind nicht glücklich darüber, wenn Jungen und Mädchen bereits in jungen Jahren den Weg in eine Diskothek nehmen. Aber wenn Eltern meinen, dass das doch geht, können wir nichts machen.“ Eine bessere Werbung konnte es für diese Veranstaltung nicht geben.
Plötzlich ragte der Trabbi aus dem Erdwall
Der Ärger mit den Nachbarn blieb. Leserbriefe, Stellungnahmen, Unversöhnlichkeit. Ärger machten „KM“-Besucher, die in der Siedlung parkten. Mitarbeiter der Stadtverwaltung setzten sich Feindschaften aus, wenn sie nachts Knöllchen verteilten. Stadtdirektor Mäurer stellte sich schützend vor sie: „Die Politik muss helfen,“ forderte er, zumal sie doch erkannt habe, dass für eine solche Diskothek ein Bedarf vorliege.
Kühl-Müller musste eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Dazu gehörte, weitere Parkplätze anzulegen Richtung Sümmern. Dafür musste Boden abgetragen werden, der dann zu einem Lärmschutzwall aufgeschichtet wurde. Viele haben noch das Bild vor Augen, wie aus diesem Erdwall ein Trabbi hervorlugte. Auch das hatte im Lärmstreit eine Bewandtnis, denn Kühl-Müller musste den Eingangsbus mit dem Trabbi auf seinem Dach entfernen, weil der Lärmpegel aus dem Eingangsbereich zu hoch war. Der Eingang musste so stark verwinkelt angelegt werden, dass nichts mehr an Geräuschen nach draußen drang. Gleichzeitig schwappte eine nächtliche Knöllchenflut über Falschparker herein.
Nachts vom „KM“ mit dem Bus nach Paris
Bei so viel Ärger tut ein kleines Highlight gut. In einer Samstagnacht im Oktober 1991 verblüffte das „KM“ seine Gäste mit einer Durchsage: „Um 1 Uhr setzt sich ab Diskothek ein Bus Richtung Paris in Bewegung. Wer mitfahren will zum Frühstück mit Croissants und Creme auf den Boulevards der Seine-Stadt, soll sich melden.“ 200 wollten, das Los entschied über die achtzig, die in den Bus passten. Nach Frühstück und Stadtrundfahrt in Paris waren die Mendener sonntagabends wieder zu Hause. Kaputt aber um ein Abenteuer reicher.
Revolverschüsse zu Pfingsten 1993
Ich hatte Pfingsten 1993 Dienst in der Redaktion. Diese Nachricht, die ich den Lesern am 1. Juni mitteilen musste, hat auch mich geschockt:
„Ein blutiges Ende hat eine Disko-Nacht im KM zu Pfingsten genommen. Gegen drei Uhr morgens hat ein 36 Jahre alter Mann mehrere Schüsse aus einem Revolver abgefeuert und einen Türsteher in den Bauch getroffen…“ Es gab weitere Verletzte. Dazu ausführlich in Teil III. Außerdem ein verblüffendes Geständnis von Günter Kühl-Müller, der als Hotelier an der Ostsee immer noch engen Kontakt nach Menden hält.