Eine Großdisco für Menden: Das erschien Kommunalpolitikern Ende der 80er verlockend. Dann kam das dicke Ende.
Menden. Nur ein kurzes Leben war ihr beschieden, doch eines mit allen Höhen und Tiefen. Vom 18. März 1989 bis Anfang 1996 gab es die Großdiskothek „KM“ am Kiebitzweg. Genauso lange dauerte der Streit um diesen „Musik-Tempel der Jugend“, der von den einen geliebt, von den anderen verteufelt wurde. Ganze sieben Jahr lang. Wer zwischen diese Fronten geriet, drohte zermahlen zu werden von uneingeschränkter Zustimmung einerseits und absoluter Ablehnung andererseits. Hier die Mendener Jugend, die einen Traum verwirklicht sah, dort die Nachbarn, deren beschauliche Nachtruhe mit einem Schlag der Vergangenheit angehörte und die trotz Schlafmangels nicht müde wurden, Günter Kühl-Müller (Jahrgang 1951) und seine Diskothek deswegen öffentlich zu bekämpfen.
Mittelstreifen hält keinen Schall auf
Mehr als 20 Jahre ist es jetzt her, dass den Mendener Politikern die Schweißperlen auf der Stirn standen, weil sie die Geister, die sie durch ein blauäugiges Genehmigungsverfahren zwar gerufen, jetzt aber nicht wieder los wurden. Sie verstanden inzwischen zwar beide Seiten, doch wussten sie keinen nachhaltigen Ausweg.
In jenen intensiven sieben Jahren war der Bräukerweg eine untaugliche Trennungslinie. Das „KM““ auf seiner rechten , die Wohnhäuser auf seiner linken Seite. Sprache und Musik lassen sich als Schall von keinem Mittelstreifen aufhalten, Unvernunft von Besuchern einer Diskothek lässt sich ebenfalls niemals ausschließen. Als ich Günter Kühl-Müller auf jene spannende und für viele noch heute so tolle Zeit ansprach, sagte er bedauernd: „Eierköppe hast Du immer dazwischen.“
Schon als Wirt der „Mendener Mühle“ von 1983 bis 1988 hatte Günter Kühl-Müller auf sich und seinen Szene-Treff aufmerksam gemacht. Er bot der Jugend dort im Schatten des neuen Rathauses jede Menge Veranstaltungen mit Musikgruppen an, die so gut angenommen wurden, dass die Räumlichkeiten „platzten“. An Kiebitzweg, so glaubten er und die Mendener Politik, würde er seine Träume verwirklichen können. „Mehrzweck-Gastronomie“ hieß das Zauberwort. Die Stadt stimmte zu, der Verkehrsausschuss winkte im August 1988 die Pläne bei nur einer Gegenstimme durch.
Erster Riesenärger wegen „Klapsmühle“
Kühl-Müller plante, das Projekt mit Diskothek in Fertigbauweise zu errichten. In nur drei Monaten. Notwendige Veränderungen in Kreuzungsbereichen, Überquerungshilfen der Straßen mit Mittelinsel, Parkplätze, alles hatte Günter Kühl-Müller zu finanzieren. Für die Politik hatte am Ende ihres Beschlusses nur der Hinweis zu stehen: „Auf die Stadt kommen keinerlei Kosten zu.“
Der Discjockey hatte noch nicht eine Platte aufgelegt, da kam schon der erste Ärger hoch. Am Namen entzündete er sich. Günter Kühl-Müller wollte in Anlehnung an seinen Doppelnamen die klappernde Mühle lebendig werden lassen und taufte seine Diskothek kurzerhand „Klapsmühle“. In jenen Jahren waren noch nicht viele sensibilisiert für die Leiden psychisch Kranker und ihrer Angehöriger. Das Thema wurde weitgehend verschämt unter der Decke gehalten, anders als heute. Aber „Klapsmühle“ als Diskotheken-Name, das kam in der Bevölkerung nicht gut an. Nach heftigen Angriffen bat Kühl-Müller, nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Negative herauszuarbeiten. Er versicherte, weder psychisch Kranke noch deren Betreuer entwürdigen oder verletzen zu wollen. Als Zeichen seines guten Willens nannte er die Diskothek nur „KM“, die Anfangsbuchstaben seines Nachnamens.
Wie kam ein Trabbi auf das Busdach?
Dennoch, was am Bräukerweg/Kiebitzweg passierte, schien verrückt zu sein. Was sollte der Bus in der Hauswand? Wieder eine der kuriosen Ideen von Günter Kühl-Müller. Er hatte die hintere Hälfte eine Linienbusses auf einem Bochumer Schrottplatz erstanden und nutzte sie jetzt als Haupteingang mit Kasse und als Stauraum bei großem Andrang. Als Neffe Michael nach dem Fall der Mauer mit einem Trabbi nach Menden kam, wurde dieses Vierrad-Relikt unseliger Zeit auf dem Bus platziert mitsamt deutscher Fahne.
Verzögerungen gibt es beim Bauen immer, auch für das „KM“. Eröffnung erst am Samstag, 18. März 1989, aber dann richtig und mit Prominenten auf dem Parkett. Gleich zu Anfang mehrere hundert Gäste; unter ihnen Bürgermeister Weingarten, der eine kesse Sohle tanzte. Vorerst vergessen schien der monatelange Ärger mit Behörden; Anliegern und Politikern. Zuckende Laserblitze, Nebelschwaden und Lichteffekte. Chronisten berichteten von einer Mischung aus Kneipe, Bistro und Diskothek auf 750 Quadratmetern und über zwei Ebenen, von technischen Finessen, von mehr als 200 Scheinwerfern, die über die Tanzfläche flimmerten, von einer Laser-Anlage, die zu den modernsten in Europa zählte und von 3500 Musiktiteln im Computer. Wen wundert’s da, dass schon bald abends bis zu 2000 Gäste in die Diskothek strömten.
Erstes Live-Konzert mit Jule Neigel
Das „KM“ gehörte zu den ganz großen Diskotheken in Menden und weiter Umgebung. Besucher schwärmten von den Attraktionen. So gab es eine Rutsche vom Bistro in die Disco, die Theke drehte sich wie ein Karussell. Live-Veranstaltungen lockten die Massen an. Jule Neigel machte schon im Mai 1989 den Anfang, trotz Schweiß treibender Temperaturen volles Haus. Die „badische Zigeunerin“, wie sie bezeichnet wurde, begeisterte. Vor allem ihr soziales Engagement erfreute die Zuhörer. So engagierte sie sich von Anfang ihrer Karriere an für soziale und karitative Zwecke. Weitere Live-Veranstaltungen folgten. U.a. kam auch Atze Schröder mit seiner Band „Halbe Liter“, „Smokie“ sorgte ebenfalls für Stimmung. Und Dr. Alban. Seinetwegen gab es erheblichen Ärger mit dem Jugendamt. Davon und zum kolportierten üblen Gerücht über Drogen für Teenies mehr in Teil II.
Ärger mit den britischen Soldaten
Zwischendurch aber musste sich Günter Kühl-Müller mit einem anderen Problem herumschlagen, das in Menden keineswegs einzigartig war: Die britischen Soldaten. Sie waren nach Ende von Manövern unter Alkohol nicht zu stoppen. Im Oktober 1990 sperrte er die Briten aus. Gespräche, Sonderausweise, alle Versuche, sie bändigen, waren vergeblich. „Ich habe die Faxen satt,“ sagte Kühl-Müller. Offensichtlich vertrugen die Briten keinen Alkohol.
Dieses Problem kannten auch die Schachspieler von Menden 24 in 13 Jahren mit ihrem Weinstand auf der Pfingstkirmes („Mendener Geschichten“ Band 3). Die Briten verlangten stets die Literflaschen Tafelwein. Da der gezuckert sein durfte, war er besonders hochprozentig. Randale und Mülleimer in Flammen waren das Ergebnis im Stadtgebiet. Der Tafelwein wurde sofort aus dem Programm genommen.
In Teil II auch, wie sich die Disco-Jugend gegen die behördlich angeordnete frühe Schließung des „KM“ um 1 Uhr nachts stemmte und was Mendener aus dem „KM“ nach Paris trieb.