Mit vielen Talenten gesegnet: der Mendener Friseurmeister und Musiker Hans-Wilhelm vom Wege.

Menden. Das war Musik! Vor Begeisterung schlug ihm der lange Capt. Morgan Ames von der US-Navy so fest auf die Schulter, dass Hans-Wilhelm vom Wege auf der Bühne vor großem Publikum fast in die Knie gegangen wäre.

November 1994 auf dem Kreuzfahrtriesen Queen Elizabeth II kurz vor New York. H.-W. vom Wege (Jahrgang 1928) und seine Frau Elsa hatten die Reise zusammen unternommen mit Heinz und Gabriele Kemper, bis 1992 Wirte­paar der renommierten „Hölle“ (siehe „Mendener Geschichten“ Teil II). Vier aus Menden unter 1900 Passagieren aus aller Welt und 1015 Mann/Frau Besatzung.

25 Jahre spielte Hans-Wilhelm vom Wege (oben links) für das Salon-Orchester Fröndenberg, bis es sich 2015 auflöste.
25 Jahre spielte Hans-Wilhelm vom Wege (oben links) für das Salon-Orchester Fröndenberg, bis es sich 2015 auflöste. © Sammlung vom Wege

Auch das Ehepaar vom Wege genoss jetzt das Rentner-Dasein, hatte Schere und Kamm aus der Hand gelegt. Aber der Flügel auf der Bühne der Queen Elizabeth II, der reizte, zumindest Hans-Wilhelm vom Wege. In ihm steckte seit Kinderjahren ein Musiker, ein begnadeter sogar. So meldete sich „William vom Wege from Germany“ mit seinem „Impresario“ (Agent) Heinz Kemper unternehmungslustig zur „Talent Show“ und verblüffte alle mit seinem Czardas von Monti. Beifallsstürme als Lohn. Am Rande vermerkt: Knapp ein Jahr später am 11. September 1995 wurde die Queen Elizabeth II auf dem Weg nach New York von einer 33 m hohen Riesenwelle getroffen, die das Schiff schwer beschädigte.

Hilfsbereitschaft nach Noten

Die Mendener kennen ihren „Hans“ sowohl als Friseurmeister als auch als Musiker. Als Menschen, der hilfsbereit ist. Vom Salon zur Salonmusik. Dazwischen liegen für Hans-Wilhelm vom Wege 30 Jahre Arbeit in eigenen Friseursalon in Menden, mit Frisier-Shows in nahen und fernen Großstädten. Erst im Rentenalter folgte das Musizieren im Salonorchester Fröndenberg. Salon-Orchester haben diesen eigenartig schmeichelnden Klang, der zu Herzen geht. Sie sind kleine Instrumental-Ensembles, die Unterhaltungsmusik spielen und den ganzen Körper mitsummen lassen. Ihre Blütezeit lag zwischen 1880 und 1950. Gern gehört werden sie aber auch heute noch, wenn sie „Salonmusik“ bieten.

Elsa und Hans-Wilhelm vom Wege (oben links) mit ihrer Mannschaft. Zwei Kräfte fehlen auf dem Bild.
Elsa und Hans-Wilhelm vom Wege (oben links) mit ihrer Mannschaft. Zwei Kräfte fehlen auf dem Bild. © Sammlung vom Wege

Bis heute greift der inzwischen 89-Jährige Hans-Wilhelm in die Tasten und spielt den Menschen freudig auf, zumal, wenn er damit einen guten Zweck erfüllen kann. Klavier gehört zu seinem Leben. Als er 1961 von Plettenberg bzw. Hamburg nach Menden zog, kaufte er sich für 5000 DM ein Klavier, einen Ibach vom ältesten Klavierbau-Unternehmen der Welt. Noch bevor er an ein eigenes Auto dachte. Dieses Instrument hält er in seinem Haus an der Klosterstraße in Ehren.

Mit 8: Heldensagenals Lohn für Solo-Auftritt

Eigentlich hatte der junge Hans-Wilhelm vom Wege klassische Musik studieren wollen, doch die Zeiten waren nicht danach. Es war Krieg bzw. Nachkriegszeit mit nur wenigen Auswahlmöglichkeiten. So erlernte er in Plettenberg im Salon seines Vaters den Friseurberuf. In der Fremde war das fast unmöglich, es gab ja kaum noch Meisterbetriebe. Schon sein Vater war musikalisch mehr als „angehaucht“, hatte als ausgebildeter Sänger eine Baritonstimme und hätte den Kunden beim Haareschneiden vorsingen können, wenn nicht die Gefahr bestanden hätte, beim tiefen Einatmen auch mal Härchen zu schlucken.

Bei den Auftritten auf der „Queen II“ stimmte auch das Drumherum. Wohlfühl-Oase am Flügel für Hans-Wilhelm vom Wege.
Bei den Auftritten auf der „Queen II“ stimmte auch das Drumherum. Wohlfühl-Oase am Flügel für Hans-Wilhelm vom Wege. © Sammlung vom Wege

Hans-Wilhelm erhielt Unterricht im Klavier- und Akkordeonspiel, Garanten dafür, bei den Menschen stets bestens anzukommen („Man müsste Klavier spielen können, wer Klavier spielt, hat Glück bei den Fraun…“). Bereits als 8 Jahre alter Junge gab er 1936 in Bremke in Plettenberg sein erstes Konzert als Akkordeonspieler. Die Belohnung war für ein Kind dieses Alters unpassend, aber nachhaltig. Der Hans erhielt das Buch „Deutsche Heldensagen“ mit Widmung. Ein Buch, das noch heute auf dem Nachttisch neben seinem Bett liegt. Das Akkordeon leistete später bei Fahrten mit seinen Freunden beste Dienste. Wo ein Schifferklavier ertönt, ist stets für gute Laune gesorgt.

Gaststätte hörte auf, Haarmoden kamen

Mit 22 Jahren legte Hans-Wilhelm vom Wege an der Fachschule in Hamburg seine Meisterprüfung ab, war damals in Norddeutschland der jüngste Friseurmeister Später kam er als Damen- und Herrenfriseur nach Menden. In der Brückstraße im heutigen Haus von Salon Sommer machte er sich selbstständig. Sechs Jahre später zog er mit „Haarmoden vom Wege“ an die Hauptstraße und blieb dort von 1967 bis 1991. Er hatte gehört, dass die Gaststätte Schriefer aufhören wollte und bewarb sich um die Räumlichkeiten. Als seine Frau Elsa und er den Mietvertrag bei Lessers unterschrieben, war ihnen zumute wie bei einem Sechser im Lotto: ein Geschäft in bester Lage... Mit seiner Frau Elsa hatte er zu Glanzzeiten bis zu 17 Bedienungsplätze und bis zu acht Mitarbeiter. Über Elsa sagte er: „Sie war ein As.“

Als Hans-Wilhelm vom Wege und seine Frau in den Ruhestand gingen, machte er anschließend 25 Jahre Musik im Salonorchester Fröndenberg, bis dieses beliebte Orchester 2015 Schluss machte. Irgendwie schloss sich ein Kreis, denn bereits als er 20 Jahre alt war, spielte er in der legendären Kapelle „Die Goldene Sieben“ ähnliche Musik: Wiener Caféhaus-Musik und leichte Klassik. „Zum Mitsummen“, sagt vom Wege.

Vaters Veto gegenMusik-Stipendium

So gut waren die Anlagen des jungen vom Wege, dass ihm die Musikhochschule Braunschweig ein Stipendium anbot. Der Vater aber lehnte ab. Hans-Wilhelm heute versöhnlich: „Wer weiß, wofür das gut war.“ Es war damals eben eine sehr schwierige Zeit, höchstens eine zum Träumen.

Unvergessen sind seine Solauftritte, seine Good-Will-Aktionen. Wie oft hat er kostenlos in Altenheimen gespielt, auf Geburtstagen oder Goldhochzeiten. Jedes Jahr unterhält er auf der Wilhelmshöhe die MBSV-Senioren. Für den 23. Juni 2017 liegt bereits eine Einladung des MBSV von 1604 vor. Zum Schmunzeln sind die Erwartungen der Schützen. „Wie in den letzten Jahren auch, so hoffen wir, dass Du uns am Klavier mit einigen schönen musikalischen Stücken unterhalten wirst.“ Als ob er das anders könnte.

Hilfsbereit nach Noten:„Zu viel Not gesehen“

Warum er so oft anderen hilft, kostenlos spielt? Hans-Wilhelm vom Wege ist kein Mann, der mit Gefühlen hausieren geht. Und so druckst er herum, als ich ihn nach dem Warum frage. Ich habe ihn wohl richtig verstanden, als er schließlich sagte: „Ich habe zu viel Elend und Not gesehen.“ Hilfsbereitschaft ist eben ein Gefühl, dem er nachgibt.

Schon legendär ist in früheren Jahren sein spontaner Auftritt in der Vorweihnachtszeit bei „Menne“ Oberkampf, als zu bierseliger Stunde das Klavier aus dem Saal in den Schankraum geschoben wurde und Gast Hans-Wilhelm in die Tasten griff. Anschließend spendeten die Gäste einen vierstelligen Betrag für Bedürftige.

Aufgespielt hat Hans-Wilhelm vom Wege jedes Jahr zu Weihnachten zu Hause für seine Familie, für seine Frau Elsa und für seine Tochter, die heute in Köln lebt. Im Haus der vom Weges ist es indes ruhig geworden. Elsa vom Wege ist 2007 gestorben.

Traurige Erinnerung1954 an Peter Anders

Zum 80. Geburtstag schrieben ihm die Musiker des Salon-Orchesters u.a.: „...wir hoffen, dass Du noch sehr lange viele Menschen... und nicht zuletzt auch Dich selbst mit Deinem meisterhaften Klavierspiel erfreuen kannst.“ Jetzt geht er auf die 90 zu und will die am 25. April 2018 auch packen.

Eine musikalische Begegnung ist ihm unvergessen geblieben.

Am 4. September 1954 gastierte der Mozart- und Kammersänger Peter Anders in Plettenberg. Hans-Wilhelm vom Wege assistierte dem Klavierbegleiter beim Umblättern der Notenseiten. In den Pausen kamen sich er und Peter Anders näher. Der bekannte Tenor, der inzwischen Einladungen an die großen Opernhäuser in Europa hatte, bat ihn sogar, mit ihm und den anderen Mitwirkenden des Konzerts ins Hotel Ostermann zu gehen. Einen Tag später, am 5. September 1954, erlitt Peter Anders auf der Fahrt nach Hamburg einen Unfall mit dem von ihm selbst gesteuerten Auto. An den Verletzungen starb er fünf Tage später im Hamburger Hafenkrankenhaus. Nach Polizeiangaben geriet der schwere Mercedes (300-Cabriolet) bei einem Überholmanöver in einer Kurve ins Schleudern, überschlug sich und zerschellte an einem Telegrafenmast. Überhöhte Geschwindigkeit und riskantes Fahrverhalten hieß es im Polizeibericht.

Peter Anders wurde nur 46 Jahre alt. Hans-Wilhelm vom Wege war einer der letzten, die mit ihm gesprochen haben.