Am 29. Juli 1830 wurde die erste ev. Elementarschule mit 24 Kindern in den gemieteten Räumen von „Törnigs Burg“ in der Turmstraße 4 eingeweiht.
Menden. Schule in Menden hat in den zurückliegenden Jahrhunderten immer zu tun gehabt mit christlicher Konfession. Überwiegend mit der katholischen. Wer diese Einseitigkeit ändern wollte, wie etwa die Protestanten, musste Ellbogen haben oder gänzlich unerwartet Hilfe aus der Industrie erhalten oder vom preußischen König.
Schule lehrte nicht nur Rechnen und Schreiben, sondern unterwies auch im Fach Religion. Schule rekrutierte so den Nachwuchs für die Kirche. Wer die Schule hatte, hatte die Zukunft. Katholische kirchliche Räume, nur von einer beweglichen Bretterwand von einem Schulraum getrennt, waren u.a. auf den Dörfern Schwitten, Lendringsen oder Werringsen üblich. Das war durchaus nachahmenswert.
Menden immer nochüberwiegend „schwarz“
Katholischer als Menden noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geht kaum. Martin Luther und seine Reformation (ab 1517) konnten keinen Fuß fassen in der Hönnestadt. Sie war und blieb römisch-katholisch. Die Zahlen sprechen noch heute dafür: Im Jahr 2007 gab es in Menden 33 659 (58,24 Prozent) Katholiken und nur 13 069 (22,61 Prozent) Protestanten. Der „Rest“ ist anderen Glaubens oder konfessionslos. „Menden-Münster-Paderborn“ war die namentlich Ausschmückung von „schwarz-schwärzer-Paderborn“ und lange in Menden ein geflügeltes Wort.
In den 1760er Jahren soll es in Menden erst zwei evangelische Familien gegeben haben. Der frühere Stadtarchivar Paul Koch kennt sogar ihre Namen: Rahlenbeck (Kötterheide, Holzen-Bösperde) und Hamer (Fingerhutsmühle). Das änderte sich grundlegend, als Menden 1816 unter der Herrschaft des preußischen Königs zur neu gebildeten Provinz Westfalen gehörte. Aus den benachbarten Teilen der Grafschaft Mark wanderten jetzt vermehrt Protestanten nach Menden. 1828 gab es 123 evangelische Einwohner, darunter 77 Erwachsene und 46 Kinder unter 14 Jahren.
„Unterwanderung“mit einem Polizeileutnant
Die evangelische Gemeinde wuchs. Viele evangelische Arbeiter und Angestellte kamen nach Menden mit den neuen Firmen Kissing & Möllmann 1827 aus Iserlohn nach Bösperde (Neuwalzwerk), 1834 Schmöle und Romberg ans Hönnenwerth, wobei gerade die Fabrikanten Schmöle eifrige Mitglieder und Gönner der ev. Gemeinde wurden. Um 1840 zählte sie bereits 700 Mitglieder, 20 Jahre später schon 1000.
Wo Kinder sind, dürfen Schulen nicht fehlen. Die religiöse Betreuung fand zu jener Zeit vom überwiegend evangelischen Hemer aus statt, aber schulisch lag es noch im Argen. Der frühere Konrektor, Vorsänger und Küster der Gemeinde, Walter Götsch, hat 1964 in seinem Ruhestand die Geschichte der evangelischen Schulen in Menden aufgeschrieben. Liest man sie, kann man nur staunen. Friedhelm Reimer (Jahrgang 1943) von der Unnaer Straße sei Dank, dass er mir Einblick in diese aufschlussreiche Schrift ermöglichte.
Interpretiert man Götsch richtig, dann darf man sogar von einer gewollten protestantischen Unterwanderung der Katholiken-Szene in Menden und dem kurkölnischen Sauerland sprechen. Er vermutet, dass seitens des Königs und der Politik bewusst das Vordringen des Protestantismus vorangetrieben wurde. Als Indiz nennt er nach der preußischen Inbesitznahme des Landes die Versetzung eines evangelischen Polizeileutnants als Reviervorsteher nach Menden. Vom König gab es mehrmals Geldgeschenke für die ev. Gemeinde.
Erste evangelische Kirchean der Trompetenstraße
Am 29. Juli 1830 wurde die erste ev. Elementarschule mit 24 Kindern in den gemieteten Räumen von „Törnigs Burg“ in der Turmstraße 4 eingeweiht. Dieser Tag wird seitdem als Geburtstag der evangelischen Volksschule angesehen. Erster Lehrer war Carl Bernau. Im Haus gab es zwei Zimmer als Betsaal, eins als Schulklasse und eine kleine Schlafstelle für den Lehrer.
1834 waren schon 370 Seelen zu betreuen. Die Räume in „Törnigs Burg“ reichten nicht aus. Die beiden Kirchenältesten Friedrich Ebbinghaus und Hermann Schröder ersteigerten an der Ecke Mühlen- und Trompetenstraße (heute Bahnhofs- und Turmstraße) ein Gebäude, in dem sie Gottesdienstraum und Schulraum unterbrachten. Beide nur getrennt durch eine Bretterwand. Gut gesehen bei den Katholiken. Einweihung war am 1. Advent 1834. Abgesehen davon, dass wir auf diesem Wege erfahren, dass Menden mal eine Trompetenstraße gehabt hat, wurde diese erste evangelische Kirche in der Gemeinde 30 Jahre genutzt bis zum Bau der Heilig-Geist-Kirche im Jahr 1864.
Auch evangelische Schulewollte Holz aus dem Wald
Ab 1840, so stellte Götsch fest, gab es erneut spürbaren Raummangel. Nach unliebsamen Querelen mit einem offenbar unfähigen Bauunternehmer dauerte es bis 1847, dass an der Chaussee von Menden nach Wimbern, an der heutigen Unnaer Straße 6, eine eingeschossige Schule errichtet wurde. Der Standort ist leicht zu finden: Heute steht dort die Deutsche Bank. Die evangelische Gemeinde hat Grund und Boden 1908 an die Essener „Creditbank für Stadt und Amt Menden“ verkauft, die wiederum 1925 von der Deutschen Bank geschluckt wurde.
In den 1850er Jahren muss es zwischen der katholisch zusammengesetzten Stadtverordneten-Versammlung und dem evangelischen Gemeindevorstand geknistert haben. Die Stadt sah wohl den Bau dieser evangelischen Schule nicht so gern. Die Protestanten hingegen bemängelten, dass von ihnen kein Vertreter im Stadtrat saß und, man höre und staune, dass man ihrer Schule die freie Holzlieferung aus dem Wald verwehrte, katholischen Schulen aber nicht.
Jauche im Trinkwasserfür die Schulkinder
16,72 m lang und 13,27 m breit war die neue Schule. Sie war unterkellert, hatte einen größeren Schulraum und eine Lehrerwohnung. Einen Kellerraum vermietete die ev. Gemeinde an den benachbarten Wirt Niederstadt, der eine Brennerei hatte. In einem weiteren Kellerraum wurde Kleinvieh untergebracht.
Unter solchen Umständen kann man kaum von der „guten alten Zeit“ schwärmen, zumal diese Schule nicht unter einem besonders günstigen Stern stand. Die Trinkwasserversorgung machte Sorgen. Beklagt wurde, dass Jauche von den Nachbargrundstücken und von den Schul-Latrinen in die Brunnen einsickerte. Auch in die Keller. Entsprechend stank es dort. Selbst eine Pumpe half nicht weiter. Die Schulkinder mussten oft ihren Durst bei Nachbarn löschen.
Schule im Kasernenstilan der Papenhausenstraße
Wieder musste über eine neue Schule nachgedacht werden. Das System war inzwischen dreiklassig geworden mit drei Lehrern. Vom Rentner Nathan Rothschild kaufte die ev. Gemeinde am Hördinger Kamp, heute Ecke Poststraße/Papenhausenstraße, ein Gartengrundstück. Die Einweihung der späteren Hindenburgschule im November 1887 war festlich und feierlich, doch Walter Götsch nennt die Schwachpunkte: Nur ein Flur, zwei Schulstuben, keinerlei Nebenräume. Unterricht jetzt in zwei Schulen, denn die Schule an der Chaussee wurde bis zum Verkauf 1908 an die Creditbank auch noch gebraucht. Lehrer mussten ständig pendeln.
Es kam wohl nicht überraschend, dass bei wachsender Kinderzahl der Raum erneut nicht ausreichen würde, folglich Anbau 1906. Dazu mussten an Papenhausen- und Poststraße weitere Gärten gekauft werden. Das Schulgebäude wurde auf sechs Klassen erweitert. Nebenräume gab es aber wiederum nicht, dafür eine Hausmeisterwohnung unterm Dach und eine Brausebad-Einrichtung im Keller, die aber kaum genutzt wurde. Diese Schule „im Kasernenstil“, wie Götsch sie bezeichnete, blieb fast 50 Jahre in Betrieb, bis 1954/55 ein grundlegender Umbau erfolgte.
Wie die „Evang. Höhere Mädchen- bzw. Töchterschule“ für Aufsehen sorgte und was Reichsbank und Maria-Martha-Haus damit zu tun hatten, in Teil II.