Mendener kämpfen für das Vincenz-Krankenhaus auf verschiedenen Ebeben.

Menden. Da sage doch keiner mehr, Menden fühle sich nur wohl in der Rolle des Opferlamms. Zumindest nicht 1986, das zum Mendener Revolutionsjahr ausgerufen werden müsste.

Zweimal stiegen Mendener empört auf die Barrikaden, zweimal siegten sie. Unvergessen der Dienstag, 28. Januar 1986, als Hunderte mit ihren bellenden Lieblingen vor das Rathaus stürmten und dem Rat zeigten, was sie von der Anhebung der Hundesteuer hielten, nämlich NICHTS. Und das Knurren von Mensch und Tier auf dem Rathausplatz kippte die Geldeinnahme-Pläne der Stadt (siehe „Mendener Geschichten“ Band 3).

Iserlohn wollteeine Höherversorgung

Ein halbes Jahr später am Donnerstag, 3. Juli 1986, wehrte sich Menden erneut, diesmal gegen die unentwegten Hegemonie-Pläne der Stadt Iserlohn, die sich ständig in ihrer Nabelschau den anderen überlegen fühlte. Diesmal standen den Mendenern auch die Balver und Hemeraner zur Seite, die genauso um ihre Krankenhäuser fürchteten, denn Iserlohn wollte als größte Stadt des Kreises auch die beste Krankenversorgung haben, ohne an die Sogwirkung auf Kosten der Krankenhäuser in den umliegenden Städten zu denken. Eindrucksvolle Demonstration von Bürgern, Ärzten und Krankenhaus-Personal aus Menden vor dem Kreishaus in Lüdenscheid, unübersehbare Transparente, Rufe, Gesänge. Der Kreistag, der Iserlohns Pläne mit 2,3 Millionen DM stützen wollte, knickte ein, setzte das Thema ab. Wieder hatte Menden gewonnen.

Das war auch um 1890 so, als Iserlohn Mendens Pläne aushebeln und die Hönnetalbahn von Menden nach Balve verhindern wollte. Zum eigenen Nutzen sollte diese Verbindung über Hemer führen. Menden ärgerte sich, kämpfte dagegen an und siegte: Der erste Zug der Hönnetalbahn fuhr 1912 (s. „Mendener Geschichten“ bald in Band IV).

In Menden schrilltendie Alarmglocken

Die ersten Alarmglocken schrillten in Menden, als der Iserlohner Rat am 4. Juni 1985 den Beschluss fasste: „In der größten Stadt des Märkischen Kreises müssen die Krankenhäuser Iserlohns höherwertige Aufgaben der Krankenhausversorgung wahrnehmen. Dies ergibt sich auch aus der Einwohnerzahl…. In Übereinstimmung mit dem Märkischen Kreis hält es der Rat der Stadt Iserlohn für unbedingt erforderlich, dass das Evangelische Krankenhaus Bethanien und das Katholische Elisabeth-Hospital die Krankenhausversorgung der Versorgungsstufe II übernehmen…“

Die beiden Häuser unterschiedlicher Konfession sollten in einer GmbH neue Schwerpunkte setzen, so wie bereits mit der Kinderheilkunde in Bethanien. Der Kreis sollte und wollte diese Bestrebungen finanziell unterstützen.

In drei Bussenzur Demo am Kreishaus

Der Verwaltungschef des Vincenz-Krankenhauses, Klemens Beierle, sah schwere Gewitterwolken auf sein Haus zukommen. Menden werde durch eine Höherstufung der Iserlohner Häuser auf Dauer das wirtschaftliche Fundament entzogen. „Das Vincenz-Hospital braucht jeden Patienten. Sinkt die Belegung ist die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben. Dann muss das Haus schließen. Dann müssen kranke Menschen sich in Nachbarstädten ins Hospital legen. Dann gehen mit einem Schlag 240 Arbeitsplätze verloren.“

Auch Mendens Dechant Karl-Josef Müller griff zu Feder: „Weder ist eine Höherversorgung in Iserlohn erforderlich und auch nicht im Landeskrankenhausplan vorgesehen, noch ist eine finanzielle Beteiligung des Kreises an der Krankenhaus GmbH vertretbar.“ Das sah Hemer mit seinem agilen Bürgermeister und früheren Chef der Lungenklinik, Hans Meyer, genau so: „Die Neuschaffung nicht mehr bedarfsgerechter Überkapazitäten in Iserlohn ist volkswirtschaftlich nicht vertretbar“, sagte er.

Kreistag gabentnervt auf

Donnerstag, 3. Juli 1986. Ein heißer Sonnentag. An der „Mendener Mühle“ warten drei große Reisebusse, bringen kostenlos Ärzte und Personal in ihrer Berufskleidung, Politiker und Bürger nach Lüdenscheid. In den Bussen werden kühlende Getränke gereicht. Aber die Stimmung kocht. Vor dem Kreishaus entrollen die Mendener Demonstranten ihre Transparente. Unübersehbar die Sprüche wie „Heiliger Vincenz sei uns nah, bewahr uns vor der Krankenhaus-GmbH“ oder „Wirst Du krank in Menden, wohin sollst Du Dich wenden“ oder „… und Menden bleibt nur das Bett im Kornfeld“.

Unter den mehr als 150 Protestlern war auch Mendens Bürgermeister Otto Weingarten, Dechant Müller, CDU-Chef Hermann-Josef Schulte, aber auch Hemers Bürgermeister Hans Meyer. Laut skandiert er „Lieber gesund in Menden als krank in Iserlohn.“ Als der Kreistag entnervt das Thema von der Tagesordnung nahm, resignierte Iserlohns Beigeordneter Ettemyer: „Wir tragen es mit Fassung. Wenns gegen Iserlohn geht, bieten sie eben alles auf.“

Am 24. Juli ist das Vincenz-Krankenhaus aus dem Schneider. NRW-Staatssekretär Nelles lehnte auf einer Regionalkonferenz über die heimische Krankenhausversorgung kategorisch ab, Iserlohn höher zu stufen und mit einer Spitzenversorgung wie in Hagen auszustatten.

Nach 147 Jahren aufopferungsvollen Wirkens haben die letzten drei Barmherzigen Schwestern des Hl. Vinzenz von Paul am 25. September 2009 Menden für immer verlassen. Im Bild der Abschied nach dem Festhochamt in der Vincenz-Kirche. Auf dem Kirchplatz viel Volk und ein Ständchen von der Schützenkapelle Oesbern für die Schwestern (von links) Friedlinde, Hildegard und Reineldis.
Nach 147 Jahren aufopferungsvollen Wirkens haben die letzten drei Barmherzigen Schwestern des Hl. Vinzenz von Paul am 25. September 2009 Menden für immer verlassen. Im Bild der Abschied nach dem Festhochamt in der Vincenz-Kirche. Auf dem Kirchplatz viel Volk und ein Ständchen von der Schützenkapelle Oesbern für die Schwestern (von links) Friedlinde, Hildegard und Reineldis. © Alex Bonsendorf

Abschied für immer von den Schwestern

Das St.-Vincenz-Hospital ohne die aufopferungsvolle Arbeit der Barmherzigen Schwestern des Vinzenz von Paul? Das war lange kaum vorstellbar. 147 Jahre haben sie in Menden gewirkt, sowohl ab 1862 im ersten Vincenz-Krankenhaus an der Hauptstraße als auch im neuen Hospital ab 1911 am Hang des Rodenbergs.
War ihr Anblick für Menden sowohl in den Spitälern als auch im Waisenhaus und im Vincenz-Altenheim eine Normalität, so zeichnete sich schon in den 1980er Jahren eine Überalterung des Ordens ab. Kaum noch fühlten sich jüngere Frauen berufen zu diesem Liebesdienst am Menschen. In Menden wirkten im Altenheim und im Krankenhaus zwischenzeitlich 27 Barmherzige Schwestern.

Am 25. September 2009 kam der Tag des Abschieds. Die drei verbliebenen Schwestern Friedlinde, Hildegard und Reineldis, damals 82, 78 und 79 Jahre alt, verließen nach einem Dankhochamt in St. Vincenz die Hönnestadt. Friedlinde war 49 Jahre in Menden, Hildegard und Reineldis je 38 Jahre.

Tradition endetnach 147 Jahren

Der damalige Pflegedirektor im St.-Vincenz-Hospital, Reinhold Jacobs, würdige die Arbeit der Nonnen in den höchsten Tönen: „Ein Stück Tradition geht nach 147 Jahren zu Ende“, sagte er. „Die Ordensfrauen hatten bei allen Patienten einen Vertrauensvorschuss. Besonders bei den älteren Menschen, weil sie wussten, dass diese drei zuhören konnten, sich kümmerten und nichts an die große Glocke
hängten“.