Der vierte Teil der Krankenhaus-Serie aus der beliebten „So war es früher“-Reihe beschäftigt sich mit Abriss und Neubau des Krankenhauses.
Menden. Übrig geblieben bis heute ist der Turm der Kapelle mit seiner bronzenen Glocke: Treu und brav erklingt sie morgens um 7, mittags um 12 und abends um 18 Uhr, als wolle sie daran erinnern, wie es früher einmal war mit dem St. Vincenz-Krankenhaus am Hang des Rodenbergs. Als der Turm am Haken eines Krans sanft zu Boden schwebte, war das der endgültige Schlusspunkt einer Ära, die 1911 begann und in den 1970er Jahren endete. Die Abrissbirne wütete und stellte Patienten wie Ärzte und Personal auf eine harte Probe, denn gleichzeitig entstand etwas Neues, Moderneres, das bis heute Bestand hat. Was hier fiel, wurde nebenan neu errichtet. Zug um Zug, bis zur großen Einweihung 1980. Das war nicht nur ein neues Herz oder ein Kniegelenk, das war ein kompletter Körperaustausch mit allen Lebenslinien.
Es war eine gewaltige Aufgabe, die zu bewältigen war. 15 Jahre hatten Planung und Bau gebraucht, dann waren 30 Millionen DM verschlungen, standen 286 Betten und 250 Mitarbeiter uneingeschränkt bereit für die Patienten.
Land wollte die100-Prozent-Lösung
Man schrieb das Jahr 1963, als Vertreter des zuständigen Landesministeriums und der Arnsberger Regierung zu einer Zielplanbesprechung nach Menden kamen. Zum ersten Mal fiel das Wort vom Neubau eines Bettenhauses. Noch am selben Tag wurde er von der Landesregierung zur Auflage gemacht. Ohne wenn und aber. Für einen modernisierenden Umbau des Althauses als einfachere Lösung wurden die finanziellen Mittel versagt. Das Land wünschte eine hundertprozentige Lösung; die für die nächsten 50 Jahre reichen müsste: Neubau.
Voraussetzung war, dass die Zahl der bisher vorhandenen 260 Betten auch während der Bauzeit erhalten blieb, mit dem Neubau sollte zudem zusätzlicher Platz für Betten geschaffen werden. Was stehen bleiben konnte, war der Behandlungstrakt mit Ambulanz, der erst 1963 fertiggestellt worden war. Der neue Bettentrakt aber sollte acht Stockwerke hoch reichen, jedes Zimmer einen eigenen Balkon haben.
Strohballen schottenKrankenzimmer ab
Auch während der Bauzeit galt alle Sorge den Patienten. Mit Strohballen und Planen wurden die Abbrucharbeiten so abgeschottet, dass weder Staub noch Steinchen in schon neu errichtete Krankenhausteile gelangen konnten. Wo die Abrissbirne unnötig war, wurden die Wände des alten Hauses mit Seilen niedergerissen.
Heimatforscher Wolfgang Kissmer nennt als Startschuss zum Neubau den August 1973. Zwei alte Häuser am Stein mussten abgebrochen, gewaltige Mengen Erdmasse abgetragen werden, um ein Plateau für den Neubau zu schaffen. Es ist schwer sich vorzustellen, wie dieses Zug um Zug von Abriss und Neubau, von Patienten-Umzügen bzw. Verlegungen vonstatten ging. Für den Verwaltungschef des Krankenhauses, Klemens Beierle, keine leichte Aufgabe. Feststeht, dass diese Bauarbeiten auch nicht spurlos an der Stadt vorbeigingen. Sieben Bagger waren vier Wochen damit beschäftigt, Erdreich abzutragen, täglich beförderten acht Lkw 700 Tonnen Erde, beschreibt Kissmer den gewaltigen Aufwand.
Täglich 100 Lkwauf den Straßen
Das Bettenhaus war vorrangiges Ziel, um die Patienten unterbringen zu können. 1976 war es fertig, jetzt konnte der alte Teil von 1911 abgerissen werden, Aber auch der Abriss belastete die Innenstadt. Täglich rollten im Verlauf von sechs Wochen an 30 Werktagen 100 Lkw über die Straßen.
Mit dem Abriss endete auch die Geschichte dieses alten Gemäuers, das mehrere Erweiterungen erlebt und im Zweiten Weltkrieg zum Teil als Lazarett gedient hatte. Dr. Felix Höninger wirkte in dieser Zeit des Krieges als Chef der Chirurgie. Er kannte das Leid, war er doch selbst bereits im Ersten Weltkrieg im Fronteinsatz gewesen.
Nur der Turm der Kapelle überlebte diese Total-Auswechselung. Heute steht er im Grünen rechts der Auffahrt zum Parkhaus, ist begehrtes Ziel neugieriger Kinder. Sein Bronze-Glöckchen trägt die Inschrift „Alles in Demut, Einfalt und Liebe 1949“.
Pest-Heiliger Rochusfür das Krankenhaus
Erzbischof Dr. Johannes Degenhardt weihte das neue Krankenhaus am 2. September 1980. Seine Wort machten nachdenklich: „Auf die Liebe ist alles ausgerichtet. Was sie gebietet, haben wir zu tun,“ zitierte er den heiligen Vincenz, den Schutzpatron des Krankenhauses.
Im Rahmen der Festeinweihung schenkte Dechant Karl-Josef Müller als Vorsitzender des Kuratoriums (eine Art Aufsichtsrat) im Namen der Vincenz-Gemeinde dem Krankenhaus die Statue des heiligen Rochus, die bislang im Garten des Alten Pastorats stand. Der heilige Rochus von Montpellier (1295-1327) ist Schutzpatron der Seuchen- und Pestkranken. Er soll auf einer Pilgerfahrt nach Rom vielen Pestkranken geholfen haben. Seine Gebeine wurden in Venedig zu den „Ehren der Altäre“ erhoben. In der Pestzeit entstandene Rochus-Bruderschaften wurden mit päpstlichen Privilegien ausgestattet. In manchen Regionen wird er zu den vierzehn Nothelfern gezählt. Sein Gedenktag ist sein Todestag 16. August.
Er wurde, so die Legende, als Sohn reicher Eltern in Montpellier geboren. Nachdem er als Zwanzigjähriger seine Eltern verloren hatte, verschenkte er sein Vermögen und trat in den Dritten Orden des heiligen Franz von Assisi ein.
Andern geholfen,selbst ohne Hilfe
Als er 1317 nach Rom pilgerte, half er unterwegs bei der Pflege von Pestkranken. Diese soll er nur mit Hilfe des Kreuzzeichens wundersam geheilt haben. Als Rochus auf seiner Rückreise 1322 selbst mit der Pest infiziert wurde, wurde er von niemandem gepflegt. Er „empfahl sich Gott“ und ging in eine einsame Holzhütte im Wald. Dort wurde er von einem Engel gepflegt, und der Hund eines Junkers brachte ihm solange Brot, bis er wieder genesen war.
Als er wieder in seine Heimatstadt kam, erkannte ihn aufgrund seiner Verunstaltungen durch seine Pesterkrankung niemand, und er wurde unter dem Verdacht der Spionage ins Gefängnis geworfen. Rochus brachte geduldig fünf Jahre im Gefängnis zu, bis er starb. Nach seinem Tod erkannte man ihn anhand eines kreuzförmigen Mals, das er seit seiner Geburt auf der Brust hatte. Diese Lebensgeschichte wurde 1478 in Venedig verfasst.
Dr. Peltzer: Rattenund Flöhe bekämpfen
Was haben Pocken und Pest mit Menden zu tun? Wenige Jahre nach der Einweihung, 1987, beschrieb der Chefarzt der medizinischen Abteilung des Krankenhauses, Dr. Franz Peltzer, einige schreckliche Krankheiten, die Menden mehr als einmal befallen haben. Es sind erschreckende Zahlen, die er nannte: So raffte der schwarze Tod von 1349 bis 1351 in Europa 25 Millionen Menschen hin. Das 1384 in Menden gegründete Hospiz zum Heiligen Geist, Mendens wohl erstes Krankenhaus (siehe Teil I und II), ist wegen dieser und anderer Seuchen gegründet worden. Pestbefall hat es demnach 1613, 1632 und 1634 in Menden gegeben. Dr. Peltzer brachte es auf einen kurzen Nenner: Zur Verhütung der Pest sind Ratten und Flohbekämpfung wichtig. Und wenn man dem verstorbenen Dechant Müller glauben möchte, dann hilft auch der heilige Rochus.
In Turbulenzen drohte das gerade erst neu eröffnete Vincenz-Krankenhaus 1986 zu geraten, als sich andere Häuser auf Kosten des Mendener Hauses die Krankenbetten füllen wollten. Das gab eine Protestbewegung, wie sie das Kreishaus in Lüdenscheid noch nicht erlebt hatte. In Teil V auch der Abschied von den Barmherzigen Schwestern.