Menden. . Die Schuhmacher-Gilde ist Mendens älteste Gilde. Schuhmachermeister Werner Frohne gab kurz vor seinem Tod Einblicke in die Gilde-Unterlagen.
Viele werden ihn vermissen, den Schuhmachermeister aus Passion. Gerade noch hatte mir Werner Frohne Einblick gegeben in die Unterlagen der Schuhmacher-Gilde, der ältesten Gilde von Menden, die er 45 Jahre führte. Der letzte Gildemeister der Crispinus-Gilde lebt nicht mehr. Ist vor wenigen Tagen mit fast 86 Jahren gestorben. Nicht traurig sein. Werner Frohne will das nicht. Er wollte ein fröhliches Totenamt. Werner Frohne hat sich ein Auferstehungsamt gewünscht, keine Angst gezeigt vor dem Unabwendbaren, schien sich darauf zu freuen, bei seinem Herrgott zu sein, seinem „Freund und Bruder“, und er will „im Himmel mit den Engelchen in den Pfützen spielen“.
Gibt es noch einenneuen Gildemeister?
Wie es jetzt weitergehen soll mit der ältesten Gilde der Stadt Menden ist ungewiss. Seine Frau Elisabeth, mit der er fast 56 Jahre verheiratet war, befürchtet, dass es keinen Nachfolger geben wird. „Werner wollte mit seinen noch verbliebenen, auch schon betagten Kollegen, beraten, ob sie die Gilde-Unterlagen komplett ans Museum geben wollen. Diese Entscheidung werden sie nun ohne ihn treffen müssen.“ Eine Hand voll Mitglieder gibt es noch mit Maik Weische als einzig verbliebenem aktiven Schuhmachermeister ( Jhrg. 1975). Auch der Fuß-Orthopädie-Meister befürchtet, dass es auf Auflösung hinausläuft, aber erst will er sich mit seinen Kollegen im Ruhestand beraten.
Bereits mit fast 70 Jahren hatte Werner Frohne große Teile seiner Werkstatt dem Museum übergeben: Unvergessen ist in diesem Zusammenhang sein realistischer Spruch: „Wer lässt denn noch seine Schuhe reparieren?“ Mit der Erkenntnis, dass der Schuhmacherberuf keine Zukunft hat und nur noch in der Erinnerung weiterleben wird.
Was für eine Wandlung hat dieses Handwerk erfahren und wie haben diese begnadeten Handwerker doch in Notzeiten „gezaubert“. Aus alten Taschen haben sie aus schäbigsten Lederresten unter widrigsten Umständen Maß geschneiderte Schuhe gefertigt und in diesen Notzeiten in und nach den Kriegen, als der Mangel auch das Material für Schuhe ergriff, dafür gesorgt, dass die Mendener nicht barfuß durch den Schnee laufen mussten. Was repariert werden musste, haben sie wieder hergestellt. Würde man die Meister von damals noch fragen, sie würden wahrscheinlich antworten: „Wir wissen selbst nicht mehr, wie wir das geschafft haben.“
Wo sind sie geblieben, die zahlreichen Schusterbetriebe, die es einst in Menden gab? Wo ist der Nachwuchs? Es gibt ihn nicht mehr.
Parallelen zum Schneiderhandwerk
Werner Frohne erzählte mir, dass es in den 1950er Jahren, als er seine Meisterprüfung ablegte, in Menden mehr als 30 selbstständige Schuhmachermeister gab. Ende der 1990er Jahre waren es nur noch fünf und heute? Noch einer.
Niedergang und Wandlung dieses Handwerks verlief ähnlich wie im Schneiderhandwerk, als der Anzug von der Stange kam. Heute lässt sich das in jedem größeren Kaufhaus ablesen, wo Billigschuhe die Herrschaft übernommen haben, Schuhe, die der Kunde nicht mehr reparieren lässt, wenn die Sohlen durchgelaufen sind, sondern die er einfach wegwirft.
Bei Schuhen andie Füße denken
Jeder von uns Älteren hatte früher seinen Schuster, zu dem er voller Vertrauen ging. Meiner war Anfang der 1950er Jahre Heinz Luig von der Schützenstraße, der mir jungem Dachs vorn und hinten Eisen unter die Sohlen schlug, weil er genau wusste, dass ich auf dem Weg zur Messdienerei in St. Vincenz mit jedem Stein, mit jeder Dose Fußball spielte. Unvergessen seine Geduld und der Geruch nach Leim und Leder in seiner Werkstatt im Keller seines Hauses. Schuhmacher haben mir vor kurzem noch gesagt: „Wer nur nach dem Preis kauft, der sollte auch mal an seine Füße denken.“
Gebt Euch die Hand zu steter Brudertreu
In Strophe 5 singen die Schuster:
„Ich bin ein Schuster! Was nützt Kleider kaufen,/
Wenn ich nicht wär, mit Schuh euch zu versehn?/
Ihr müsstet, wie die Gänse, barfuß laufen,/
Und ohne Schutz durch Dorn und Pfütze gehn./
Schuh mach ich ohne Falten, den Jungen wie den Alten!/
Sagt, liebe Brüder, hab ich nun nicht Recht?/
Ohn´ meinen Pechdraht ständ die Welt sich schlecht.
Abschließend singen alle:
„Doch sehn wir auch, dass jedes Handwerk nützet!/
Ein jedes trägt zum Wohl des Andern bei;/
Drum ist es recht, dass Eins das Andre schützet!/
Gebt Euch die Hand zu steter Brudertreu!/
Wenn alle redlich sorgen, so sind wir wohl geborgen!/
Wer schneidert, webet, hobelt, Pechdraht zog,/
Baut oder schmiedet – Alle leben hoch!“
Passend zu den Gilden gibt es ein Lied, das die Handwerksberufe und den Zusammenhalt der Schuster, Schneider, Weber, Schreiner, Schmiede und Maurer anschaulich preist.
Zukunft nur für orthopädische Schuhmacher
Zukunft hat in der Schuhbranche heute wohl nur der Orthopädieschuhmacher, den einfachen Schuhmacher dürfte es bald nicht mehr geben, fürchten Innungsmeister und bedauern, dass „die Welt ein wenig ärmer wird, weil die Tradition des Schuhe Machens aber auch des Schuhe Reparierens zu unserer Kultur gehören.“
Die „Schomeckergilde“ in Menden ist zutiefst christlich geprägt. Sie nennt sich Crispinus-Gilde und ist eine christliche Berufsgemeinschaft der Schuhmacher-Zünfte und –Bruderschaften. Zum Schuhmacheramt gehörten im 16. Jahrhundert in Menden auch die Löher, Weiß- und Rotgerber sowie Sattler.
Entstehung und Anfang des Gilde- und Zunftwesens in Menden liegen im Dunkeln. Aus dem Mittelalter gibt es darüber kaum Nachrichten. Erst das Jahr 1549 bringt erste Kunde durch eine vom Rat bestätigte Urkunde.
Nur wenige Namensind festgehalten
Zum Schuhmacheramt gehörten zu jener Zeit die elf Meister Diedrich Schmittmann, P. Raffenberg, P. Stoffel, Gerhard Corde, Panthel, Adolf Rieß, Ernst und Johann Brakel, Engelbert Coster, Gottschalk Hund, Tell Schwisters und Franz Sauer. Es darf angenommen werden, dass es die Schuhmachergilde schon früher gab, doch fehlen dafür jegliche Unterlagen, die bei Stadtbränden wohl vernichtet worden sind.
Aus der Reihe der Mendener Gildemeister seit 1549 sind nur wenige namentlich festgehalten: Heinrich Brakel führte die Gilde von 1870 – 1900, ihm folgten die Gildemeister Philipp Hufnagel, Wilhelm Berger, Josef Müntefehring, Gustav Brinkmann, Hans Wagner, Kurt Olschewski und von 1971 bis 2017 Werner Frohne.
Zugang zu den Unterlagender Gilde
Kurz vor seinem Tod hat mir Werner Frohne Zugang zu den Gilde-Unterlagen verschafft. Auch Einblick gegeben in die schon stark dezimierte Mitgliederliste. Darin sein eigener Name als Gildemeister (Jahrgang 1931) und Josef Rawert (1933) als sein Stellvertreter. Aufgeschrieben und mit einem Kreuz versehen sind Hans Hunold (1932), Heinz Neuhaus (1929) und Hubert Weische (1913). Nicht mehr aktiv sind Franz-Josef Kaltenbach ( 1944), Kurt Olschewski ( 1938), Hubert Mütherich (Jhrg. 1934) und Hubert Weische jun. (1948). Einziger aktiver Meister ist Maik Weische (1975).
Schuhmachergeselle rettete Ritterorden
Schon im 14. Jahrhundert haben Schuhmacher von sich reden gemacht. Weil einer von ihnen besonders mutig war, dürfen sie den Reichsadler in ihrem Berufs-Wappen führen und sind darauf bis heute besonders stolz. Chronisten haben festgehalten, was damals passiert ist: „Am 17. Februar des Jahres 1370 kämpften in der Nähe der Ortschaft Rudau bei Königsberg im Samland (Ostpreußen) der Deutsche Ritterorden unter dem Befehl des Hochmeisters Winrich von Knieprode gegen die Russen und Litauer, deren Anführer Algirdas und Keistut waren.
Auf dem Höhepunkt des blutigen Kampfes, der unter der Bezeichnung „Schlacht bei Rudau“ in die Geschichte einging, schien das Kriegsglück den Ritterorden verlassen zu haben. Die Kämpfer wichen vor der immer stärker werdenden Übermacht zurück. Da, als die Schlacht schon verloren gegeben wurde, riss einer der jüngsten, aber kühnsten Soldaten (von Beruf ein Schuhmachergeselle) die Fahne mit dem kaiserlichen Wappen an sich und stürmte erneut dem Feind entgegen, seine Kameraden mit sich nach vorne reißend… Durch die entscheidende Tapferkeit dieses Schuhmachergesellen wurde der Sieg errungen“.
Auf ewige ZeitenKaisers Doppeladler
Kaiser Karl IV. verlieh in Anerkennung für diese ruhmreiche Tat dem deutschen Schuhmacherhandwerk und damit auch der Mendener Gilde für ewige Zeiten das Recht, den kaiserlichen Doppeladler als Wappen und Siegel zu führen. Der Schuhmacher Hans Sagan wurde vom Kaiser zum Altgesellen ernannt und geadelt.