Menden. . Vier Mendener führen ehrenamtlich alte Tradition fort: das Beiern der Glocken der St. Vincenzkirche. Taktgefühl ist dabei das A und O.
- Vier Mendener führen ehrenamtlich die alte Tradition des Beierns fort
- Das Gesamtgewicht der Glocken in der St. Vincenzkirche beträgt 7680 Kilogramm
- Anfänger üben per Video: Probeläuten wäre Bürgern nicht zumutbar
Allein schon das Erklimmen der 110 extrem steilen Stufen ist eine kleine Meisterleistung. Das müssen vier ehrenamtliche Männer neunmal im Jahr tun, um überhaupt an ihren schwindelerregend hohen Arbeitsplatz zu kommen. Der befindet sich auf dem Turm der St. Vincenzkirche, dem „Aktionsfeld“ von Michael Kleine, Martin Swora, Christoph Ellert und Ralf Nölken. Die vier Mendener schlüpfen an bestimmten Feiertagen in die Rolle des „Glöckners von St. Vincenz“.
Höchstwahrscheinlich seit 1928 gibt es in Menden die Tradition, von der jeder Einwohner im wahrsten Sinne des Wortes schon einmal gehört hat, weil es nicht zu überhören ist: das Beiern von St. Vincenz. Martin Swora: „Wir vermuten, dass es zeitgleich mit dem ersten Turmblasen begann.“ Mit Beiern bezeichnet man das manuelle Anschlagen von Kirchenglocken in örtlich überlieferten, festgelegten Rhythmen.
Michael Kleine seit 1976 dabei
Sein Glöcknerkollege Michael Kleine ist schon am längsten dabei. „Ich habe den Job von meinem Vater Werner übernommen. Dieser trat zuvor in die Fußstapfen meines Opas Franz Kleine,“ berichtet der 58-jährige Halinger, der am 1. Januar 1976 das erste Mal die Glocken im Wahrzeichen Mendens zum Klingen brachte. Die ehrenamtliche Aufgabe über den Dächern der Stadt übernahm der 54-jährige Christoph Ellert am 1. August 1982. Mit ihm kam am selben Tag ein zweiter Neuling in das Team der Glöckner: Martin Swora (55).
Als der langjährige Mitspieler Norbert Huckschlag nach 34 Jahren dieses eher seltene Hobby Mitte 2010 aufgab, und der junge Fröndenberger Tim Spiekermann auch nach nur drei Jahren Zugehörigkeit das Team wieder verließ, zeigte Ralf Nölken, Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, Interesse. Nach knapp zwei Jahren des Zuschauens und Assistierens durfte der „Lehrling“ am vergangenen 1. Weihnachtstag erstmals ganz allein eine der kleinen Glocken anschlagen. Damit hatte er die Prüfung zum vollwertigen Mitglied als Glöckner von St. Vincenz geschafft.
Das Problematische an dieser ehrenamtlichen Aufgabe erklärt der Neue: „Man kann es einfach nicht üben,“ schmunzelt der 51-jährige Nölken. Zwar habe er sich stundenlang ein selbstgedrehtes Video über den körperlich ziemlich schlauchenden Einsatz der „Alteingesessenen“ angeschaut, aber mal eben zur Probe die Einwohner der ganzen Stadt mit eventuell falschem Glockengetöse tyrannisieren, gehe natürlich nicht. Das mussten auch die Fernsehleute einsehen, die für einen Beitrag vor Jahren das Geläut gerne wieder und wieder aufgenommen hätten.
Glocken wiegen 7680 Kilogramm
Wer glaubt, dass das Beiern der fünf Glocken, bestehend aus Briloner Sonderbronze, ein Kinderspiel sei, der irrt. Schon allein deren Gesamtgewicht von 7680 Kilogramm lässt erahnen, dass die Hobbyglöckner ordentlich was in den Armen haben müssen. Allerdings müssen sie ja nicht die ganze Masse in Bewegung setzten: Die Klöppel, ebenfalls keine Leichtgewichte, werden so fixiert, dass sie mittels daran befestigter Seile an den Glockenrand geschlagen werden können. Und zwar mit reiner Muskelkraft.
Beim Großläuten, das ebenfalls an auserwählten Feiertagen in ganz Menden erschallt, müssen sich Michael Kleine und Christoph Ellert nach ungefähr der halben Zeit sogar ablösen und zwar möglichst übergangslos. Während des Schlagens überreichen sie dem Partner die Seile. Dabei dürfen sie bei den fünf Schlägen, mit denen sie die beiden kleinen Glocken zwei- bzw. dreimal erklingen lassen, nicht aus dem Takt kommen. Der muss nämlich punktgenau in den Rhythmus der großen Glocke, der Te Deum Laudamus, kommen, sonst klingt es grauslich.
Schwerstarbeit im Turm