Seit 40 Jahren gibt es den Ökumenischen Jahresabschlussgottesdienst der Schützen. Gefeiert wird er in diesem Jahr am Freitag, 30. Dezember, um 19 Uhr in der St.-Vincenz-Kirche.

Menden. Was für ein Jahr, welch großes Jubiläum: 1976, Menden als Stadt wird 700 Jahre alt. Die Stadt und ihre Bürger stehen Kopf, feiern. Der singende Bundespräsident Walter Scheel kommt schon am 14. März („Hoch auf dem gelben Wagen“), es gibt das Landesmusikfest, den Bundesköniginnentag, kulturelle Veranstaltungen en masse. Dazu im Mai eine Festwoche eigens für die Bürger. Mit Kaiserschießen der Schützen, Veranstaltungen im Festzelt auf Battenfelds Wiese, dazu ein Festzug am 29. Mai, der zigtausend Besucher in die Stadt lockt. Und so ganz nebenbei am Ende des Jahres 1976 wird der Grundstein gelegt für ein weiteres Jubiläum. Ein kleines, aber eines mit Charakter: 40 Jahre Ökumenischer Jahresabschlussgottesdienst der Schützen. Gefeiert wird es am Freitag, 30. Dezember 2016, um 19 Uhr in der St.-Vincenz-Kirche.

Es war Herbert Klopries, der 1. Vorsitzende des Mendener Bürger-Schützenvereins (MBSV), der mit ungeahnter Weitsicht den ökumenischen Gottesdienst anstieß. Alle Schützenvereine der Stadt sollten sich daran beteiligen, schlug er vor. Immer zum Ende eines Jahres. Anfangen sollte es sofort, Ende 1976, als Schlusspunkt des grandiosen Stadtjubiläums. Aber dahinter steckte noch ein anderer Gedanke, der der Einigkeit. Denn es gab vor dem Jahr 1976 noch das Jahr 1975 und das machte aus der alten Stadt Menden die neue Stadt Menden. Eine weitaus größere. Mit nunmehr fast 55 000 Einwohnern in 17 000 Wohnungen, mit jetzt 44 Schulen, 13 800 Schülern und 542 Lehrkräften. Welche Entwicklung: 1952 gab es in Menden 52 Lehrer, anno 1806 gerade mal zwei.

Kommunale Neuordnung: Es knirschte in Menden

Die Kommunale Neuordnung hatte 1975 zusammengezwungen, was nicht überall zusammengefügt sein wollte. Es knirschte. Das Amt Menden, das bisher durchaus eigene Wege gegangen war, wurde plötzlich Bestandteil der Stadt Menden. Im Vorfeld gab es Eifersüchteleien, böse Worte bis hin zu Beleidigungen.

In den ersten Jahren nahmen auch britische Soldaten am Jahresabschlussgottesdienst teil. Mit dabei der britische Militärgeistliche Reverend Piller, Dechant Müller und Pfarrer Dr. Gaffron. Ein Bild von 1978.
In den ersten Jahren nahmen auch britische Soldaten am Jahresabschlussgottesdienst teil. Mit dabei der britische Militärgeistliche Reverend Piller, Dechant Müller und Pfarrer Dr. Gaffron. Ein Bild von 1978. © Stadtarchiv

Als der Gottesdienst-Gedanke von Herbert Klopries auf der Versammlung aller Schützenvereine bei Hünnies vorgetragen wurde, hatte Max Schmitz, der ehemalige Bürgermeister und jetzt Vorsitzende des „Kuratoriums 700 Jahre Menden“ eine offizielle Einladung formuliert: „Es ist das gute Recht, wenn nicht gar die Pflicht aller Schützenvereine, die wie immer die bürgerliche Tradition pflegen, durch eine sichtbare Veranstaltung wie diesen Gottesdienst ihre Verbundenheit und auch ihr Bestreben zum gegenseitigen Ausgleich innerhalb der Bürgerschaft deutlich zu machen.“

1976 großartiges Ende des Stadtjubiläums

Den Schützen traute man also zu, die Aufgeregtheiten in den einst selbstständigen Ortschaften unter Bürgern und Vereinen im neuen Menden zu befrieden. Und das im „Schweinsgalopp“, wie man unter solchem Zeitdruck zu sagen pflegt. Den Vorschlag zum ökumenischen Gottesdienst machte Herbert Klopries dem MBSV erst am 25. November 1976. Die Versammlung aller 15 Schützenvereine bei Hünnies, auf der sie den Klopries-Vorschlag besprachen, fand am 17. Dezember statt. Max Schmitz formulierte seine Einladung am 20. Dezember, und am 29. Dezember 1976 fand der erste „Ökumenische Gottesdienst der Mendener Schützen“ in St. Vincenz statt.

Claus-Peter Levermann.
Claus-Peter Levermann. © Martina Dinslage

Dechant Müller für die Katholiken und Pfarrer Dr. Gaffron für die Protestanten hielten den Gottesdienst, das Jugendblasorchester Oesbern spielte. Die Kirche war proppenvoll, die Kollekte erbrachte 927 DM für die Restaurierung der Rodenberg-Kapelle, die auch vor der Kommunalen Neuordnung ein Gesamtanliegen von Stadt und Amt gewesen war. Die Schützen praktizierten 1976 deutlich sichtbar den Einheitsgedanken.

Als einer der eindrucksvollsten Ereignisse des Jahres wird dieser erste Ökumenische Jahresabschluss-Gottesdienst bezeichnet. 15 Schützenvereine und Bruderschaften zogen mit ihren Fahnenabordnungen in die Vincenz-Kirche ein, nahmen Aufstellung am Altar. Auch die Königspaare waren gekommen mit ihrem jeweiligen Hofstaat, dazu die Damen der Schützen. Es war schon ein imposantes Bild in der Kirche.

Schützen öffneten die Arme für die Briten

In seiner Predigt betonte Dechant Müller, dass es gerade die Schützen verstanden hätten, ihre Ziele und die der Kirche miteinander zu verzahnen. „Das muss auch in einer Stadt wie Menden möglich sein. Das Zusammenwachsen nach der nun vollzogenen Neuordnung ist sicherlich nicht reibungslos verlaufen. Probleme werden noch weiterbestehen. Die Weihnachtszeit ruft zur Verbrüderung auf, man muss sich immer dieses Auftrags erinnern und letztlich dafür sorgen, dass das ganze Jahr über Weihnachten ist.“

Die Schützen im neuen Menden hatten die Arme weit geöffnet für alle. Auch für die britischen Soldaten aus der Besatzungszeit. 1978 und 1979 gab es den Jahresabschlussgottesdienst zweisprachig. In Wort und Gesang. Die britischen Soldaten kamen mit ihrem Militärgeistlichen Reverend Piller, der mit Dechant Müller und Pfarrer Dr. Gaffron den Gottesdienst gestaltete. Die Briten hatten unter ihren Landsleuten geworben für den „Christmas Carol Service in St. Vincenz Church Menden“.

Reverend Piller: Wir sind alle gleich

Wie ein roter Faden, so hieß es in der Presse, lief der Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit durch das Treffen. „Wir sind alle gleich, singen und beten gemeinsam und liefern so ein Beispiel guten Zusammenlebens,“ betonte Reverend Piller.

Wenn es in den folgenden Jahresabschluss-Gottesdiensten feste Größen gab, dann die Teilnahme des Sauerländer Polizeichores, der bis 2009 die Gottesdienste mitgestaltete, sowie Empfang und „gemütliches Zusammentreffen“ der Schützen nach dem Gottesdienst. Diese Treffen gehörten und gehören dazu, ob auf der Wilhelmshöhe, im Bürgersaal oder wie aktuell im Pfarrzentrum St. Vincenz.

Die Kollekten in diesen Gottesdiensten bewegten sich im vierstelligen Rahmen. 1977 war sie bestimmt für den Neubau des evangelischen Gemeindehauses. 1992 bewegte die rund 6000 Mendener Schützen das Schicksal der an Leukämie erkrankten Antje Pieper. Ab 1992 wurde erstmals die Martinsspende erwähnt, eine Einrichtung des MBSV für in Not geratene Bürger. In Zukunft waren alle Kollekten für die Martinsspende bestimmt.

Trägerverein führt Klopries-Idee weiter

Doch auch hier zeigten die Schützenvereine, dass sie flexibel waren und den Blick nicht starr auf sich und ihre Stadt gerichtet hatten, sondern auch auf das Geschehen in der Welt: 2003 ging die Kollekte zur Hälfte an die Erdbebenopfer im Iran, 2004 zur Hälfte an die Tsunami-Opfer in Asien.

Nicht immer war die Mutterkirche St. Vincenz Schauplatz des Jahresabschlussgottesdienstes. Als St. Vincenz im Jahr 2005 renoviert wurde, zogen die Schützen um nach Hl. Kreuz. 2007 war das 150-jährige Bestehen des Schützenvereins Holzen-Bösperde-Landwehr (HBL) Grund, sich in der St. Maria-Magdalena-Kirche in Bösperde zu treffen.

Herbert Klopries leitete die von ihm ins Leben gerufenen Jahresabschlussgottesdienste mitsamt anschließendem Empfang sowie den informellen Zusammenschluss der Mendener Schützen bis 2001. Danach, so vermerkt Geschäftsführer Meinolf Luig, hat der „Trägerverein zur Förderung des Schützenwesens in Menden beide Veranstaltungen geerbt“.

Diesem Trägerverein gehören heute nur noch 13 Schützenvereine und Bruderschaften an, zwei haben sich aus unterschiedlichen Gründen aufgelöst. Erster Vorsitzender des Trägervereins wurde Kreisoberst Friedel Ruthenberg, ein Amt, das er bis zu seinem Tod im Juli 2011 ausübte. Heute ist Karl Jansen (HBL), der ehemalige SSB-Oberst, Vorsitzender des Trägervereins.

Viele erfüllten den Gottesdienst mit Leben

Der Klerus wechselte zwar bei der Gestaltung der Gottesdienste, doch immer stand der Grundgedanke der Einigkeit im Vordergrund. Die Aufzählung liest sich wie das „Who is Who“ der kirchlichen Pfarrer und Pastöre in vier Jahrzehnten. Auf katholischer Seite war als Gastgeber überwiegend Dechant Karl-Josef Müller dabei, aber auch Pfarrer Bechheim (Lendringsen), Pfarrvikar Dr. Best (Barge), Dechant Brackhane, Dechant Senkbeil und Jörg Cordes standen am Altar. Ihnen zur Seite die protestantischen Pfarrer Dr. Gaffron, Legler, Cibulski, Heilmann, Steinweg, Silinski, Daubner, Krämer-Puzicha, Fiedler und Goudefroy.

Nicht minder abwechslungsreich machten die Musikgruppen und Chöre in Menden mit. Sie alle sind es wert, genannt zu werden, weil sie eine großartige Idee mit Leben erfüllten: Das Jugendblasorchester Oesbern genauso wie das Bläserkorps des Hegerings Hohenlimburg, Dr. Gregor Vedder, Bruno Lemke und Martin Hoffmann an der Orgel, das Fanfaren-Corps Lendringsen und die Musikschule Menden.

Die Anerkennung gilt für die Chöre nicht minder. Allen voran der Sauerländische Polizeichor (bis 2009), der MGV Heiderose, Frauenchor Menden, Gemeinschaftschor Menden, Soundmix (ehemaliger Polizeichor). Ab 2012 stellt der Chorverband Hönne-Ruhr einen Chor, bisher MGV Liederkranz Schwitten, Frauenchor Eisborn, amante della musica und VokalArt Menden.

Es gab Zeit für Feiern, aber auch für Krisen

Geblieben ist auch nach 40 Jahren der Blick der Schützen auf das Geschehen in der Welt. Pfarrerin Dorothea Goudefroy erinnerte an die Schreckensereignisse im Jahr 2015: „Sie haben gefeiert und hatten Spaß auf vielen Schützenfesten“, rief sie den Schützen und deren Damen zu. „Es gab aber auch die Zeit für Krisen in Griechenland und mit vielen Flüchtlingen.“ Ergänzt wurde diese nachdenklich machende Aussage mit den Fürbitten für die zahlreichen Terroropfer in Paris oder für die Toten des Germanwings-Absturzes. Der Jubiläums-Abschlussgottesdienst am Freitag, 30. Dezember, ab 19 Uhr in St. Vincenz wird gehalten von Pfarrerin Dorothea Goudefroy, Pfarrer Jürgen Senkbeil und Bezirkspräses Jörg Cordes. Es singt der Chor „Querbeet“ Eisborn, es spielen das Fanfaren-Corps Lendringsen und Paul Kißmer an der Orgel.