Menden/Iserlohn. . Die Polizeisprecher Boronowski und Dilling lieben den „Tatort“. Aber Fakten und Fiktion liegen oft weit auseinander.

„Tatort“ Nr. 1000: Am Sonntag, 20.15 Uhr, läuft die Jubiläumsfolge mit Axel Milberg und Maria Furtwängler. Mit den beiden Sprechern der Kreispolizeibehörde Iserlohn, dem gebürtigen Mendener Dietmar Boronowski (51) und dem Mendener Neubürger Marcel ­Dilling (31), sprach Jürgen Overkott über TV-Krimis und über die Polizei-Realität.

Wenn Sie als Polizeibeamter „Tatort“ sehen, wenden Sie sich da oft mit Grausen ab?

Marcel Dilling: Mit Grausen nicht. Ein „Tatort“-Abend ist nichts Schlechtes, mit Freunden zusammen, bei einer Flasche Wein oder einem Glas Bier. Das macht Spaß. Fernsehen ist da, um zu unterhalten und nicht um die Realität 1:1 abzubilden.

Und unter polizeilichen Gesichtspunkten?

Marcel Dilling: Da muss ich ab und an verschämt zur Seite gucken.

TatortDietmar Boronowski: Manchmal entspricht ein „Tatort“ nur zu fünf Prozent der Realität.

Was sind die schlimmsten Fehler?

Marcel Dilling: Nehmen wir eine grundsätzliche Frage: Ein Kollege von uns würde niemals alkoholisiert zu Ermittlungen fahren.

An wen denken Sie?

Marcel Dilling: Wenn ich an den Dortmunder Kommissar Faber (Jörg Hartmann, Red.) denke, würde ich sagen: Der wäre bei uns gar nicht in die Mordkommission gekommen.

Dietmar Boronowski: Völlig abwegig ist auch ein Kommissar wie Til Schweiger, der schießend mit der Panzerfaust durch die Gegend läuft. Großer Unterhaltungswert à la Bruce Willis: Aber das hat überhaupt nichts mit der Realität zu tun.

Und Schimanski?

Dietmar Boronowski: Das geht gar nicht, dass ein Ermittler nach einer Kneipenschlägerei besoffen mit Dienstwaffe in der Gosse gefunden würde. Das habe ich in 35 Dienstjahren nicht erlebt.

Was würde mit so einem Beamten passieren?

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Marcel Dilling: Er dürfte sich auf ein Strafverfahren einstellen – und es würde sehr schnell in Richtung Entfernung aus dem Dienst gehen.

Am Tatort selbst tauchen oft Menschen in weißen Ganzkörperkondomen auf, die Schildchen aufstellen und Spuren sichern.

Marcel Dilling: Bei Kapitalverbrechen ist das so. Da werden sehr, sehr hohe Ansprüche an die Kollegen gestellt, damit keine Spuren vernichtet werden.

In diesem Punkt hat sich der „Tatort“ der Realität angenähert.

Marcel Dilling: Klar, das kann man ja optisch auch gut darstellen.

Und die Gerichtsmedizin?

Dietmar Boronowski: Im „Tatort“ sagen die Mediziner wie Boerne aus Münster immer zeitnah, wann der Todeszeitpunkt war und was die Todesursache. In der Realität dauert das alles viel länger. Wir müssen in Dortmund erst mal nachfragen, wann ein Obduktionstermin frei ist.

Was sagen Sie zu den Verhörmethoden?

Marcel Dilling: Sicher werden Alibis überprüft, aber wir würden niemals einem Verdächtigen mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchten. Es wird niemand unter Druck gesetzt, mit dubiosen psychologischen Methoden bearbeitet und schon gar nicht gefoltert. Das findet bei uns so statt, wie es in einem Rechtsstaat sein sollte.

„Tatort“-Kommissare sind nicht selten als einsamer Wolf unterwegs. Stimmt das?

Marcel Dilling: Kein Kollege würde einfach so ganz allein zu einem Verdächtigen fahren, schon gar nicht aus einer Kneipe heraus. Das wird vorbereitet, von mehreren Kollegen.

Dietmar Boronowski: Gibt es mehrere Zeugen, werden die Vernehmungen auf mehrere Kollegen aufgeteilt. Anschlussermittlungen werden schon mal als Klinkenputzen bezeichnet. Und der Kommissionsleiter hält Kontakt zur Staatsanwaltschaft. Deshalb ist Schriftverkehr ganz wichtig. Aber der findet im „Tatort“ gar nicht statt. Bei einem Kapitaldelikt beispielsweise arbeiten wir immer mit den Hagenern zusammen, oder wenn es um einen Fall in Menden oder Balve geht, mit den Arnsbergern. Wir arbeiten zu. Und das bedeutet Schreibkram. Stellen Sie das mal im Fernsehen dar: langweilig.

In Münster und in Stuttgart gibt es im „Tatort“-Ensemble eine Staatsanwältin.

Dietmar Boronowski: Bei dem „Tatort“-Team in Köln oder bei den Münchnern Batic und Leitmayr gibt es das nicht. Bei denen fehlt meistens die Staatsanwaltschaft. Dabei ist sie ganz wichtig bei Mord-Ermittlungen; sie leitet das Verfahren. Natürlich spricht sich die Staatsanwaltschaft mit der Polizei ab.

Mal weg vom Fernsehen – zu Ihnen: Wie gut sind Sie im Täter-Raten?

Marcel Dilling: Ich nicht so gut.

Boronowski: Ich auch nicht.

Marcel Dilling: Meine Frau ist da viel besser als ich.