FDP-Fraktionschef Stefan Weige will in Menden Bürgermeister werden. WP-Redakteur Arne Poll bittet den 53-Jährigen zum Interview vors Parkhaus.

Wenn man die Mendener Straßenränder entlangschaut, haben Sie die Plakathoheit. Muss man sich Sorgen um den Kontostand der FDP machen?

Das sind gar nicht so viele Plakate. Das sind 300 Stück an 150 Standorten.

So viele Plakate hängt doch eigentlich nur jemand auf, der sich echte Chancen ausrechnet...

Ich gehe doch nicht in einen Bürgermeisterwahlkampf, wenn ich nicht gewinnen wollte.

Gerade kleine Parteien nutzen solche Personenwahlkämpfe, um Mitreden zu können.

Es ist eine Personenwahl. Von daher geht es nicht um große oder kleine Parteien, sondern um Personen.

Stefan Weige
Stefan Weige © Joshua Kipper


Es wäre ja möglich gewesen, gemeinsam mit der CDU einen gemeinsamen starken Kandidaten durchzubringen...

Das hätte man machen können, aber ich habe ja auch in meinem Vorwort geschrieben, was ich nicht möchte. Ich glaube in einem Satz ist hinreichend beschrieben, warum wir einen eigenen Kandidaten aufgestellt haben: Was ich nicht will, ist das, was vor 2009 passiert ist. Nämlich nichts. Was ich nicht will, ist das, was seit 2009 passiert ist. Nämlich das mehr oder weniger ungeordnete Chaos. Insofern gab es gar keine Alternative, als dass wir mit mir selbst einen Kandidaten aufstellen. Ich habe seit 2009 massiv an Veränderungen gearbeitet. Ich habe mir manche blaue Augen eingefangen, aber ich habe das konsequent durchgezogen und bin dann Anfang des Jahres so oft gefragt worden, ob ich nicht selbst antreten will, dass ich mich nach wirklich langer Überlegung dafür entschieden habe. Ich habe mir mehr als ein Vierteljahr Zeit gelassen und das auch mit der Familie besprochen. Man kann nicht vorher kritisieren, wenn man nicht anschließend bereit ist, das auch selbst in die Hand zu nehmen.

Haben Sie es nicht schon bereut, angetreten zu sein?

Ich habe natürlich nicht so die Zeit wie der jetzige Bürgermeister, dass ich während der normalen Arbeitszeit Wahlkampf machen kann. Natürlich ist Wahlkampf auch anstrengend, aber ich denke schon, dass sich das lohnen wird. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es gerne ganz. Da ich gesagt habe, dass ich kandidiere, will ich auch gewinnen.

Wie sieht Ihr erster Arbeitstag aus, wenn Sie es tatsächlich schaffen sollten?

Ich komme auf das Thema Verwaltung zu sprechen. Vielleicht kann man es daran mal klarmachen: Ich fand sehr bemerkenswert, was Volker Fleige bei der Podiumsdiskussion in Richtung von Martin Wächter und in meine Richtung gesagt hat, als es darum ging, ob sich jemand zutraut, eine Verwaltung zu führen. Wenn ich einen Ansatz hätte, eine Verwaltung in dem antiquierten Stil zu führen wie es mir immer wieder widerfährt, dann mag es stimmen, dass man dafür eine Ausbildung als Verwaltungsfachmann haben muss. Aber Verwaltungist für mich ein Dienstleistungsunternehmen. Deshalb gilt es auch, das Rathaus wie ein Dienstleistungsunternehmen zu führen. Da sind wir gar nicht so weit weg, von dem was ich sonst auch mache. Wir müssen wegkommen von dem preußisch stoischen Verwaltungsumgang mit Bürgern. Wir brauchen einen dienstleistungsorientierten Umgang mit Bürgern.

Mit diesem Ansatz wirbt auch Volker Fleige...

Es geht nicht darum, eine Verwaltung zu verwalten. Es geht darum eine gewisse Dynamik in die Verwaltung zu bringen und sie zu einem Dienstleistungsunternehmen weiterzuentwickeln. Eine Verwaltung muss grundsätzlich einer Philosophie folgen. Das sehe ich aber nicht, wenn man nur aus diesem Verwaltungsgedanken heraus arbeitet. Vielfach werden Bürgerwünsche daraufhin überprüft, warum es nicht funktioniert, sie umzusetzen. Der Dienstleistungsansatz ist, dass ich schauen muss, was ich unternehmen kann, um Bürgeranträge umzusetzen – und nicht das Gegenteil.

Stefan Weige.
Stefan Weige. © Joshua Kipper

Für viele Bürger sind Sie trotzdem ein Buhmann. O-Ton: Der will doch immer nur alles streichen...

Der will gar nicht streichen! Ich werde natürlich von einigen als Buhmann wahrgenommen. Wenn sich anschaut, bei welchen Themen das ist, dann ist es bei den Themen, bei denen ich Dinge anspreche, die manchen über Jahrzehnte unliebsam waren. Dass das dann dem einen oder anderen nicht passt, ist mir völlig klar. Aber das hindert mich nicht daran, auch weiterhin unliebsame Dinge anzusprechen. Von daher ist Buhmann vielleicht das falsche Wort. Vielleicht treffe ich desöfteren mal genau das Wespennest, das ich nicht treffen sollte, damit es weiterhin in ruhiger Gelassenheit so weitergeht wie es bisher war.

Ganz konkret: Was unterscheidet Sie denn von Volker Fleige im Amt als Bürgermeister?

Ganz konkret unterscheidet mich der Umgang mit Menschen. Ich sehe, dass es wichtig ist, mit allen Bürgern als Menschen umzugehen. Ich möchte einfach näher am Bürger sein. Im ganzen Bereich Kinder, Jugend und Familie bin ich ganz sicher näher am Bürger und der Realität. Es ist schon ein Unterschied, ob sie über Kinder und Familie reden, oder ob sie zu Hause Töchter haben, eine Familie und ein Enkelkind haben und seit 28 Jahren verheiratet sind. Wenn man die ganzen Höhen und Tiefen bei Kindern und Familie selbst erleben kann. Ich glaube, dass es da einen ganz gravierenden Unterschied gibt. Das ist ein ganz anderer Zugang zum Themen, die viele Mendener beschäftigen.

Wenn Sie Bürgermeister wären, hätten Sie wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit für die eigene Familie?

Ich bin zumindest deutlich näher an der Familie als ich das sonst bin. Ich bin und war in den vergangenen Jahren immer sehr viel unterwegs. Ich war sehr lange in den USA. Ich war sehr lange in Asien, in Indien. Ich habe jetzt Projekte in eigentlich ganz Deutschland und auch im Ausland. Wenn man jetzt sagt, dass man zu hundert Prozent für die Stadt Menden da ist, weiß ich gar nicht, ob sich für die Familie überhaupt so viel ändern würde. Ich lege sehr großen Wert auf die Familie. Ich bin nun einmal ein Familienmensch.

Was sagt die Familie zur Kandidatur?

Die hat das untersützt. So wie sie eigentlich alles unterstützt, was ich mache. Meine Frau geht diesen Weg mit.

Wenn es nicht klappt mit der Wahl, machen Sie weiter Politik im Stadtrat?

Wenn es nicht klappt, geht es genauso weiter wie bisher auch. Ich werde meine Arbeit als Fraktionsvorsitzender machen und sie auch weiter sehr ernst nehmen, unterstützt von einem sehr guten Team in der FDP. Da gibt es überhaupt keinen Grund den Kopf in den Sand zu stecken. ich werde mit der gleichen Intensität weitermachen.

Gibt’s einen größten Gegner unter Ihren Konkurrenten?

Gegner ist das falsche Wort. Mitbewerber ist besser. wenn man im Wettbewerb ist, sind alle Mitbewerber – oder alle Mitbewerber Gegner.

Welchem Mitbewerber trauen Sie das beste Ergebnis zu?

Ich weiß gar nicht, ob wir jetzt über Mitbewerber reden müssen. Wenn ich sage, dass ich allen alles zutraue, wäre das falsch. Ich habe Respekt davor, dass Tete Maßling seine Unterschriften gesammelt hat. Das finde ich richtig gut. Ich habe auch Respekt davor, dass Bruno Homberg angetreten ist. Aber ich glaube, dass auf den Podiumsdiskussionen zu spüren war, dass beiden sehr viel an Wissen fehlt. Das sind Dinge, mit denen ich in den vergangenen Jahren ständig konfrontiert war.

Achtet der gemeine Wähler so sehr auf das Fachwissen. Zählt da nicht vielmehr die Persönlichkeit?

Das kann ich nicht beurteilen. Es wird mit Sicherheit Wähler geben, die sehr stark auf das Wissen achten, allerdings dann auch auf Wissen aus ihren Bereichen. Der Unternehmer wird natürlich mehr auf seinen Bereich zielen. Der Immobilienbesitzer wird irgendwo sein Segment finden. Der Sportverein wird abfragen, wo der Kandidat sein Wissen hat. Die grundsätzlichen Abläufe sind schon bekannt, bei Martin Wächter und Volker Fleige ohnehin.

Bernd Maßling zum Beispiel hat bei der Diskussionsrunde auch ohne diese Erfahrung viel Applaus bekommen.

Das mag alles sein. In der Situation ist das keine Frage. Wir haben aber in Menden sehr ernste Probleme. Da geht es nicht mehr um Comedy und den Lacher für den einen Moment, sondern um grundsätzliche Lösungen, Lösungswege für die Probleme und vor allem Zielvorstellungen für Menden.

Eines dieser Probleme befindet sich unmittelbar hinter uns. Nach außen wirkt es, als hätten Sie als einer der wenigen beim Nordwallcenter etwas kritischer hingeschaut. Schreiben Sie sich das als Erfolg auf die Fahnen?

Es geht doch nicht darum, im Einzelfall zu punkten. Es geht darum, eine Zielvorstellung zu verfolgen. Wenn diese von der Meinung der anderen abweicht, ist das im Einzelfall auch so, dass man mal für einen Moment alleine dasteht. In vielen Fällen, in denen ich alleine dastand, bin ich in den Folgejahren bestätigt worden. Wenn wir über das Thema Haushalt sprechen, ist nicht ein Punkt, von dem, was ich 2010 gesagt habe, widerlegt worden. Es ist alles bestätigt worden. Manchmal ist einfach nur die Verpackung anders.

Und das Parkhaus?

Hinter uns das Parkhaus ist im Grunde genommen genau das Bild, das Menden beschreibt. Diese Brache, die wir jetzt hier haben. Es ist nicht instand gehalten worden. Seit 2010 haben wir jetzt eine Brache liegen. Auch daran wird nichts gemacht. Das ist ein Schandfleck. Stattdessen hat man eine Fassadenrenovierung in der Innenstadt betrieben. Das erinnert mich an diese Wester-Geisterstädte. Da gibt es eine wunderbare Fassade. Wenn man dahintertritt, ist da aber nichts mehr. Wenn Sie die Abstimmung gegen die Fristverlängerung für die ITG meinen, halte ich unsere Entscheidung weiter für richtig. Sehen Sie sich mal die Hochstraße oder die Kirchstraße. Das sind Schmuddelecken geworden. Alle beklagen fehlenden Parkraum. Die wesentlichen Dinge sind nicht gemacht worden. Es fließt aber Wasser durch die Innenstadt. Das ist schön. Aber ich muss doch erst einmal in die Grundbedürfnisse befriedigen.

Stefan Weige.
Stefan Weige. © Joshua Kipper


Würden Sie als Bürgermeister beim Bau des Nordwallcenters eine andere Linie vorgeben?

Ich würde viel mehr darauf drängen, dass es hier zu einer schnellen Lösung kommt. Das ist der Haupt-Dreh-und-Angelpunkt für eine Umkehr in der Innenstadt. Diese Entwicklung muss umgekehrt werden. Auch die Kommunikation mit den Akteuren in der Innenstadt ist abgebrochen. Ich muss natürlich auch sehen, dass ich mit der ITG als Investor die Kommunikation intensiviere. Die Anwohnerbeschwerden sind als Argument für die Bauverzögerung genommen worden. Der Bürgermeister hat es nicht verstanden, zwischen diesen Parteien zu moderieren. Er hat nur die ITG-Seite gehabt und die Bedarfe der Bürger weggeputzt.

Alle Gegenkandidaten kritisieren Volker Fleiges Stil.

Man muss sich mal auf der Zunge zergehen lassen, was unter Volker Fleige passiert ist. Die erste Geschichte war, dass er während des Neujahrsempfangs 2010 sämtliche Handwerker gegen sich aufgebracht hat. Dann hat er den IMW und die Immobilienbesitzer gegen sich aufgebracht. Er hat sie beschimpft. Dann bringt er die Sportvereine, die Bürger und die Ratsmitglieder gegen sie auf, weil er auch die beschimpft. In meinem Fall muss ich wohl kein Beispiel nennen. Ich werde heute in Bayern noch darauf angesprochen. Der Bürgermeister hat Menden im ganzen Umfeld isoliert. Er muss diese Gruppen an einen Tisch bringen, zusammenbringen und nicht gegen sich aufbringen. Auf meinen Wahlplakaten steht „familiär“ und „offen“. Dazu gehört, dass man keine Mauern aufbaut.

Für Martin Wächter wäre die Wahl im Sack, wenn er einfach nur die CDU-Wähler der vergangenen Stadtratswahl für sich gewinnt. Bei Ihnen dürfte es mit den FDP-Wählern kaum reichen...

Der Gedanke, der darauf basiert, dass diese Wahl alleine auf Parteienzugehörigkeit oder -affinität beruht, stimmt nur zu einem ganz kleinen Teil. Ich glaube, dass das bei dieser Bürgermeisterwahl nicht gilt. Als kleinere Partei ist es natürlich schwieriger die Inhalte zu den Wählern zu transportieren. Die Anzahl der Briefwähler und die Resonanz, die ich bekommen habe, zeigen, dass deutlich Interesse da ist.

Warum steht eigentlich die FDP so klein auf ihrem Wahlplakat. Ist Ihnen die Partei peinlich?

Nein, das ist gar nicht peinlich. Wir wollten genau zum Ausdruck bringen, dass es sich um eine Personenwahl handelt. Wenn ich eine Kommunalwahl habe, wir die FDP groß abgebildet. Bei dieser Personenwahl ist die FDP kleiner. Außerdem dürften alle, die mich in Menden kennen, mit der FDP verbinden.