SPD-Kandidat und Amtsinhaber Volker Fleige will in Menden Bürgermeister bleiben. WP-Redakteur Arne Poll bittet den 58-Jährigen ins Trauzimmer.
Sie haben schon oft auf der anderen Seite dieses Schreibtisches gesessen und Mendener verheiratet. Ein schönes Gefühl?
Es ist aufregend. Es macht Spaß. Vor Ihnen sitzen in der Regel Menschen, die ganz aufgeregt sind. Ich gestalte meine Hochzeiten oder Verpartnerungen imer sehr locker. Bei mir ist immer sehr viel los. Es ist ein ganzer Raum voller Freude, voller Spaß, voller Emotionen.
Etwa eine Woche noch bis zur Wahl. Welche Überraschungen haben Sie noch parat?
Überraschungen kann ich nicht verraten. Sonst wären es ja keine Überraschungen mehr. Es geht im Augenblick noch alles seinen normalen Gang, den Sie auch bisher von mir kennen. Das heißt: Wir machen unsere Stände weiter. Auch meine „Volker on Tour“ mit Traktor und Anhänger in die Stadtteile geht weiter. Das ist im Wesentlichen das, was noch läuft. Ich muss immer alles auch mit meinem Amt zusammenbekommen. Deshalb bin ich auch ehrlich gesagt froh, wenn es vorbei ist, weil ich das Gefühl habe, mir bei der Vielzahl von Terminen manchmal schon selbst zu begegnen. Als Bürgermeister habe ich ohnehin eine Vielzahl von Terminen.
Würden Sie den Wahlkampf noch einmal genauso angehen? Kandidat Bernd Maßling hat gesagt: Ich will nicht 24 Stunden am Tag aktiv sein.
Sie können gar nicht 24 Stunden am Tag aktiv sein. Ich habe einen Beruf, den ich zu erledigen habe. Er soll möglichst wenig darunter leiden. Man muss offen sagen: Natürlich leidet er in diesen Zeiten darunter, weil natürlich sehr viel Energie für andere Dinge draufgeht. Dazu mache ich Wahlkampf. Und ich habe auch meine privaten Pflichten.
Bei Facebook sehe ich, dass Volker Fleige auch um 1.23 Uhr noch Kommentare abgibt. Muss man da nicht mal auf die Bremse treten?
Wissen Sie, es ist ein überschaubarer Zeitraum. Da ich schon den Wunsch habe, die Aufgabe, die ich mir vor sechs Jahren vorgenommen habe, auch weiterzuführen, ist mir im Augenblick kein Weg zu weit und keine Aufgabe zu schwierig. Das ist mir schon ein wichtiges Anliegen. Dass man sich zwischendurch auch mal Freiräume nimmt, ist aber auch selbstverständlich.
Als Sie vor sechs Jahren Bürgermeister wurden, hatte niemand mit Ihnen gerechnet...
Ja, es war schon eine Überraschung. Man muss betonen, dass es vor allem in der Deutlichkeit eine Überraschung war.
Selbst nach der Wahl behaupteten einige Mendener, dass sie nach Ihrer ersten Amtszeit keine Chance mehr gegen einen vernünftigen CDU-Kandidaten hätten. Nach der Umfrage im WP-Bürgerbarometer liegen Sie zumindest nicht abgeschlagen hinten.
Als ich 2009 in den Wahlkampf gezogen bin, konnte ich nicht anders in den Wahlkampf ziehen, als zu sagen, dass ich das schaffe. Also hat mich die Höhe des Wahlsieges 2009 überrascht. Von meiner Eigenmotivation her war das nicht so überraschend. Ich könnte nicht in einen Wahlkampf ziehen und wissen, dass ich null Chancen habe. Natürlich kann man über alles aus den sechs Jahren trefflich streiten. Aber die sechs Jahre waren für Menden keine schlechten Jahre, wenn ich alles mal Revue passieren lasse. Ich glaube, dass auch der Haupt-Gegenkandidat weiß, dass der jetzige Bürgermeister eine sehr ernstzunehmende Chance hat. Das stellt klar, dass ich in den letzten sechs Jahren einiges verändert habe, was auch dringend notwendig war. es ist anerkannt, dass die Mehrheitsfraktion mit dem amtierenden Bürgermeister, sowohl was die Leitung der Verwaltung angeht, als auch, was die Umsetzung der Beschlüsse angeht und auch was die Vorschläge angeht, so schlecht nicht gefahren ist. Von daher könnte ich mir sogar vorstellen, dass sogar der eine oder andere in der CDU darüber nachdenkt, ob das nicht für alle eine ganz gute Lösung war.
Profitieren Sie davon, dass die Bürgermeisterwahl von der Ratswahl getrennt ist? Die CDU hatte bei der Ratswahl 48 Prozent. Sie können ja nicht nur SPD-Wähler ansprechen.
Ja, natürlich. Lassen Sie mich ausholen: Niemand ist von Geburt an Bürgermeister. Auch ich nicht. In meinem ganzen Habitus und meinem ganzen Umgang habe auch ich zwei Jahre gebraucht, um mich zu finden. Das haben mir einige nicht zugebilligt. Sie billigen es mir bis heute nicht zu. Ich halte es für normal, dass man zwei Jahre braucht, um in einer solchen Aufgabe anzukommen. Dann lasse ich mal die letzten sechs Jahre Revue passieren. Ich sage Ihnen: Eines hat mir wirklich niemand vorgeworfen – und zwar dass ich in irgendeiner Art und Weise parteilich oder parteiisch gewesen bin. Sondern ich habe diese Aufgabe nach bestem Wissen oder Gewissen erfüllt. So wie es die Eidesformel vorsieht. Ich habe mit fast allen Fraktionen zusammengearbeitet. Machen wir mal den Summenstrich drunter: Wenn Sie sich das angucken ist auch etwas dabei herausgekommen.
Bekommen Sie da nicht Kritik aus ihrer Partei, wenn Sie so überpartelich sind? Sie sind ja auf dem SPD-Ticket ins Amt gekommen.
Ich habe, als ich 2009 kandidiert habe, klargemacht: Wenn ich Bürgermeister werde, bin ich Bürgermeister und niemand anderes. Ich glaube auch nicht, dass es einer Kommune wie auf Land- und Bundesebene gut tut, wenn sie in parteipolitischen Kategorien denkt. Sie werden es mir nicht glauben: Aber das hat mir die SPD bisher wirklich nicht zum Vorwurf gemacht. Das zeigt auch ein bisschen die Größe der SPD in Menden. Ich lasse mir von keiner Partei ‘reinreden. Wir haben Beschlüsse und reden miteinander. Ich bin kein Kind von Traurigkeit, wenn es darum geht, miteinander zu zanken. Das kann ich gut. Wenn aber etwas entschieden ist, dann wird es auch gemacht und ich setze das auch um. So habe ich meine Aufgabe verstanden. Ich glaube, das war nicht die schlechteste Art.
Als wir nach der Ratswahl 2014 zusammengesessen haben, wollten Sie einen anderen Stil im Stadtrat. Jetzt werfen die anderen Kandidaten ausgerechnet Ihnen übergreifend schlechten Stil vor. O-Ton: Der kennt nur Freund oder Feind...
Hatten Sie in der Zeit, in der Sie hier arbeiten, das Gefühl, dass ich mit irgendjemandem nicht gesprochen habe? Ich habe nur sehr klare Positionen, die ich auch vertrete. Ich suche mir nicht die Positionen, die jemand hören will. Das ist nicht mein Ding.
Die Vorwürfe stehen im Raum.
Ich habe vielleicht in den ersten zwei Jahren mein Amt vielleicht sehr robust aufgenommen, robuster als ich es heute ausübe. Nach zwei Jahren des Nachdenkens, des Redens, habe ich festgestellt, dass ich ein paar Dinge anders machen muss. Diese Dinge habe ich auch anders gemacht. In den letzten vier Jahren habe ich mit allen gesprochen. Aber erster Ansprechpartner ist immer die Politik; hier werden die Entscheidungen gefällt. Dann lege ich großen Wert darauf, alle gleich zu behandeln. Es gibt keine Bürger erster oder zweiter Klasse. Und ich liebe es klar, direkt und deutlich: Es ist nicht immer angenehm, wenn man mit mir spricht. Da gibt’s ein paar Ecken und Kanten. Das will ich nicht bestreiten.
Gehen Sie nicht manchmal zu weit und zerschlagen Porzellan?
Gegenfrage: Können Sie das konkretisieren?
Zum Beispiel nach der Einigung mit den Nachbarn des Nordwallcenters vor Gericht. Da haben Sie nach dem Friedensschluss auf der Facebookseite der Stadt triumphiert. Muss man als Bürgermeister nicht mehr Moderator sein?
Ob ich triumphiert habe, dürfte eine Frage der Wahrnehmung sein. Allenfalls habe ich Genugtuung über die Beendigung gerichtlicher Streitigkeiten geäußert. Ich habe Positionen und ich kämpfe für Dinge und ich muss nicht Everybody’s Darling sein. Man kann das auch gar nicht sein. Wenn ich zurückblicke, hat unter anderem diese Klage dazu geführt, dass wir beim Nordwall um zwei Jahre zurückgeworfen worden sind. Ich finde, dann darf auch ein Bürgermeister für die Stadt seinen Unmut darüber ausdrücken, dass eine wichtige Zukunftsentwicklung ausgebremst wird. Ich habe die Interessen der Stadt Menden zu vertreten. Das tue ich mit allem Nachdruck und Engagement. Ich als Bürgermeister bin nicht automatisch neutral. Wenn Sie die letzten vier Jahre mal nachverfolgen, werden Sie feststellen, dass Volker Fleige anders gearbeitet hat.
Anders als Ihr Vorgänger?
Nein, anders als ich in den ersten beiden Jahren. Da war ich zu robust, weil ich aus Entscheidungsprozessen kam, die nicht so abliefen wie im Bürgermeisteramt. Dass ich sicherlich jemand bin, der schnell entscheidet und auch in einer bestimmten Situation eine klare Vorgabe macht, habe ich früher so gehalten und mache ich auch heute noch so. Ich mache das sicher nicht mehr so im Licht der Öffentlichkeit.
Sind sie eitel?
Ja, klar.
Haben Sie einen Plan B, falls es nicht klappen sollte?
Nein. Ich habe keinen Plan B, weil ich das mit Feuereifer gemacht. Ich denke jetzt nicht darüber nach: Was könnte sein, wenn... Ich hätte gar nicht mehr antreten müssen. Ich habe meine Pension durch, durch meine ganze Berufslaufbahn. Ich trete an, weil es mir ein Bedürfnis ist und weil ich gerne alles fortführen möchte. Mein Leben ist bisher nicht so verlaufen, dass ich davon ausgehe, Langeweile zu haben, wenn ich tatsächlich nicht mehr Bürgermeister der Stadt Menden bin. Ich kann Ihnen versichern, ich habe so viele Interessen, so viele Dinge, die ich gut finde. Dafür hätte ich endlich Zeit. Ich bin zum Beispiel in eine Kommission zur Überarbeitung der Kommunalverfassung berufen worden. Das interessiert mich brennend.
Würden Sie sich später mal in den Stadtrat wählen lassen?
Nein. Wenn ein Bürgermeister seine Aufgabe erfüllt hat, also nicht wiedergewählt wird oder zurücktritt, dann braucht man ihn nicht mehr. Dann sollte er auch nicht den Eindruck erwecken, als müsste er überall noch ein bisschen herumrühren. Dann ist seine Aufgabe in der Stadt erledigt. Dann werde ich in Menden nicht mehr in Erscheinung treten. Ich rechne das Rudi Düppe hoch an. Ich würde es genauso halten, vielleicht noch konsequenter.
Man kann Ihnen das kaum glauben. Sie gelten als Mensch mit Feuereifer.
Wissen Sie, das ist eine klare Aussage, mit der ich in die Wahl gehe. Ich werbe darum, dass mir der Wähler noch einmal fünf Jahre das Vertrauen schenkt. Tut sie es nicht, hat die Bevölkerung klargemacht, dass sie einen anderen Weg möchte. Das habe ich zu akzeptieren. Da bin ich ein guter Demokrat. Ich fange nicht an, Leserbriefe zu schreiben.
Vielleicht werden Sie Bürgermeister in einer anderen Stadt. In Hemer könnte was frei werden.
Um Gottes Willen!
Ihr Gegenkandidat Stefan Weige wirbt mit seiner Familie und sieht das als Vorteil gegenüber Ihnen?
Ein Bürgermeister hat sich in Themenbereiche hineinzuarbeiten. Das tue ich. Solche Aussagen sind einfach Quatsch. Natürlich habe ich die entsprechenden Kontakte, um in dieser Stadt zu leben. Ich glaube sehr gut beurteilen zu können, was in dieser Stadt passiert, wie die Menschen ticken. Ich führe sehr viele Gespräche. Ich glaube, ich kann die Probleme dieser Stadt gut beurteilen, im privaten wie im professionellen Bereich. Auch wenn ich kein Gewese darum mache. Ich bin doch auch der Bürgermeister hier. Ich käme auch nicht auf die Idee, mich der Optik halber mit irgendwelchen Familienmitgliedern ablichten zu lassen. So etwas mache ich nicht.
Ihr Vater macht sogar bei Facebook ein wenig Wahlkampf für Sie.
Ja, er ist bei Facebook. Ich habe ihm einen Account eingerichtet. Er ist 88 Jahre und da sehr aktiv. Er freut sich und liest viel mit. Ich habe ihm vor zwei Jahren einen Laptop geschenkt. Es ist natürlich für ihn eine Möglichkeit, zu seinem Sohn Kontakt zu halten. Er bekommt viel mit, zum Beispiel was über seinen Sohn geschrieben wird.
Schlägt er nicht manchmal die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er liest, was über Sie geschrieben wird? Diese Generation ist ja meist nicht ganz so mit dem Umgangston bei Facebook vertraut.
Klar. Aber mein Vater steht mit beiden Beinen im Leben. Er ist mit der Zeit gegangen. Es ist aber bei jedem so, dass immer die Familie mitleidet. Das Mitempfinden ist da. Der größte Teil ohnehin meines Privatlebens vollzieht sich außerhalb Mendens. Da bin ich nur der Volker. Da interessiert sich niemand für die Stadt Menden oder deren Bürgermeister. Das erdet ganz gut.
Ihr Wahlkampfteam ist auch nicht gerade zimperlich mit der Wortwahl.
Mein Wahlkampfteam besteht erstens nicht nur aus Parteigängern. Die Verhältnisse sind fifty-fifty. Da sind einige dabei, die mit der SPD gar nichts am Hut haben, sondern Volker Fleige unterstützen wollen. Zweitens: Nicht alles, was von Personen gesagt wird, trifft meine Zustimmung. Es ist doch ganz normal, dass man nicht mit allem konform geht und das inhaltlich so sieht. Auch in der Form halte ich das nicht immer für glücklich. Es ist aber nicht an mir, noch an allen ‘rumzuerziehen. Unter vier Augen bespricht man noch das eine oder andere.
Drücken Ihre Mitarbeiter im Rathaus die Daumen, dass der Chef bleibt?
Es wäre doch schlimm, wenn es anders wäre. Ich glaube, dass die Verwaltung in den letzten sechs Jahren eine andere geworden ist, dass wir uns viel mehr als Team begreifen. Sehen Sie mal in Ihren Archiven nach, was hier früher los war. Ich lege in meinem unmittelbaren Umfeld sehr viel wert auf Harmonie. Sie dürfen gerne meine Kollegen fragen und das veröffentlichen. Ich hätte da keine Befürchtungen. Wir arbeiten gut und vertrauensvoll zusammen.
Zurück zu diesem Ort hier. Planen Sie auch mal im Privatleben auf diesem Stuhl Platz zu nehmen und sich zu binden?
Nein, ich kann mir nicht vorstellen, mich mal zu verpartnern. Aber auch hier heißt es so hübsch: Man soll niemals nie sagen. Im Augenblick kann ich es mir nicht vorstellen, aber vielleicht ist in einem halben Jahr oder einem Jahr irgendetwas in einem persönlichen Leben passiert, dass man ganz andere Entscheidungen fällt. Das Leben ist voller Überraschungen.