Rockmusiker Tete alias Bernd Maßling will in Menden Bürgermeister werden. WP-Redakteur Arne Poll bittet den 59-Jährigen zum Interview auf die Wippe.
Die Wippe hängt klar zu Ihrer Seite. Ich vermute, dass ich Sie – mit Verlaub – als größtes Schwergewicht unter den Bürgermeisterkandidaten bezeichnen darf.
Bernd Maßling: Ich habe 120 Kilo. Aber damit bin ich nicht ganz alleine. Martin Wächter dürfte auch in diesem Bereich liegen.
Und inhaltlich?
Bernd Maßling: Durch meinen Lebenslauf habe ich politisches Schwergewicht genug, auch ohne Politiker zu sein. Ganz abgesehen davon, sehe ich das eigentlich auch eher als Vorteil. Mir missfällt schon lange, was nicht nur hier passiert, sondern auch in der ganzen Republik und im ganzen Europa. Die Parteien teilen sich alles auf und der Bürger hat nüscht zu sagen. Da musste ich dringend mal einen kleinen Kontrapunkt setzten. So ist das.
Die anderen Kandidaten stehen auch für eine Partei. Wo dürfen wir Sie überhaupt politisch verorten?
Bernd Maßling: Das könnt ihr vergessen. Parteibilder gibt es bei mir nicht. Ich enthalte mich parteipolitisch jeglicher Aussage, weil ich niemandem nahestehe und auch niemandem nahestehen will. Es ist einer meiner Hauptvorzüge, eben das nicht mitzumachen, was die machen. Ich bin an keine Weisungen gebungen, weder einer Bundes-, Kreis- oder Sonstirgendwas-Fraktion. Ich kann mich um das kümmern, worum man sich kümmern sollte.
Das wäre?
Bernd Maßling: Die Sorgen und Nöte der Bürger, ohne dass mir irgendeiner von oben draufsabbelt.
Um sich als Bürgermeister kümmern zu können, muss man erst einmal eine Wahl gewinnen...
Bernd Maßling: Richtig.
Wie wollen Sie das anstellen?
Bernd Maßling: Ich kämpfe für mich. Wenn ich zum Beispiel von den Grünen höre, dass Sie für Volker Fleige eine Empfehlung ausprechen, halte ich das für bedenklich – ganz abgesehen davon, dass ich es für falsch halte, Volker Fleige zum Bürgermeister zu wählen. Das kann auch für Volker sehr schnell nach hinten losgehen. Die Beliebtheitswerte der Grünen in NRW sind ja ohnehin nicht gerade auf dem aufsteigenden Ast.
Sie sind untereinander per Du?
Bernd Maßling: Natürlich, ich kenne ihn seit 30 Jahren. Da denke ich nicht dran, auf einmal „Herr Fleige“ zu sagen. Ich duze mich auch mit den anderen Kandidaten. Das haben wir irgendwann beim Kennenlernen mal so gemacht. Ich habe da überhaupt kein Problem mit. Es gibt Leute, die meinen, Autorität wäre nur durch Umgangsformen, respektive durch Siezen, herzustellen. Autorität hat man oder man hat sie nicht. Es spielt keine Rolle, ob man geduzt oder gesiezt wird.
Was unterscheidet Sie denn noch von den anderen Kandidaten? Mir fällt ja zuerst die Optik auf...
Bernd Maßling: Es ist meine absolute Unabhängigkeit. Den Rest müssen die Leute entscheiden. Es gibt viele Menschen, die mich kennen, weil ich hier geboren bin. Wer mich kennt, weiß dass ich eines bin – und zwar authentisch. Authentizität, ein geiles Wort, ist eine unabdingbare Angelegenheit. Deshalb habe ich mir auch kein Jackett gekauft und irgendwelche tollen Hosen. Neulich hat mir einer in der Fußgängerzone geraten, dass ich mir doch mal die Haare abschneiden und mich mal anständig rasieren soll. Das geht mit mir überhaupt nicht. Entweder die Leute nehmen mich so wie ich bin oder eben überhaupt nicht. Ich werde mich nicht ändern, ob ich die Wahl nun gewinne oder nicht.
Der Bart bleibt wirklich dran?
Bernd Maßling: Der Bart bleibt dran. Auf eine neutrale Weste könnte ich mich einlassen.
Wenn wir uns vorstellen, dass Sie die Wahl gewinnen, sitzen Sie so wie jetzt in der ersten Ratssitzung vorne?
Bernd Maßling: Wo ist da jetzt die Frage?
Wenn man sich das Politikgeschäft ansieht, läuft ja sehr viel über Äußerlichkeiten und Formalitäten...
Bernd Maßling: Ich werde das so machen, dass ich die Leute, die gerne geduzt werden möchten, geduzt werden. Und die, die gerne gesiezt werden möchten, werden gesiezt.
Wie sieht denn Ihr erster Arbeitstag als Bürgermeister aus?
Bernd Maßling: Da müssen Sie mal Volker fragen. Der hat das schon hinter sich. Ich denke, dass es genauso ist wie bei jedem anderen Job, den man macht. Es kann niemand von einem verlangen, dass man perfekt ist, wenn man anfängt. Einen Supermann wird diese Stadt hier nicht kriegen. Das ist auch in den meisten anderen Städten so, weil die Probleme so sehr drängen, dass es grundsätzlich kein Spaß ist, Bürgermeister zu sein. Durch die Zusammenlegung des Bürgermeisteramtes mit dem Stadtdirektor gibt es zwar mehr Geld dafür. Aber man sitzt notorisch zwischen den Stühlen. Das ist so wie hier auf der Schaukel, so eine richtige Schleudersitzklamotte.
Sie wären Chef von 730 Angestellten...
Bernd Maßling: 729.
Wie führt man solch ein großes Haus?
Bernd Maßling: Ganz einfach. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder zurück. Ich bin jederzeit in der Lage, mich den Leuten gegenüber anständig aufzuführen und mit ihnen zu reden. Wenn man vernünftig mit den Leuten redet, ist es in der Regel auch so, dass man eine vernünftige Antwort bekommt. Deshalb mache ich mir auch gar keinen großen Kopf darum. Ganz ehrlich: Das sind Sachen, die habe ich noch nicht alle gesehen. Wenn ich mir eine abschließende Meinung dazu bilden könnte, würde ich Bürgermeisterkandidatenberater werden.
Ich höre Kritik an Volker Fleige und seinem Stil heraus.
Bernd Maßling: Ich äußere mich zu anderen Kandidaten überhaupt nicht, weil ich keine persönlichen Ressentiments hier hereinbringen möchte. Das Verhältnis untereinander ist eigentlich gut. Nur mein Verhältnis zu Volker Fleige ist seit Jahren gestört. Da mache ich auch keinen Hehl draus. Seins zu mir wahrscheinlich auch, aber das ist mir gleichgültig. Es kann ja nicht passieren, dass ich mit ihm zusammenarbeiten müsste.
Vielleicht könnten Sie ihn später mal zum Dezernenten machen.
Bernd Maßling: Das schließe ich aus.
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, sich zu bewerben. Eine Bierlaune?
Bernd Maßling: Nein, das war absolut keine Bierlaune. Man wäre sehr schlecht beraten, so etwas aus einer Bierlaune heraus zu entscheiden. Ich habe vorher schon einmal überlegt, mich in den Stadtrat wählen zu lassen. Aber da hat man ja als Unparteilicher keine Chance. Man hat nur einen Sitz und die Altgedienten gegen sich. Davon abgesehen, ist es viel schwieriger, in den Stadtrat zu kommen als jetzt als Bürgermeisterkandidat anzutreten. Also fängt man oben an.
Wie?
Bernd Maßling: Von ganz oben darf ich nicht. Dafür müsste ich wohl zu viele Unterschriften sammeln. Also bin ich hier gelandet. Und hier ist es auch bitter nötig, mal einen Blick als Außenstehender auf das ganze politische Geschehen zu werfen. Wenn man zu lange in der Politik ist, ist das so ein Tunneldings.
Wie sieht Ihr Wahlkampf aus?
Bernd Maßling: Die ganzen Gespräche, die meine Mitbewerber noch führen müssen, habe ich bei der Unterschriftensammlung schon geführt. Was jetzt nicht heißt, dass ich keine Gespräche mehr führe. Wenn mich jemand anspricht, gehe ich darauf ein.
Das kostet Zeit.
Bernd Maßling: Mein Zeitplan ist etwas enger geworden. Aber die Leute sagen mir, dass es gut ist, dass mal ein anderer etwas macht. Ich mache keinen Wahlkampf mit Fähnchenverteilen. Das ist rausgeschmissenes Geld. So etwas halte ich für völlig sinnlos. Das habe ich schon ein paar Mal gesagt. Und ich sage es auch jedem, der es hören will oder nicht. Bei Wahlkämpfen, das zeigt die Erfahrung, wird den Leuten etwas versprochen und hinterher passiert das Gegenteil. Davon haben die Leute die Schnauze voll.
Halten Sie denn alles ein, was Sie versprechen?
Bernd Maßling: Ich verspreche ja nichts. Weil ich beispielsweise über den genauen Stand der Finanzen in unserer Stadt gar nicht im Bilde bin und auch gar nicht im Bilde sein kann, weil mir die Zahlen nicht vorliegen. Ich werde erst einmal einen Kassensturz machen, um zu gucken, was überhaupt hier läuft. Und dann werde ich mal sehen müssen – leider müssen – was überhaupt von den ganzen Projekten, die angedacht und vielleicht auch wünschenswert sind, überhaupt umzusetzen ist.
Wir sind beim Thema Finanzen angekommen...
Bernd Maßling: Wir schrappen finanziell immer kurz an der Haushaltssicherung vorbei. Ich würde das aber nicht so sehen wie Bruno Homberg, gar kein Geld mehr auszugeben. Kein Geld mehr auszugeben, ist Unsinn. Diese Sparen ist tödlich. Es verfällt alles noch mehr. Und es kommt überhaupt nichts mehr dabei ‘rum. Nur man muss genauabwägen, was noch machbar ist und was einfach Luxus ist. Gerade beim Neubau des Bürgerhauses scheinen viele Leute der Ansicht zu sein, dass Landesförderung bei den Projekten immer weiter ausgedehnt wird. Dem ist aber leider nicht so. Das heißt: Je höher die Kostensteigerung später ist, umso mehr müssen wir dazuschießen.
Das klingt so, als hätten Sie sich ja doch inhaltlich mit den Themen beschäftigt.
Bernd Maßling: Ja natürlich. Ich tue das mit meinen beschränkten Möglichkeiten. Es wäre ja fahrlässig, hier anders hineinzugehen. Ich weiß um die Probleme. Ich sehe einen guten Ansatz, die Menschen zu begfragen. So eine Sache wie die Umfrage zum Kreisel in Lendringsen ist prima. Aber man sollte auf so etwas nicht immer erst kurz vor den Wahlen kommen. Bei größeren Sachen sollte man das immer tun. Was spricht in Internetzeiten dagegen, mal die Bürger kurz zu fragen, was sie von Projekten halten. Es wird viel zu selten um die Ecke gedacht. Man muss nicht glauben, dass der Bürger sich dafür bedankt, dass wenn man ihm etwas oktroyiert. Vor allem, wenn es sein Geld kostet. Der Bürger braucht keine grüne Verbotspolitik, ob er jetzt Fleisch essen darf oder ein der Kneipe rauchen soll oder sonst irgendwas. Das hängt den Leuten zum Hals heraus – und zwar meilenweit.
Sie haben einen längeren Wahlkampf hinter sich. Haben Sie es schon bereut, anzutreten?
Bernd Maßling: Es gab Tage, an denen hatte ich es satt. Wenn man fünf Stunden mit jemandem diskutiert hat, dann kommt man nicht mehr weiter. Es muss auch irgendwann mal Schluss sein. Du kannst als Mensch – egal ob Bundeskanzler, Ministerpräsident oder Bürgermeister – nicht 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen. Das einfach nicht möglich. Das ist auch unmenschlich. Das heißt nicht, dass man als Bürgermeister um vier oder fünf Uhr nachmittags Feierabend macht. Da muss man schon flexibel sein, aber das muss man in anderen Jobs auch.
Sie haben ausreichend Erfahrung?
Bernd Maßling: Ich war 30 Jahre mit der Rock’n-Roll-Kapelle unterwegs. Wenn man da durchkommt, kommt man auch durch alles andere.
Apropos... Gibt ein Bürgermeister Tete Konzerte im Ratssaal?
Bernd Maßling: Ich mache solange keine Konzerte, bis die Leute freiwillig bereit sind, dafür Eintritt zu zahlen. Das habe ich auch öffentlich so angekündigt. Davon abgesehen, gilt der Prophet auch nichts im eigenen Lande. Das merkt man beim Mendener Sommer. Die heimischen Bands spielen vor ein paar Leutchen auf einer kleinen Bühne. Wenn die Auswärtigen kommen, ist es voll.
Da kommt die Polizei. Wahrscheinlich kriegen wir ein Strafmandat, weil wir verbotenerweise schaukeln.
Der jagt gerade nur Radfahrer. Schätzen Sie mal, wie viele Stimmen Sie bekommen...
Bernd Maßling: Das ist sehr schlecht zu schätzen. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen. Das sind nicht nur Protestwähler. Ich bin im wahrsten Sinne die Bürgerpartei.
Passant: Hast du eigentlich nichts Besseres zu tun?
Bernd Maßling: Nein. Ich sitze hier auf der Schaukel und stehe der Presse Rede und Antwort.
Passant: Du willst andere verschaukeln?
Den Wortwitz hatte ich mir fürs Ende aufgespart. Wir fallen wohl auf...
Bernd Maßling: Ich war immer schon ein bunter Hund in Menden. Ich kann damit leben, wenn mich die Leute angucken. Ich muss natürlich jetzt zu anderen Themen Rede und Antwort stehen als ich es früher musste. Aber die Verantwortung ist ja auch später größer.
Wie geht’s denn weiter, wenn es nicht klappen sollte, mit dem Wahlsieg.
Bernd Maßling: Die Welt bricht nicht zusammen. Mein Leben, geht auch weiter, wenn ich nicht Bürgermeister werde.
Bleiben Sie trotzdem politisch aktiv in Menden?
Bernd Maßling: Ich werde das verfolgen. Ich werde mich aber keinesfalls irgendeiner Partei anschließen. Ein Vereinsmeier bin ich ja eigentlich auch nicht, bis auf meinen Motorradclub früher. Der Starke ist am mächtigsten allein. Hat Friedrich Schiller gesagt.
Sie tragen ein Kreuz um den Hals. Hat das eine tiefere Bedeutung?
Bernd Maßling: Das trage ich weil ich Christenmensch bin. In der Schule kann man den Leuten befehlen, das als geistige Brandstiftung abzunehmen. Mir hingegen kann man das nicht befehlen.
Wie praktizieren Sie Ihren Glauben?
Bernd Maßling: Ich mache meinen Glauben mit meinem Gott alleine aus. Ich bin zwar noch in der Kirche, aber ich habe mit der Organisation sonst nichts zu tun.
Wo verbringen Sie den Wahlabend?
Bernd Maßling: Das habe ich noch nicht genau überlegt. Es wird für mich sehr schwer, mich aufzuteilen. Ich müsste mich zwischen drei Unterstützergaststätten und dem Rathaus entscheiden. Ich muss wohl flexibel sein.
Was ist denn Ihr Wahlziel? Die Stichwahl?
Bernd Maßling: Die VHS hat mich gefragt, mit wie viel Prozent ich zufrieden wäre. Meine Antwort war: Natürlich mit 51 Prozent. Dann bin ich nämlich direkt Bürgermeister und muss keine Stichwahl mehr machen. Ob das realistisch ist, ist eine andere Sache. Diese Wahl ist sehr schwer einzuschätzen, weil sie nur personenbezogen ist.
Für mich gilt: Bunt ist nicht immer schlecht. Zumindest was die Aufmerksamkeit angeht. Es haben mich Leute auf der Straße angesprochen, die mich nach den Gegenkandidaten gefragt haben. Für viele Menschen waren nur ich und Volker als Kandidaten bekannt.
Ausgerechnet zwei von drei Kandidaten, die auf Wahlplakate verzichten.
Bernd Maßling: Das ist richtig. Ich werde noch eine Seite mit meinen Positionen ins Internet bringen. Das ist vom Zeitpunkt her noch ausreichend. Sonst haben die Leute das bis zur Wahl vergessen. Ich weiß, was Plakate kosten. So etwas kann ich mir gar nicht leisten. Außerdem weiß ich, wie angenervt ich bin, wenn kurz vor der Wahl die ganzen Köppe am Straßenrand auftauchen. Die gehen mir vier Wochen lang auf den Sack mit ihrem ganzen Dauergegrinse. Das bringt auch niemanden dazu, zur Wahl zu gehen. Eher im Gegenteil. Da ich viele Pressetermine habe, bekomme ich für mich zwar nicht zeit- aber zumindest kostenneutral Werbung.
Wir helfen gerne.
Bernd Maßling: Es steht ja sowieso nichts auf den Plakaten. Ich erinnere an Volkers Spruch mit Bettermann. Ich habe neulich schon dem WDR gesagt: Warum sollen die Leute „The Better Man“ wählen, wenn sie mit mir „The Best Man“ bekommen können?! Da darf sich Volker nicht beschweren. Man muss vorher mal überlegen, was man da von sich gibt. Etwas Training kann mir ja nicht schaden. Aber ist dir eigentlich klar, dass ich die ganze Zeit die Arbeit mache?
Ich fürchte, ich werde hier noch seekrank. Dieses Problem haben Sie als ehemaliger Yacht-Vermieter wahrscheinlich nicht.
Bernd Maßling: Das stimmt. Wobei Seefestigkeit in Menden nicht unabdingbar ist, um Bürgermeister zu werden. Es kann aber nicht schaden, seefest zu sein. Und es lehrt viel. Aus dem Kameradschaftschaftsgedanken kann man viel ziehen.