Menden. . Aufgeben war für diesen jungen Mann nie eine Option. Weder nach seinem Autounfall vor gut neun Jahren, nach dem ihm kaum Überlebenschancen eingeräumt worden waren, noch nach einem gesundheitlichen Rückschlag, den er vor einigen Monaten erlitt. Daniel Huckebrink ist eine Kämpfernatur. Jetzt hat der 26-Jährige seine zweijährige Berufliche Bildungsmaßnahme als Ausbildung in den Iserlohner Werkstätten abgeschlossen.

Daniel greift in einen der kleinen Plastikkästen, die vor ihm auf dem Tisch stehen und nimmt den metallenen Gegenstand in seine Hand. Dann greift er nach einem Plastiktütchen und schiebt den so genannten Luftsprudler – ein Teil, das in Dusch-Armaturen eingebaut wird – hinein. Gruppenleiterin Anette Klingborn kontrolliert anschließend das Tütchen samt Befüllung und verschließt es. „Das bekommt Daniel wegen seinen Augen nicht alleine hin“, erklärt Anette Klingborn. Denn seit seinem Unfall sieht Daniel nicht mehr gut.

„Tschaka, Du schaffst das“

Dass er manches alleine nicht schafft, wurmt Daniel. Deshalb wird er nicht müde zu beteuern: „Ich kann das. Ich schaffe nicht mehr alles, aber ich will alles schaffen.“ Neben seinem Arbeitsplatz hängt eine Postkarte mit dem Aufdruck „Tschaka, Du schaffst das“ – ein Mitbringsel von einer Mitarbeiterin der Iserlohner Werkstätten. Ein Plakat mit dem gleichen Spruch hängt in Daniels Zimmer zu Hause – Sinnbild für Daniels Lebenseinstellung, von der sich mancher Nicht-Gehandicapte eine Scheibe abschneiden könnte. Aufgeben gibt’s nicht. „Das ist auf der einen Seite sicher Daniels Persönlichkeit“, erklärt Markus Nielen, Abteilungsleiter BAPP (Bereich für intensive Arbeitsassistenz, -pädagogik und Pflege) in den Iserlohner Werkstätten. „Und auf der anderen Seite ist es das psychosoziale Umfeld.“ Das familiäre Umfeld mit liebevollen Eltern und die Rahmensituation in den Werkstätten stimmen.

„Dieser Scheiß-Unfall“, sagt Daniel zu den WP-Redakteurinnen. Dieser Auto-Unfall in der Nacht zu Rosenmontag 2006. Der damals 17-jährige Daniel saß auf der Rückbank eines Fahrzeugs, das bei einem schweren Unfall auf der Bismarckstraße völlig zerstört wurde. Der Fahrer starb noch am Unfallort, Daniel wurden kaum Überlebenschancen eingeräumt. Es folgten künstliches Koma, Wachkoma, lange Zeit in Kliniken und Reha-Einrichtungen. Aus Daniel, der gerade seine Ausbildung zum Speditionskaufmann begonnen hatte, wurde ein schwerst mehrfach behinderter junger Mann. „Das war richtig schlimm“, sagt Daniel. Aber schon verzieht sich sein Gesicht zu einem Lächeln: „Aber ich sitze hier noch. Zum Glück. Ich hätte auch sterben können.“

Im vergangenen Sommer erlitt Daniel einen Krampfanfall, der ihn gesundheitlich wieder zurückwarf. Seit dem schweren Unfall hat er eine gewisse Anfallsbereitschaft. Aber Daniel Lebenseinstellung war auch nach dem Krampfanfall klar: kämpfen, weitermachen, nie aufgeben. Noch ist Daniel aus Markus Nielens und Anette Klingborns Sicht nicht wieder ganz auf dem Stand wie vor dem schweren Anfall, aber auf einem sehr guten Weg.

Berufliche Bildungsmaßnahme

Nach zwei Jahren im BAPP hat Daniel nun zum 1. Juni seine Berufliche Bildungsmaßnahme abgeschlossen. In seinem Arbeitsumfeld ändert sich für ihn dadurch allerdings nicht viel, da die Berufliche Bildung integrativ in seinem zukünftigen Arbeitsbereich stattgefunden hat. Inhaltlich werden neben gezielten Fördereinheiten ab sofort Arbeitsangebote den Schwerpunkt seiner beruflichen Weiterentwicklung bilden. Er ist nun nicht mehr Teilnehmer der Beruflichen Bildungsmaßnahme, sondern arbeitet als Beschäftigter des Arbeitsbereiches BAPP. Außerdem ist der Leistungsträger nun ein anderer: Erst war die Arbeitsagentur Leistungsträger, nun ist es der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

Innerhalb der Iserlohner Werkstätten arbeitet Daniel nicht nur in seinem Gruppenraum, sondern macht auch Botengänge wie zur Wäscherei, holt Getränke und verteilt die Post. In der Regel wird er hierbei begleitet. Denn Daniels Kurzzeit-Gedächtnis spielt ihm bisweilen einen Streich, so dass er alleine den Weg nicht finden würde. Kleinere Gänge macht er auch selbstständig, und wenn er sich dabei mal innerhalb des Gebäudes verlaufen sollte, sucht er jemanden, den er fragen kann.

Verschiedene Therapieangebote

Neben der Arbeit nimmt Daniel in den Iserlohner Werkstätten verschiedene Therapieangebote wahr wie Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie, therapeutisches Reiten und Schwimmen. Im Lesezirkel, der zweimal wöchentlich stattfindet, trainiert er sein Gedächtnis. In seiner Freizeit tanzt er gerne und hört Musik von Rammstein. Daniel ist stolz, dass er seine Berufliche Bildungsmaßnahme nun beendet hat. Und welche Wünsche hat der junge Mann für die Zukunft? „Eigentlich keine“, sagt Daniel und strahlt die Reporterinnen wieder an. „Ich will alles wieder schaffen. Ich will einfach gesund werden.“