Menden. . Es klingt wie ein schlechter Scherz: Die Stadt Menden braucht noch 100 Jahre, um alle Anliegerstraßen auszubauen. Viele Anwohner warten schon seit Jahrzehnten.

Der Ausbau von Anliegerstraßen in der Stadt wird sich noch etwa 100 Jahre hinziehen, wenn sich am aktuell vorgegebenen Tempo nichts ändert. Derzeit warten noch Anwohner an knapp 200 Mendener Straßen auf den Endausbau der Baustraßen vor ihrer Haustür. Die Stadt geht im Moment im Schnitt zwei Straßen im Jahr an.

Die Stadtverwaltung bestätigt diese Zahlen, bittet aber um Verständnis für die Finanzmisere: „Uns stehen etwa 500 000 Euro im Jahr für den Endausbau von Straßen zur Verfügung“, sagt Straßenbau-Abteilungsleiter Stefan Schulte. Mit diesem Betrag ließen sich keine großen Sprünge machen. Die Stadt übernimmt bei jeder Maßnahme zehn Prozent der Kosten, aber selbst das scheint viel zu sein. Die Politik hatte vor drei Jahren entschieden, Straßen dann auszubauen, wenn sowieso Kanäle verlegt werden. Im vergangenen Jahr nahm sich die Bauabteilung die Straßen Grüner Weg und die Goerdeler Straße vor. In diesem Jahr stehen Bischof-Drobe-Straße und Nibelungenstraße an.

„Etwa ein Drittel der Mendener Straßen ist noch nicht endausgebaut“, erklärt der Erste Beigeordnete Sebastian Arlt. Angelegt wurden die Straßen zwischen den Jahren 1960 und 1981. Etwa die Hälfte der Anwohner zahlte seinerzeit über so genannte Ablösungsverträge bereits Geld für den Endausbau.

Diese Hauseigentümer drängen jetzt nach dem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts (WP berichtete) verstärkt auf den Ausbau. Zur Erinnerung: Die Richter hatten am Beispiel der Mörikestraße entschieden, dass Städte den Eigentümern keine zweite Ausbaurechnung stellen dürfen, wenn die Straßen erst Jahrzehnte später ausgebaut werden. Aus Angst vor einer zweiten Rechnung hatten sich viele Hausbesitzer in den vergangenen Jahren mit der Forderung nach Ausbau zurückgehalten.

Geld durch Zinsen vervielfacht

Was viele Anwohner nicht wissen: Sie können ihr bereits gezahltes Geld zurückfordern. Das Baugesetzbuch hat das in Paragraph 133 sogar klar geregelt. Lässt eine Stadt nicht innerhalb von sechs Jahren die Bagger rollen, können Anwohner das Geld zurückverlangen. Sie erhalten dafür eine Verzinsung von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Ein Beispiel: Wer 1960 4000 Mark, also umgerechnet etwa 2000 Euro, vorgestreckt hat, könnte sich jetzt etwa 11 000 Euro auszahlen lassen. „Ich würde davon abraten“, sagt Sebastian Arlt. Es sei für ein Grundstück von Wert, den Ausbau quasi als Trumpf in der Tasche zu haben. Wer sein Geld zurückfordere, erhalte später dann einen neuen Bescheid, wenn tatsächlich gebaut wird. Bislang habe es noch niemanden gegeben, der tatsächlich sein Geld zurückhaben wollte. Wenn es jetzt wirklich Rückforderungen gebe, müsse man überlegen wie man damit umgehe.

Für Anwohner Herfried Röntgen von der Straße An der Sägemühle ist es ein Unding, dass sich der Straßenausbau so lange hinzieht. Auch seine Familie hatte seinerzeit einen Ablösungsvertrag geschlossen. „Ich hoffe, dass die Stadt das Geld gut auf einem Schweizer Konto angelegt hat“, sagt er mit einer dicken Portion Sarkasmus.

Davon könne leider nicht die Rede sein, bekräftigen Arlt und Schulte. Wolle man den Ausbau beschleunigen, müsse man anderswo ganz tiefe Löcher aufreißen. Außerdem fehle im Rathaus dann auch Personal, um die Projekte vorzubereiten. Die Liste lasse sich nur mit externer Hilfe schneller abarbeiten. Arlt: „Ohne Landes- und Bundeshilfe sehe ich dauerhaft keine Chance, die Maßnahmen nachhaltig umzusetzen.“