Lennestadt.. Dunkle Wolken ziehen über dem Gelände der Karl-May-Festspiele in Elspe auf - was einzig und allein mit dem wenig sommerlichen Wetter an diesem Tag zu tun hat.

„Er ist ein richtiger Sonnenschein“, sagt Jean-Marc Birkholz, der in seiner dritten Spielzeit als Winnetou-Darsteller schon eine Institution im Wilden Westen des Sauerlandes geworden ist. Er blickt auf Martin Semmelrogge, Gaststar bei der diesjährigen Produktion „Unter Geiern“, der sich freilich nach der Sonne seiner Wahlheimat Mallorca sehnt. „So langsam kann ich die Klamotten nicht mehr ­sehen“, sagt er, zeigt auf das ­Kostüm des Gangsters Weller und lächelt so schelmisch, wie es nur Martin Semmelrogge kann. Natürlich ist er sehr gerne in Elspe, „auf der schönsten Bühne der Welt“, wie er sagt.

„Das Leben ist eine Achterbahn“

Martin Semmelrogge kommt angestiefelt und erzählt dem Reporter ungefragt von seiner Autobiografie „Das Leben ist eine Achterbahn“, die jetzt als Taschenbuch erschienen ist, wie er sagt. Unter einem anderen Titel: „Ein wilder Ritt durch 50 Jahre Paragrafistan.“ Er prustet vor Lachen - „da steht alles über Autos drin und was man nicht damit machen sollte.“

Martin Semmelrogge und ­Winnetou „Jean-Marc Birkholz“ sitzen im leeren Zuschauerraum der Naturbühne und schauen auf eine sehr erfolgreiche Spielzeit ­zurück, die am Sonntag, 7. September, mit der letzten „Unter Geiern“-Vorstellung endet. Es sind unter den Augen des Großen Manitu wieder Zuschauermassen ins Sauerland gepilgert - auch wegen der beiden Hauptdarsteller. Birkholz findet bereits vor dem Eintreffen Semmelrogges lobende Worte über den 58-Jährigen: „Er lebt sehr friedfertig in seiner eigenen Welt und hat hier alle mit seinem Großer-Junge-Charme verzaubert.“ Der Mann im Indianerkostüm spricht voller Hochachtung von dem Mann mit dem klangvollen Namen („er ist sympathisch, harmoniebedürftig und professionell“).

Semmelrogge hat auf dem Festival-Gelände mit Ehefrau Sonja und den beiden Hunden in einer Blockhütte gelebt, ist an freien Tagen mit seinem E-Bike durch die tausend Berge gefahren, hat das örtliche Fitness-Studio besucht („es muss ein bisschen ‘was runter, deshalb ich esse zurzeit nur Steaks“) und war für die Dauer einer Stunde auf einem Schützenfest („da habe ich eine Currywurst gegessen“). Er ist beeindruckt wie überrascht von Land und Leuten: „Von wegen die sturen Sauerländer.“

Das kann Jean-Marc Birkholz nur unterstreichen. Der Menschenschlag sei zwar anfangs etwas zurückhaltend, „aber wenn er einen erst einmal ins Herz geschlossen hat, ist es von Dauer“, sagt der 40-Jährige. Vor sein Blockhaus hat er einen Apfelbaum gepflanzt. „Im letzten Jahr hingen drei Äpfel daran. Diesmal sind es schon 14.“ Birkholz: „Ein toller Sommer.“ Und fügt hinzu: „Für ­Äpfel.“

Das Wetter war durchwachsen in dieser Saison. Wenn es regnete, dann richtig. „Bei Euch ist es so ­extrem feucht“, sagt Birkholz, schaut den Reporter mit diesem ­angenehmen Winnetou-Blick an und erzählt davon, dass er sich nach drei Monaten in der mittlerweile so vertrauten Fremde wieder auf seine Wahl-Heimat Leipzig freut. Der Berliner, der oft als Synchronsprecher arbeitet, tourt demnächst zusammen mit Radost Bokel, die vor zwei Jahren auf der Elsper Bühne stand, mit dem Programm „Momo liest Momo“ durch Deutschland.

Ein Dickkopf

Semmelrogge und Birkholz mögen sich. Die Mimen spielen sich die Bälle so interessant zu, dass man das nur vergnügt verfolgen kann. Ernster werden sie, als es um die Situation für Schauspieler in Film und Fernsehen geht. „Immer die gleichen Gesichter, immer die gleichen Geschichten und immer mehr Sparen bei den Produktionen“, klagt Ex-„Das Boot“-Darsteller Semmelrogge, der eingesteht, „ein schlechtes Image bei bestimmten Leuten“ zu haben. Er grinst und schiebt hinterher: „Nun ja, ich habe schon einen Dickkopf.“

Unmittelbar nach der letzten Vorstellung („es war ‘ne geile Saison“) geht es für die Semmelrogges per Pkw zurück nach Hause, nach Mallorca. „Es ist Zeit zu gehen“, sagt der Schauspieler, „es wird kühl.“ Die letzten­ „Unter Geiern“-Aufführungen will er noch wie gewohnt hochkonzentriert über die Bühne bringen: „Das Heu ist erst in der Scheune, wenn es drin ist.“ Ein typischer Semmel­rogge.