Olpe/Hillmicke. .

Richard Sondermann sprach von „einer gewissen Machtlosigkeit auch des Gerichtes. Wir würden das Rad gerne zurückdrehen, doch das steht nicht in unserer Macht.“ Am Ende der Verhandlung im Olper Jugendschöffengericht brachte der Richter die Situation nach dem tragischen Horrorunfall auf den Punkt: „Es ist schwer, nahezu unmöglich, ein gerechtes Urteil zu fällen. Ein Menschenleben ist verloren gegangen.“ Zum Angeklagten (18) meinte Sondermann: „Sie sind beileibe keiner, der Straftaten begeht. Sie sind ein ganz normaler Junge, der am dörflichen Geschehen teilnimmt. Es war eine fatale und folgenschwere Fehlentscheidung, ein Augenblicksversagen, aber keine Sache, die Sie zu einem schlechten Menschen macht.“

Der 29. Juli 2013 war der Tag, nach dem nichts mehr so war wie früher. Rückblende: Um 12 Uhr mittags fuhr der Hillmicker Jungschütze zum Schützenfest nach Iseringhausen. Dort feierte er mit Freunden und trank Bier. Als am Abend die Musik spielte, war er fast nur noch auf der Tanzfläche. Kurz nach Mitternacht verließ der 18-Jährige den Schützenplatz und traf auf drei befreundete Hillmicker Jungschützen. „Sie hatten vergeblich versucht, ein Taxi zu erreichen und wussten auch nicht, wie sie nach Hause kommen. Es wurde nicht groß darüber geredet, wir sind eingestiegen und losgefahren. Ich fühlte mich noch fit“, sagte der 18-Jährige.

Beifahrer sofort tot

Um 1 Uhr kam es in einer Linkskurve kurz vor Huppen zur Katastrophe. Der Wagen geriet ins Schleudern und knallte mit der rechten Vorderseite gegen eine Fichte. Für den 20-jährigen Beifahrer kam jede Hilfe zu spät. Der 18-Jährige hinter dem Steuer wurde eingeklemmt, die hinten sitzenden Mitfahrer (18 und 23) wurden schwer verletzt. Drei Stunden nach dem Unfall hatte der Fahrer noch 1,15 Promille Alkohol im Blut. Ein Wert, der absolute Fahruntüchtigkeit bedeutet. „Ich weiß, dass ich losgefahren bin. Dann kann ich mich erst wieder erinnern, als wir vor dem Baum standen. Da war mir sofort klar, dass ich Scheiße gebaut habe“, so der 18-Jährige im Gericht. Am Morgen habe ihm seine Mutter gesagt, dass sein Freund auf dem Beifahrersitz tot sei: „Ich hatte es schon geahnt.“

Nach dem Horrorunfall sagte man in Hillmicke das Schützenfest am darauffolgenden Wochenende ab. Zur Frage des Richters, warum er denn überhaupt, mit dem Auto zum Fest nach Iseringhausen gefahren sei, meinte der 18-Jährige, der eine Ausbildung zum Elektriker macht: „Da habe ich mir in dem Moment keine Gedanken drüber gemacht.“ Der Bruder des getöteten Beifahrers sei im Krankenhaus zu ihm gekommen: „Wir haben uns gegenseitig Mut zugesprochen.“ Vor ein paar Wochen habe es auch ein Gespräch mit dem Vater gegeben. Er sei nach wie vor bei den Jungschützen: „Dort sehe ich auch oft seinen Bruder.“ Zur Frage des Richters, ob er in Hillmicke geschnitten werde, sagte der 18-Jährige: „Gar nicht. Die stehen alle hinter mir.“

Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe plädierte wegen der jugendtypischen Merkmale der Tat für Jugendstrafrecht. Staatsanwältin Teresa Steiger forderte ein Jahr zur Bewährung: „Aufgrund überhöhter Geschwindigkeit und Alkohol ist er aus der Kurve geflogen. Er hat sich überschätzt.“ Veteidiger Andreas Hesse plädierte für neun Monate: „Er ist bereit, die Verantwortung zu übernehmen.“ Die Mitinsassen hätten sich bewusst ins Auto gesetzt: „Sie wussten, dass er getrunken hat.“ Der Angeklagte müsse 5000 Euro Regress an die Versicherung zahlen. „Gesellschaftlich ist er gottseidank gut aufgefangen worden.“

„Es tut mir für die Familie sehr leid. Eigentlich ist es nicht wieder gut zu machen. Ich möchte versuchen, mit der Mutter ein Gespräch zu führen. Das belastet mich sehr“, so der Angeklagte im letzten Wort.

Das Urteil: ein Jahr Bewährungsstrafe, 80 Sozialstunden und noch ein weiteres Jahr Sperre des Führerscheins, den er nach dem Unfall freiwillig abgegeben hatte. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, seine eigenen Auslagen der Angeklagte. „Er hat gedankenlos gehandelt“, hob Richter Sondermann die Fahrlässigkeit hervor. Und: „Alle waren Freunde in dörflicher Gemeinschaft. Er ist auch heute noch ständig mit den Geschehnissen konfrontiert. Das wird noch eine Zeitlang dauern.“