Niederhelden. . Giersch ist ein Wildkraut. Es wächst am Straßenrand und kaum jemand weiß, dass man es essen kann. Benedikt Engelbertz (32) weiß es. Und ist in einem der Rezepte, die uns im Rahmen der Aktion „Regionale Küche“ erreicht haben, über den Namen gestolpert. Auch das Stichwort Brennnessel-Gemüse lässt ihn aufhorchen. Denn die nicht nur bei Kindern mit kurzen Hosen unbeliebten Pflanzen gehen zwar gut als Unkraut durch, kommen aber eher selten auf einen Teller.
Das soll sich ändern. Nicht nur, aber vielleicht auch für die Brennnessel. Denn im Kreis Olpe nach regionalen Rezepten zu suchen, sie zu sammeln und am Ende als Rezeptheft vorzulegen, ist für den Koch im Hotel Platte im Repetal „eine Wahnsinnsidee“ und sie inspiriert auch seine eigenen Gedanken.
Benedikt Engelbertz ist 32 Jahre alt, Junior-Küchenchef und steht seit neun Jahren in Niederhelden am Herd. Auch die Lehre hat er hier gemacht, war danach in Eisborn und auf Sylt, aber die Küche im Hause Platte hatte für ihn wohl mehr Anziehungskraft. Ein großes „Vorbild“ hat er auch: „Die beste Köchin war meine Oma“, schwärmt er und man sieht ihm die Erinnerungen an Geschmackserlebnisse in der großelterlichen Küche quasi an.
Und heute? „Wer kocht denn heute noch zu Hause?“, wurde Christof Platte auf die regionale Küche angesprochen. Die Tendenz gehe doch klar zu Fertiggerichten - und der allgemeine Trend zur internationalen Küche, zu türkischen, italienischen, japanischen Gerichten. „Sicher laufen viele jedem Hype hinterher“, überlegt der heimische Hotelier und sagt: „Die deutsche Küche hat auch einen hohen Stellenwert.“ Will heißen: Man muss sich mit deutschen Gerichten im internationalen Vergleich sicher nicht verstecken.
Benedikt Engelbertz bricht eine Lanze für heimische Produkte: „Da weiß ich, wo es herkommt.“ So bekommt die Hotelküche die Kartoffeln und die Eier und die Erdbeeren aus der Region. Bei Gemüse wird es schon schwieriger: „Es gibt hier ja kaum noch Gemüsebauern“, bedauert Christof Platte. Auch das Wild kommt aus der Region - und das manchmal sozusagen sogar am Stück. Schließlich sei es für Auszubildende wichtig, auch mal ein ganzes Wildschwein oder einen kompletten Fisch „gesehen“ zu haben.
Dass man auch mit Produkten, deren ursprüngliche Namen kaum noch jemand kennt, moderne Küche anbieten kann, ist für den Koch keine Frage. „In Westfalen gibt es so viele gute Gerichte. Die kann man ja ein bisschen tunen.“
Oder in ein neues Umfeld stellen und beim Golfturnier im Repetal Olper Beff anbieten. „Haben wir gemacht“, sagt Christof Platte und musste einen englisch sprechenden Gast warnen: „Don’t call it Frikadelle.“ („Nennen Sie das nicht Frikadelle“.) Oder man macht Käsekucheneis. Auch aus Pumpernickel und gesüßtem Quark kann man einen tollen Nachtisch zaubern.
Beim Blick in die knapp zwei Dutzend Rezepte, die bisher vorliegen, freut sich Benedikt Engelbertz am meisten „über die Rezepte, die ich nicht kenne“.
„Da sind sehr schöne Sachen bei“, erkennt er die Kochkünste der bisherigen Teilnehmer an der Aktion an und vertieft sich etwas mehr ins Wildrahmsüppchen und den Schlabberkappes.
Viele Rezepte kommen von Frauen. In der „Profiküche“ stehen aber immer noch mehr Männer - oder nicht? Eigentlich ja, sind sich die beiden Männer einig. Aber im Hotel Platte sehen sich vier Männer fünf Frauen gegenüber. Christof Platte: „Das trägt sehr zur Harmonie bei.“
Und was vermissen die beiden? „Ich dachte, der Pfefferpotthast wäre auch ein Thema“, sagt Christof Platte. „Oder vielleicht Rouladen. Ich hätte auch etwas mit Pfannkuchen erwartet.“ Wichtig sind letztlich, ergänzt Benedikt Engelbertz, „die ganz einfachen Rezepte.“
Fleisch muss es natürlich auch nicht immer sein. Die Zahl der Vegetarier steigt, weiß der Hotelier Platte. Der steigenden Nachfrage müsse man mit einem entsprechenden Angebot begegnen - zum Beispiel einem Sellerie-Krüstchen.
Denn das geht durchaus als regionale Küche durch. Und das ist Benedikt Engelbertz wichtig. Regional soll es sein. Und deshalb käme ihm eines zu dieser Jahreszeit eher nicht auf den Tisch: Spargel.