Drolshagen. .

Keine Frage, der Mann ist Überzeugungstäter: Wenn Karl Richard Heipel in die Saiten seiner Gitarre greift, ist ernsthafte Konzentration ebenso zu spüren wie inneres Strahlen. „Bündische Lieder“ - einfacher ausgedrückt: deutsche Volkslieder - haben es dem pensionierten Haupt- und Grundschullehrer aus Drolshagen angetan - und genau mit dieser Begeisterung präsentiert er das traditionelle Liedgut auf youtube im Internet - und das mit beachtlicher Resonanz.

Wird er auf das ,Bündische’ angesprochen, weiß er sofort, was kommt. Denn der Begriff , so ärgert er sich, werde häufig aus Unkenntnis in die ,braune Ecke’ gedrängt. Völlig zu Unrecht, wie Heipel versichert, „die bündische Jugend wurde 1933 sogar verboten, weil keiner in die Hitlerjugend wollte. Später sind einige von ihnen verfolgt und von den Nazis ermordet worden.“

Die Philosophie des Bündischen sei überparteilich und überkonfessionell - bis heute. Heipel: „Da geht es ums Wandern und Singen, um Abenteuer und Kameradschaft, um Lagerfeuer und ferne Welten - und um Lieder, die man mit der Klampfe begleiten kann“, lacht er, während er sein bestes Stück, eine kurios zusammengeflickte Gitarre ,mit Leim-Narben’ in den Händen hält. Auf die, so erzählt er, während er dabei das Gesicht verzieht, habe er sich mal versehentlich draufgesetzt, so dass er sein Herzblatt mit Lupe und Klebstoff Stück für Stück akribisch wieder habe zusammensetzen müssen.

Sagt es, lässt sich auf ein antiquiertes Sofa im Arbeits- und Aufnahmezimmer nieder und setzt einen Kopfhörer auf. Dann dreht er Knöpfe an einem schwarzen Kästchen - ein „achtspuriger PCM-Recorder“ wie wir erfahren - und los geht’s. Mit sonorem Bariton, nahe an der Bass-Stimme, schmettert er Lieder wie „Die Stare sind gekommen“, „Jenseits des Tales“ oder „Wenn wir erklimmen“. „So etwa fünf Prozent der deutschen Volkslieder“, klärt er uns auf, „sind bündische Lieder“.

Mit Hilfe seines kleinen Studios samt besagtem Recorder und zwei hochwertigen Röhrenmikros werden die Lieder gemixt und gemastert, meist mit einem leichten Hall unterlegt. Häufig singt Heipel gleich zwei oder drei Stimmlagen und „legt sie übereinander“, so dass das ungeschulte Ohr glaubt, ein Trio oder Quartett zu hören. „Ist aber alles Karl-Richard Heipel“, grinst er. Dann werden die Lieder mit ein paar erklärenden Textzeilen versehen und auf youtube eingestellt - unter dem Autorenkürzel „trudix01“.

Heipel freut sich, als wir sofort erraten, was dahinter steckt: Natürlich der legendäre „Asterix“-Barde Troubadix aus dem weltbekannten gallischen Dorf der Unbeugsamen.

Doch zurück zu Heipels Musik und youtube: Nachdem der gebürtige Bottroper 2008 nach fast 40 Lehrerjahren, die meisten davon an der Olper Hakemickeschule, pensioniert wurde, suchte er eine kreative Rentner-Beschäftigung. Ein „Loch in den Fernseher starren“ wollte er ebenso wenig wie sich nur noch ums Aquarium oder den Garten kümmern. Und da die Musik schon immer „sein Ding war“, wie Ehefrau Marianne einwirft, rückte das alte Liedgut in den Mittelpunkt seiner Freizeitkultur. Material gibt es genug - allein die ,bündischen Lieder’ bringen es auf über 800 an der Zahl, das gesamte Deutsche Volksliedgut, weiß Heipel, „geht in die Tausende.“

Da es ihm vor allem darum geht, in Vergessenheit geratenem Liedgut wieder Leben einzuhauchen und es zu verbreiten, kam das Internet wie gerufen.

Gedacht, getan: Anfang 2010 begann Heipels kleine Erfolgsgeschichte: „Das erste Lied, das ich einstellte, war ,Die Stare sind gekommen’ von Hofmeister.“ Schon kurz darauf schnellten die Klickzahlen in die Höhe, ,trudix01’ hatte im Nu jede Menge youtube-Freunde, und ein Lied jagte das nächste.

Fast 70 000 Klicks

Bis heute sind es 112 - bei rund 67 500 Klicks - und jeder Menge Fans. „Mit schreiben Menschen aus Australien, Amerika, Afrika - man kann sagen, aus der ganzen Welt.“ Häufig seien es Auswanderer der Generation 60plus, die sich gerne an ihre Heimat und die alten Klänge erinnerten. Heipel: „Es sind ganz rührende Briefe dabei - von Leuten, die berichten, ihnen wären die Tränen gekommen. Die Lieder brächten ihnen ihre Kindheit zurück.“

Aktueller „Klick“-Spitzenreiter ist der Titel „Der da vorn so laut die Trommel schlägt...“ (von Otto Leis) mit fast 5 000 Interessierten,, gefolgt von „Stimme Deine Fidel“ (3856).

Kommerzielle Absichten hat Heipel trotz der Resonanz nicht, ihm geht es ausschließlich um die Lieder und ihre Philosophie und darum, überall und irgendwo auf der Welt Menschen eine Freude machen zu können - beispielsweise wie Isa Weber, die ihm sogar von der tahitianischen Nachbarinsel Moorea eine frohe und lobende Nachricht schrieb.

Alle Fans der bündischen Lieder können sich übrigens freuen, denn ein baldiges Versiegen der schöpferischen Kraft des Baritons ist nicht in Sicht: „Ich mache auf jeden Fall weiter“, verspricht Heipel, der die nächsten Lieder schon im Kopf, auf den Stimmbändern und in den Fingern hat.