Ottfingen. Starkregen verwandelt Großmicke in reißenden Fluss. Wasser überschwemmt Häuser, Autos und Garagen. War die Gemeinde drei Jahre lang untätig?
Der Morgen danach. Die Großmicke rauscht mit enormer Kraft in Richtung Bigge, doch der Bach, sein Pegelstand ist noch ungefähr einen Meter über dem Normalwert, hat sich wieder in sein Bett zurückgezogen.
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Die Bachstraße in Ottfingen ist wieder als Straße erkennbar. Wer ahnungslos durchfährt, stutzt nur an einigen Stellen, an denen Wälle aus Sandsäcken auf ihren Abtransport warten. An weißen Wänden sind hier und da Schmutzränder zu sehen, zurückgeblieben von den braunen Fluten, die am Montagabend Bach- und Großmickestraße in eine Seenlandschaft verwandelt haben.
Die Mitarbeiter von „Bigge-Energie“ haben den Strom wieder eingeschaltet. Doch viele Häuser bleiben dunkel, ihre Bewohner haben die Nacht woanders verbracht. Nicht so Peter Herling: Ihn hat das Schlimmste verschont. „Es fehlten genau zwei Zentimeter“, denkt er mit Grausen an den Vorabend zurück, als das Wasser des unmittelbar an seinem Grundstück entlang fließenden Bachs höher und höher stieg – und nicht nur das, denn auf der anderen Seite des Hauses stieg das Wasser genauso: Die Bachstraße machte ihrem Namen alle Ehre und wurde selbst zum Bach, sodass die dazwischenliegenden Häuser von zwei Seiten eingeschlossen wurden.
Ein ganzer Anhänger voll mit tropfnassem Hausrat steht vor dem Haus von Anita Moll. Ihre beiden Söhne André und Sven waren direkt am Montagabend zu ihrer Mutter geeilt und hatten mobilisiert, was möglich war. André Moll: „Am und im Haus waren sicherlich 30 Leute im Einsatz. Wir haben mit Handtüchern versucht, die Türen abzudichten und in einem durch mit Schüppen das eindringende Wasser aufgefangen, so gut es ging. Das Allerschlimmste haben wir verhindern können, weil wir uns nach der Flut vor drei Jahren so gut wie möglich vorbereitet haben.“
Zwei Jahre habe es gedauert, bis alle Schäden von 2021 saniert waren, blickt er fassungslos zurück. „Jetzt reicht es, jetzt werden Spundwände bestellt“, kündigt er an, was die Familie nun vorhat, um künftig noch besser aufgestellt zu sein.
Ein Schuh liegt mitten auf dem Gehweg. In einer Hecke steckt ein knallrotes Rutschauto. An einem Gartenzaun vor dem Haus liegt das bunte Sandspielzeug, das die Flut vom Sandkasten hinter dem Haus nach vorne gespült hat. „Ich bin fix und fertig“, sagt Roxana Schmidt fassungslos und blickt am Tag nach dem Hochwasser auf das Gerümpel vor ihrem Haus. Als das Wasser der Großmicke am Montagabend immer höher stieg, war sie mit ihrem zweijährigen Sohn, der elfjährigen Tochter, zwei Hunden und ihrem 68-jährigen, gehbehinderten Schwiegervater Andrej Peters alleine in dem Zweifamilienhaus an der Bachstraße. „Jetzt geht der ganze Mist von vorne los. Wir haben vor drei Jahren alles kernsaniert und zur Bachseite Mauern gesetzt. Das hat wohl nichts gebracht“, stellt Andrei Peters entsetzt fest.
Als die Flut kam, war er als Bauleiter auf Geschäftsreise in Karlsruhe und konnte seiner Familie nur telefonischen Beistand leisten. „Wir haben diese Nacht kein Auge zugemacht. Kurz nach Mitternacht hat die Polizei und das Ordnungsamt an unsere Türen geklopft und uns aufgefordert die Häuser zu verlassen“, beschreibt Roxana Schmidt die Lage vor Ort. Ihr gehbehinderter Schwiegervater Andrej musste von der Feuerwehr mit der Trage aus dem Fenster befördert werden.
Fassungslosigkeit herrscht vor allem am Tag danach im 2200-Einwohner-Dorf Ottfingen. „Hier ist fast 30 Jahre nichts gewesen und jetzt erwischt uns das Hochwasser bereits das zweite Mal in nur drei Jahren. Was hat die Gemeinde Wenden nach der Flut 2021 getan, damit so etwas nicht erneut passiert? Gar nichts“, ist Wladimir Peters aus Möllmicke, der seinen Vater und Bruder beim Aufräumen des Elternhauses unterstützt, sauer.
Auch die direkte Nachbarschaft ist außer sich. Hier hat es Familie Brutzer auch in diesem Jahr wieder stark getroffen. Waschmaschinen, Kühlschränke und andere Elektrogeräte haben sie bereits nach draußen geschafft. „Es ist ein Alptraum. Jetzt geht alles wieder von vorne los. Die Gemeinde Wenden hat uns im Stich gelassen“, sagen Angelika und Josef Brutzer.
„Nichts hat die Gemeinde getan. Die haben geglaubt, dass es damit getan sei, an zwei Stellen die Bachläufe auszugraben. An unseren Kanal sind sogar die Neubaugebiete angeschlossen und alles fließt hier rüber. Es ist ein Unding“, schimpft Josef Brutzer, der auf seiner verschlammten Terrasse sitzt und auf seinen Gartenteich schaut, in dem ein einziger, überlebender Goldfisch schwimmt: „Die toten Fische haben wir heute Morgen vor dem Haus eingesammelt.“ Das Schicksal hat Familie Brutzer und viele andere Bewohner rund um die Großmicke in Ottfingen nun ein weiteres Mal getroffen und, da sind sich alle einig, hat es die Bachstraße viel schlimmer getroffen als im Sommer 2021.