Olpe/Siedenstein. 16-jähriger Motorradfahrer starb im Jahr 2020 nach Kollision mit schwerem Ackerschlepper. Traktorfahrer wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.
Es war ein bewegendes Verfahren, das am Montag im Olper Amtsgericht verhandelt wurde. Es ging um einen tragischen Verkehrsunfall, der sich am 19. Juli 2020 ereignet hat. Ein 16-jähriger Leichtkraftradfahrer war damals verstorben, nachdem er gegen einen Traktor geprallt war. Der Traktorfahrer war nun, fast vier Jahre nach dem Vorfall, wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.
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Der inzwischen 29-jährige Angeklagte hatte seinerzeit mit einem schweren Traktor den schmalen Verbindungsweg von Siedenstein nach Neger befahren. Er half einem befreundeten Landwirt beim Transport von Silage. Der 181 PS starke Fendt wiegt schon leer fast sieben Tonnen und war zum Unfallzeitpunkt mit insgesamt vier Siloballen beladen. Das gesamte Gefährt wog rund 15 Tonnen und war 2,85 Meter breit – exakt wie der asphaltierte Teil der Straße. Der 16-Jährige war auf seinem Leichtkraftrad samt Sozius mit zwei weiteren Fahrern unterwegs und in einer durch starken Randbewuchs unübersichtlichen Kurve mit dem Ackerschlepper kollidiert.
Keine Bremsspuren des Traktors gefunden
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein Gutachten samt später angefertigtem Nachgutachten, das Hinweise über die gefahrenen Geschwindigkeiten, die Reaktionszeiten und die Sichtverhältnisse gab. Dabei machte Gutachter Martin Kornau deutlich, dass als tatsächlich belastbare Grundlagen nur die Bremsspur des Zweirads und die durch Verletzungen und Spuren ermittelbare Kollisionsgeschwindigkeit vorlagen. Er ließ durchblicken, dass direkt nach dem Unfall eine genauere Nachsuche auch Bremsspuren des Traktors hätten aufzeigen müssen, selbst wenn es nicht zu direktem Reifenabrieb gekommen war. Anhand der Spuren hatte er errechnet, dass das Zweirad zwischen 45 und 52 Kilometer pro Stunde schnell gewesen sein muss, der Traktor zwischen Tempo 30 und 35. Beide Fahrer, so Kornau, hätten zum frühestmöglichen Zeitpunkt reagiert. Für sein Nachgutachten hatte er umfangreiche Untersuchungen vorgenommen, unter anderem waren an der Unfallstelle Fahr- und Bremsversuche durchgeführt worden. Der Vater des verunglückten Jungen nahm als Nebenkläger mit seinem Rechtsanwalt Michael Hayn aus Köln an der Verhandlung teil.
Der Angeklagte machte deutlich, wie leid ihm das Geschehen tue und dass ihm klar sei, dass es für die Familie des Unfallopfers nichts Schlimmeres geben könne. „Es belastet auch mich exstremst. In den vier Jahren gab es, wenn überhaupt, nur ganz wenige Tage, an denen ich die Bilder nicht gesehen habe.“
Spurenlage nicht einfach zu erfassen
Dass die Spurenlage für die Polizei nicht leicht zu durchschauen war, lag unter anderem daran, dass der Angeklagte und der unmittelbar nach dem Unfall zur Unterstützung gerufene Landwirt ihre Traktoren beiseite gefahren hatten, um den Weg für die sofort gerufenen Rettungswagen freizumachen. In seiner Erinnerung sei er mit 20 bis 25 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen, als ihm das Motorrad mittig entgegenkam. Er habe stark gebremst – er sprach davon, „voll in die Eisen gegangen“ zu sein – und entweder gleichzeitig oder unmittelbar danach den Traktor nach rechts in die Bankette gelenkt zu haben. Das hatte dazu geführt, dass der junge Motorradfahrer nicht frontal gegen die beiden vorn am Traktor befestigten Rundballen, sondern seitlich gegen das mehr als mannshohe Hinterrad geprallt war.
Gutachter Kornau betonte, diese Verhaltensweise sei einerseits nachvollziehbar und auch im Grunde korrekt gewesen. Anhand der von ihm ermittelten Zahlen machte er klar, wie böse das Schicksal hier zugeschlagen hat: Hätte der Traktorfahrer 0,3 Sekunden früher nach rechts gelenkt, wäre das Motorrad wohl knapp vor dem Ackerschlepper zum Stehen gekommen. Kornau: „Im Grunde fehlte ein Meter Bremsweg.“ So kam es zur so folgenschweren Kollision, bei der noch eine Geschwindigkeit von rund 14 Kilometern pro Stunde herrschte.
Der Vorsitzende Richter machte deutlich, dass fahrlässiges Handeln vorliegen müsse, um eine Verurteilung zu erreichen. Die Tatsache, dass der Traktor ohne Rundumlicht und ohne Warntafeln unterwegs war, seien zwar Ordnungswidrigkeiten, hätten aber am Unfall selbst nichts geändert, bestätigte Gutachter Kornau.
Verteidiger Bartmeier brachte eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage ins Gespräch. Er betonte, volles Verständnis für den Wunsch der Familie des Verunglückten nach einem Urteil zu haben, „das alles ist unfassbar tragisch und dramatisch, aber wir können Ihnen Ihren Sohn nicht zurückbringen. Am Ende war es ein tragischer Unglücksfall.“ Staatsanwältin Maria Siebel signalisierte Zustimmung: „Wir haben hier nicht den klassischen Verkehrssünder, das Besondere an diesem Fall ist die Schwere der Folgen.“
6000 Euro Geldbuße als Auflage
Richter Witte unterbrach die Verhandlung für ein Rechtsgespräch, an dessen Ende die Staatsanwältin, der Verteiger und der Angeklagte einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße zustimmten. Die Nebenklage muss in einem solchen Fall nicht beipflichten. 6000 Euro muss der Angeklagte an die Staatskasse zahlen, dazu seine eigenen Auslagen und die der Nebenklage tragen. Der weder vorbestrafte noch mit irgendwelchen Punkten in der „Verkehrssünderkartei“ vorbelastete Mann hat sechs Monate Zeit, die Auflage in Raten zu zahlen, damit das Verfahren endgültig eingestellt wird. Richter Witte betonte, er müsse stets nach dem alten Grundsatz „In dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – die für diesen sprechenden Werte annehmen, was Reaktionszeit und Fahrgeschwindigkeit angehe. Und wenn er dann das Geschehen auf das sicher Feststellbare beschränke, sei eine Einstellung möglich.