Gerlingen/Würzburg. 35-jähriger Jurist findet seine Bestimmung als Mitglied des Augustinerordens. Feier in Würzburg von Gerlinger Musiker umrahmt.

„Hier bin ich“: Mit diesem Ausspruch trat am Samstag vor der Karwoche ein junger Mann aus Gerlingen in der Augustinerkirche in Würzburg vor Bischof Dr. Franz Jung, um sich die Diakonweihe spenden zu lassen. Bruder Michael, so wird Michael Clemens seit seinem Eintritt ins Kloster im Jahr 2017 genannt, feierte mit Mitbrüdern, Familienangehörigen und Freunden die Zeremonie. Wie aus einer Pressemitteilung der Augustiner hervorgeht, gestaltete sich der Wortgottesdienst ganz nach den von Bruder Michael ausgewählten biblischen Texten. Im Zentrum stand dabei die Geschichte von Mose und dem brennenden Dornbusch (Exodus 3,1–17). Die Zusage Gottes „Ich werde ja mit dir sein!“, die Mose in diesem Text von Gott vernimmt, habe sich Bruder Michael gewissermaßen als Leitspruch für seine Weihe herausgesucht. Auf den Wortgottesdienst folgte der eigentliche Weiheritus durch Handauflegung und Gebet. Mit der Übergabe des Evangeliars wurde der Auftrag des Diakons unterstrichen, das Evangelium in Gottesdiensten und darüber hinaus zu verkünden. Beim anschließenden eucharistischen Teil des Gottesdienstes habe der neugeweihte Diakon dann erstmals seinen Dienst am Altar neben dem Bischof versehen. Durchaus ungewöhnlich in diesen Tagen, dass ein junger Mann seinen Weg in einer Ordensgemeinschaft geht. Im Interview hat er uns erklärt, wie er zu diesem Weg gefunden hat.

Bischof Dr. Franz Jung überreicht Bruder Michael das Evangelienbuch.
Bischof Dr. Franz Jung überreicht Bruder Michael das Evangelienbuch. © privat | Privat

Aus Michael Clemens wurde schon bei Ihrem Klostereintritt vor fast sieben Jahren Bruder Michael. Ist es nicht üblich, dass man bei diesem Schritt einen neuen Namen annimmt?

Das war früher so. Mitbrüder in der Generation meiner Großeltern haben sogar erst bei der Einkleidung erfahren, welchen Namen sie nun tragen. Das ist aber schon lange nicht mehr so. Es ist uns freigestellt, den alten Namen weiterzuführen oder einen neuen anzunehmen. Bei mir war es so, dass kurz vor meinem Eintritt in die Gemeinschaft ein Pater Michael verstorben ist. Ich habe dann auch noch zufällig sein Zimmer bekommen, und da lag es für mich nahe, meinen Namen einfach weiterzuführen. Es fühlte sich an, als sollte das so sein.

Wie findet ein junger Mann aus dem Wendschen den Weg zu den Würzburger Augustinern?

Nach der Weihe zum Diakon feierte Bruder Michael die Eucharistie erstmals als Konzelebrant mit.
Nach der Weihe zum Diakon feierte Bruder Michael die Eucharistie erstmals als Konzelebrant mit. © privat | Privat

Da gab es kein spontanes Erlebnis, sondern eine Entwicklung. Ich bin durchs Jurastudium nach Würzburg gekommen. Schon während des Studiums hatte ich den Gedanken, vielleicht doch eher einen geistlichen Weg einzuschlagen und mich vertieft meiner Spiritualität und der Theologie zu widmen. Besonders stark war dieser Gedanke insbesondere in schwierigen Phasen. Dann dachte ich aber, dass ich, wenn ich mal im Beruf bin, darin schon meine Erfüllung finden werde. Es war aber nicht so, obwohl ich nach dem ersten juristischen Staatsexamen eine sehr gute Stelle an der Uni gefunden hatte. Aber der Wunsch wurde immer größer, etwas zu tun, das mir vielleicht noch mehr entspricht und mich noch mehr erfüllt. Ich bin zu der Zeit schon häufig in die Augustinerkirche gegangen, die Gemeinschaft ist in der Stadt allein durch die eindrucksvolle Kirche sehr präsent, und habe einen Mitbruder kennengelernt, durch den ich dann auch weitere Kontakte knüpfen konnte und so viel über die Gemeinschaft erfahren habe. Und so kam es dann zu meiner Entscheidung, es doch mal bei den Augustinern zu versuchen.

Bischof Dr. Franz Jung überreicht dem neugeweihten Diakon das Evangelienbuch.
Bischof Dr. Franz Jung überreicht dem neugeweihten Diakon das Evangelienbuch. © privat | Privat

Warum die Augustiner?

Es ist eine Gemeinschaft, die nicht auf Gedeih und Verderb Tradiertes erhalten will. Die Augustiner geben ihren Mitbrüdern die nötigen Räume, um lebendig Kirche zu sein, um Kirche mit Leben zu füllen. Dabei verhalten wir uns ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils, das in einem wichtigen Dokument formuliert hat: Es ist Aufgabe der Kirche, die Zeichen der Zeit zu erforschen und sie im Lichte des Evangeliums zu deuten. Ich persönlich kann hier ganz verschiedene Fragen zusammenführen, die ich in mir trage.

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Wäre es für Sie auch eine Option gewesen, Diözesanpriester zu werden?

Die Frage hat sich mir anfangs schon gestellt, gerade weil einem das Bild vom Pastor ja von Kindesbeinen an vertraut ist. Aber es wurde dann für mich eigentlich nie zur ernsthaften Option. Für mich war irgendwann klar: wenn ein geistlicher Beruf, dann in einer Gemeinschaft.

Der Weihe zum Diakon folgt üblicherweise in etwa einem Jahr die Priesterweihe. Wird aus Bruder Michael dann Pater Michael?

Michael Clemens nennt sich seit 2017
Michael Clemens nennt sich seit 2017 "Bruder Michael": Er ist Mitglied der Gemeinschaft der Augustiner. Nun hat er die Weihe zum Diakon erhalten, die nächste Station auf dem Weg zum Priester. © privat | Privat

Normalerweise wäre das so, aber bei uns Augustinern halten es manche so, dass sie auf den „Pater“ verzichten, um deutlich zu machen, dass sie auch als Priester ein normaler Mitbruder bleiben. Ich werde es auch so halten und bei der Anrede „Bruder“ bleiben.

Wie arbeiten Sie? Was ist Ihr faktischer Beruf?

Ich habe schon im vergangenen Jahr Verantwortung übernommen, die ich jetzt erst einmal fortführe. Ich bin Ansprechpartner für musikalische und kulturelle Veranstaltungen in unserer Augustinerkirche, aber auch für verschiedene pastorale Angebote. Als Diakon kommen nun natürlich auch Taufen, Beerdigungen und Trauungen hinzu.

Stichwort Musik: Die hat bisher in Ihrem Leben auch eine Rolle gespielt. Bleibt das so?

Ja. Ich bin schon lange Mitglied im Musikverein Gerlingen, habe von Kindheit an wie mein Vater Saxophon gespielt, bin aber seit einiger Zeit auf die Klarinette umgestiegen. Mein Freund Rainer Dornseifer (ehemaliger Vorsitzender des Musikvereins, die Red.) hat für mich den Begriff der ,ambulanten Mitgliedschaft‘ erfunden. Wenn ich zu Hause bin, was so jedes Quartal vielleicht einmal der Fall ist, und es irgendwie passt, dann ziehe ich die Uniform an und spiele mit. Das Jahreskonzert hat in jedem Fall einen Eintrag in meinem Terminkalender, das verpasse ich nie.

Steckbrief

Michael Clemens wurde 1988 in Olpe geboren und wuchs in Gerlingen auf. Nach dem Besuch der örtlichen Grundschule legte er am St.-Franziskus-Gymnasium in Olpe das Abitur ab und ging dann für ein Jahr zur Bundeswehr nach Koblenz. Es schloss sich ein Jurastudium an. 2017 trat er der Gemeinschaft der Augustiner bei, studierte Theologie und wurde nun zum Diakon geweiht. Außer der Musik zählt er das Lesen zu seinen Hobbys, legt außerdem großen Wert auf die Pflege von Freundschaften und Gemeinschaft. „Wenn ich allein sein will, dann fahre ich Fahrrad.“

Wie hat Ihr Umfeld reagiert, als Sie erzählt haben, welchen Weg Sie vorhaben?

Ich habe aus meinem Freundeskreis sehr viel Zuspruch erfahren. Klar gab es anfangs auch Irritationen, so nach dem Motto, dass ich in der Schulzeit nicht der Frömmste gewesen sei, aber fast immer habe ich Respekt, Zuspruch und vor allem Neugier erfahren. Wir sind ja ohne Zweifel in einer Kirchenkrise, aber Glaube und Spiritualität gibt es ja nach wie vor. Viele haben die Sehnsucht, die Bedeutung ihres Lebens oder bestimmter Momente auch symbolhaft zum Ausdruck zu bringen. Und ich finde, da muss man die Menschen abholen. Ich finde es falsch, zu sagen, es gibt ja nur noch ein paar von uns, und für die bin ich da. Ich möchte durch mein Leben und mein Wirken helfen, den Fragen einen Raum zu geben, die jeder hat, der etwa am Grab eines Freundes oder Verwandten steht. Da würde ich sicher auch keinen Unterschied machen, ob für die Todesanzeige nun wirklich ein Kreuz oder ein Fußballvereinswappen gewählt wurde. Ich will und kann nicht die Frömmigkeit fortführen, die vielleicht noch vor 35 Jahren geherrscht hat. Natürlich finde ich es sehr schade, dass auch die großen Texte, die Rituale und Deutungen unserer religiösen Tradition von vielen nicht mehr ernstgenommen werden. Aber das liegt eben auch an großen Fehlern in der Kommunikation auf der Anbieterseite, und das können wir nicht mit der Brechstange beheben. Aber wenn man die Menschen da abholt, wo sie in ihrem Bedürfnis nach Spiritualität, nach Gemeinschaft, nach den großen Fragen stehen, dann kann man auch die christliche Hoffnung auf die Auferweckung einflechten.

Sie leben im Kloster, aber nicht hinter Klostermauern. War auch das ausschlaggebend für Ihre Entscheidung für die Augustiner?

Ja, das war mir äußerst wichtig. Wir leben nicht in Klausur, nicht monastisch, sondern wir haben gern Gäste und gehen gern raus. Ich habe auch schon mehrfach Besuch aus der Heimat empfangen und freue mich sehr, wenn welcher kommt.