Finnentrop. Ein sicherer Schulweg für Kinder – das wollen alle Eltern. Doch wie ist eigentlich der aktuelle Stand in Finnentrop? Ein Experte klärt auf.
Die Gemeinde Finnentrop will ihre Schulwege in den nächsten Jahren sukzessive sicherer machen. Das Planungsbüro Bueffee aus Wuppertal hat der Verwaltung und dem Gemeinderat jüngst ein ganzes Bündel an Maßnahmen an die Hand gegeben, um die Verkehrssicherheit gerade der jüngsten Grundschüler zu erhöhen. Den Startschuss will die Gemeinde als Schulträgerin im Sommer geben, wenn die ersten drei Hol- und Bringzonen, besser bekannt als Elterntaxi-Haltestellen, an den Schulen in Finnentrop, Bamenohl und Heggen eingeweiht werden. Doch es ist nur der Anfang, das schulische Mobilitätskonzept muss nach und nach mit Inhalt gefüllt werden. Wir sprachen mit Jens Leven (52), Geschäftsführer des Planungsbüros aus Wuppertal, über die Frage, wie Grundschüler in Zukunft sicherer ihren Weg in den Klassenraum finden.
Wie sicher sind die Schulwege in Finnentrop?
Jens Leven: Sie sind genauso sicher oder unsicher wie alle anderen Schulwege in Deutschland auch. Da gibt es wenige Unterschiede zu anderen Kommunen, weil wir in Deutschland einheitliche Planungswerke haben, um Schulwege sicherer zu machen. Jetzt haben wir nur ein Problem: Bei der Planung und Bewertung von Verkehrsinfrastruktur werden insbesondere die Belange der jüngsten Grundschulkinder nicht so intensiv betrachtet, wie es die Kinder verdient hätten.
Wo sind denn die größten Handlungsbedarfe gerade mit Blick auf I-Dötzchen oder Zweitklässler in der Gemeinde Finnentrop?
Das wesentliche Problem sind die Querungsstellen. Kinder brauchen schlicht länger, um über die Straße zu gehen. Häufig kennen sie in der ersten Klasse die Verkehrsregeln noch nicht. Sie brauchen etwa doppelt so lange wie Erwachsene, um sicher über die Straße zu gelangen. Das führt dazu, dass sie nicht so viel Verkehr vertragen. Das kann an der einen oder anderen Stelle zu einer Barrierewirkung führen, und wir müssen schauen, dass wir diese Barrieren auf den Haupt-Schulwegen erkennen und Maßnahmen vorschlagen, um diese Defizite zu beheben. Etwa, indem wir Zebrastreifen nachrüsten, die Sichtbeziehungen verbessern oder Querungslängen reduzieren.
Zur Person
Jens Leven (52) ist in Düsseldorf geboren, in Meerbusch aufgewachsen und heute Wahl-Wuppertaler. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. Nach einer handwerklichen Erstausbildung hat er in Wuppertal Verkehrswesen studiert und sich zum Sicherheitsauditor zertifizieren lassen. Seit 20 Jahren bearbeitet er bundesweit Projekte zur Schulwegsicherung und gründete vor über 10 Jahren das Ingenieurbüro bueffee.
Die Gemeinde will im Sommer an den Standorten in Finnentrop, Bamenohl und Heggen die ersten Hol- und Bringzonen errichten, sogenannte Elterntaxi-Haltestellen. Werden diese Zonen nachhaltig Erfolg haben?
Die Elterntaxi-Haltestellen sind nur ein Teil des Lösungsansatzes. Kurzer Schritt zurück: Wenn wir wollen, dass Kinder vermehrt selbstständig zur Schule gehen, dann ist die Basisanforderung der sichere Schulweg. Es wird aber auch in Zukunft Eltern geben, ich nenne sie liebevoll „Rest-Eltern“, die ihre Kinder im Auto bringen. Für sie brauchen wir ein attraktives Angebot. Wir wollen keine falschen Anreize schaffen, aber dafür sorgen, dass wir die unvermeidbaren Elterntaxi-Verkehre in geordnete Bahnen lenken. Dafür sind die Hol- und Bringzonen angedacht. Ob sie erfolgreich sind, hängt am Ende davon ab, wie gut sie in der Schule pädagogisch begleitet werden. Dafür gibt es in NRW ein Verkehrszähmer-Programm. Das läuft parallel zur Einrichtung der Elterntaxi-Haltestellen.
Was zeichnet eine gute Hol- und Bringzone aus?
Sie ist gut, wenn sie akzeptiert wird. Sie ist gut, wenn dort keine Verkehrsprobleme entstehen. Wichtig ist, dass eine Hol- und Bringzone keine unnötigen, zusätzlichen Verkehre verursacht. Am Ende ist eine solche Zone gut, wenn sie die Anteile von Kindern, die zu Fuß zur Schule gehen, erhöht und die Autos direkt vor den Schulen reduziert. In diesem Kontext ist es wichtig, dass das Zu-Fuß-Gehen trainiert wird. Egal, ob mit dem Lehrer, der Mama oder dem Polizisten.
Wie wichtig ist, dass die Kinder Lust haben, gemeinsam in kleineren Gruppen die letzten Meter bis zur Schule zu Fuß zu gehen?
Die Kinder haben eine Grundlust an Bewegung und ein grundsätzliches Interesse, sich selbstständig zu entwickeln. Sie müssen nicht immer von Mama oder Papa beaufsichtigt werden. Hier kommt das Verkehrszähmer-Programm wieder ins Spiel und ein motivierender Faktor: In der Schule besteht die Möglichkeit, sich eine nicht-kommerzielle Belohnung zu erarbeiten, indem sie die letzten Meter zu Fuß gehen. Eine solche Belohnung könnte in Form von hausaufgabenfrei erfolgen. Da gibt es viele Möglichkeiten.
Welche Rolle spielen die Eltern?
Ich habe es aufgeben, Eltern konkret auf ihr Verhalten anzusprechen. Der Hebel ist das Verkehrszähmer-Programm. Wenn Kinder den Weg allein gehen wollen und das jeden Tag sagen, weil sie dafür in der Schule belohnt werden, ist das viel wirksamer, als wenn Ordnungsamt oder Polizei das machen. Der Druck kommt nicht von den Behörden, er kommt von der Rückbank, also von den Kindern selbst.
Darüber hinaus stärkt es Sozialverhalten, oder?
Absolut. Wir alle haben diese Erfahrungen gemacht, und sei es, dass wir auf dem Weg von der Elterntaxi-Haltestelle zur Schule Klingelmännchen gespielt haben. Oder wir ängstlich vor einem Hund zurückgewichen sind. Das sind alles Erfahrungen, die wir nicht machen, wenn wir im Auto sitzen und bis vors Klassenzimmer gefahren werden. Der Schulweg ist daher ein wertvoller Beitrag zur Entwicklung der Kinder.
Lassen Sie uns abschließend den Blick in die Glaskugel werfen. Wird sich der Schulstandort Finnentrop positiv entwickeln, und zwar dadurch, dass unter anderem diese Hol- und Bringzonen geschaffen werden?
Sichere Schulwege, die von Kindern sorglos begangen werden können, sind ein Beitrag zur Lebenszufriedenheit in einer Kommune. Für mich ist das ein Standortfaktor. Wenn ich als Eltern morgens immer die Sorge habe, dass mein Kind nicht gesund nach Hause kommt, dann ist das nicht gut. Das können wir durch eine geschickte, gute Verkehrsplanung und durch eine gute Mobilitätsbildung erheblich verbessern.