Kohlhagen. Gemeinde Kirchhundem: Der Gasthof Gut Ahe hatte eine kreative Idee gegen den Fachkräftemangel. Die Lösung heißt Kha Minh Nguyen.
Der Name ist für einen Europäer deutlich leichter zu schreiben, als auszusprechen: Kha Minh Nguyen, 25 Jahre alt, stammt aus Südvietnam, genauer gesagt aus einer Stadt im sogenannten Mekong-Delta: Dass er jetzt in gepflegter Kellner-Kluft hinter dem Tresen des Sauerländer Landgasthofes Gut Ahe auf dem Kohlhagen steht und ein frisches Pils zapft, löst erst einmal ungläubige Blicke aus. Wie kommt ausgerechnet ein Südvietnamese auf die Idee, über 9.000 Kilometer von seiner Heimat entfernt, seine Zukunft zu suchen?
Rundherum zufrieden über den Schritt von Kha Minh Nguyen ist Verena Hermes, die Chefin von Gut Ahe: „Er ist für uns ein Glücksgriff“ lobt sie ihn über den grünen Klee, „immer freundlich, gut gelaunt, fleißig, gepflegt und aufmerksam“, strahlt die 33-jährige Geschäftsführerin, die den Landgasthof von Kindes Beinen an in- und auswendig kennt: „Ich bin eine geborene Neuhaus“, erklärt sie die Vorgeschichte, „die Familie, die hier auf dem Gut seit über 150 Jahren zu Hause ist.“ Früher gehörte ein Bauernhof dazu. Kühe, Pferde und Schweine kennt die 33-Jährige nicht nur aus kitschigen Tierfilmen.
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Ahe stehe für „wasserreiches Gebiet“, klärt sie mich auf. Zur Bezeichnung Landgasthof und Café habe sich später das Ferien-Hotel hinzugesellt. Die Ausmaße des gesamten Gastronomie-Anwesens, das nur einige hundert Meter Luftlinie von der Wallfahrtskirche Kohlhagen liegt, kann sich sehen lassen: „Momentan können wir den großzügigen Biergarten in den Sommermonaten mit fast 300 Sitzplätzen bestücken.“ Vor allem Wanderer und Fahrradfahrer gehören zur Zielgruppe. Im Innern kann das Gut Ahe noch einmal 30 Hotelbetten anbieten sowie 70 Plätze im Restaurant. Dort, wo Kha Minh Nguyen seit September das Zepter schwingt. Das gesamte Team besteht aus 16 Mitarbeitern, sechs davon fest angestellt, darunter allein drei Köche.
Also alles in Butter, oder? Nicht ganz: Ende des Sommers kündigten auf einen Schlag fünf 520-Euro-Teilzeitfrauen im Service: „Da haben wir uns natürlich Gedanken gemacht“, erinnert sich Verena Hermes. Ihr Mann Sebastian habe dann die zündende Idee gehabt und gesagt: „In den österreichischen Alpenhütten arbeiten auch keine Österreicher“ - mit Blick auf die Internationalität des dortigen Personals. Ein Anruf beim hiesigen Arbeitsamt in Olpe habe dann den weiteren Weg geebnet: „Über die Deutsche Industrie- und Handelskammer kamen wir in Kontakt zu einem Vermittler der Organisation Hand in Hand for international Talents. Und die wiederum arbeitet eng mit Vietnam zusammen.“ Tatsächlich habe sich ein Repertoire von 50 potenziellen Bewerbern aufgetan - für alle gastronomischen Disziplinen: Hotel, Küche, Restaurant und so weiter. Die Wahl fiel schließlich auf den jungen Kha Minh Nguyen, der dann im September nach einem 16 Stunden langen Flug mit seinem Koffer auf dem Kohlhagen stand.“ Ganz nebenbei einen Tag nach seinem 25. Geburtstag.
24-jährige Ehefrau in der Heimat
Fast jeden Tag telefoniert Nguyen in seine Heimat. Am anderen Ende seine 24-jährige Ehefrau. Dass er seine Zukunft und die seiner Frau in Deutschland sieht, daraus macht der mit einem ansteckenden Lächeln ausgestattete junge Mann keinen Hehl: „Deutschland ist in Vietnam für seine Lebens-Qualität bekannt.“ Die Wirtschaft, die Schulen, die Straßen - und im Sauerland die Täler und Berge, die Kha aus seiner Heimat nicht kennt: „Bei uns ist alles flach“, grinst er. Auf weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede in seinem beruflichen Metier angesprochen, überlegt er kurz: „Auch in Vietnam trinkt man Bier, aber nicht so viel.“ Kartoffeln würden eher selten verspeist, eher Reis.“
65 freie Stellen im Kreis Olpe
Die Arbeitsagentur Siegen/Olpe vermeldet auf Anfrage derzeit 65 gemeldete freie Stellen in den Gastro-Betrieben im Kreis Olpe. 40 davon fallen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die anderen 25 auf Ausbildungsstellen. Dem stehen 51 Bewerber gegenüber, die eine Beschäftigung in der Gastronomie suchen. Auffällig ist dabei, dass lediglich acht Fachkräfte einen Job suchen.
Sollten Gastro-Betriebe an Fachkräften aus dem Ausland interessiert sein, rät die Agentur, sich nicht von bürokratischen Hürden, sprachlichen Barrieren oder zeitaufwendigen Anerkennungsverfahren, die es gemeinsam mit dem Bewerber zu überwinden gilt, abhalten lassen. Die Agentur helfe und vermittle zu weiteren Akteuren wie den Industrie- und Handwerkskammern.
Carsten Plate, Teamleiter des Arbeitgeberservices in der Agentur für Arbeit Siegen: „In einem persönlichen Gespräch mit dem Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit werden die Bedarfe und Anforderungen an den Bewerber und die zu besetzende Stelle erfasst. Daher ist der Hinweis, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland willkommen sind für unsere Rekrutierungsbemühungen ein wichtiger Hinweis.“
Das Projekt-Management von „Hand in Hand for international Talents“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer ist erreichbar unter projekt_hih@dihk.de oder unter Telefon: 030/20308-6580
Sein vorrangiges Ziel, beschreibt er ganz einfach: „Ich will mich weiterentwickeln.“ Dass er das im Landgasthof Gut Ahe kann, daran besteht kein Zweifel. Denn das Unternehmen Hermes ist mit Volldampf dabei, sich auszuweiten. Mit Hilfe von Schwager und Architekt Tobias Hermes wird der Betrieb gerade um einen stattlichen Festsaal erweitert: „Wenn alles wie geplant läuft, steht das Holzständer-Bauwerk noch Ende diesen Jahres, eröffnen wollen wir im Sommer 2024“, lacht die 33-jährige gelernte Köchin Verena Hermes, die in ihrer Berufsausbildung noch ein Hotel-Management-Studium und eine Hotel-Fachlehre in München (Hilton) draufgesetzt hat. O-Ton: „Ich bin ein Gastro-Kind.“
Hochzeiten im Blick
Mit dem Bau des neuen Saales hat das Unternehmen vor allem Hochzeitsfeiern im Blick. Ein kleines Standesamt ist in einem alten Gutsgebäude gleich integriert. „Für August haben wir sogar jetzt schon eine Hochzeits-Buchung“, freut sich die umtriebige Geschäftsführerin. Dass Kha Minh Nguyen dann noch zum Team „Gut Ahe“ gehören wird, daran lässt Verena Hermes keinen Zweifel. Verstärkt wird bis dahin auch Familie Hermes sein. Denn Wirtin Verena erwartet ,ganz nebenbei‘ ihr drittes Kind: „Über Arbeit brauche ich mich nicht zu beklagen.“