Elben/Rothemühle. Familie Halfar will einen Ferienpark für Schwerstbehinderte bauen – dafür sind sie auf Unterstützung angewiesen und benötigen 1,5 Millionen Euro.

„Hallo! Hallo“! – auch ein leises Flöten ist zu vernehmen. Es kommt aus dem Zimmer von Paul. Paul ist 19 Jahre alt und wohnt mit seiner Mama Alexandra (42), Papa Tim (46), Schwester Laura (13) und Familien-Labrador Caspar (3) in Elben. Er ist der Mittelpunkt der Familie, ein besonderes Kind, ein Wunschkind, ein fröhlicher Junge, der nie traurig ist, sondern immer lacht. Und – Paul ist der Grund für ein einzigartiges Projekt, welches in der Gemeinde Wenden geplant ist. Auf einem 16.000 Quadratmeter großen Grundstück in Rothemühle soll ein einzigartiger Ferienpark für Familien mit schwerstbehinderten Menschen entstehen. Das ist die Geschichte dahinter.

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Es ist die 30. Schwangerschaftswoche, als die jungen Eltern erfahren, dass mit ihrem Baby etwas nicht stimmt. Im Ultraschall stellen die Ärzte fest, dass der Kopf des ungeborenen Kindes plötzlich sehr viel größer ist, als er sein sollte. „Für uns ist eine Welt zusammengebrochen, als die Ärzte uns sagten, dass unser Sohn behindert sein wird und einen Wasserkopf hat“, beschreibt Alexandra ihre damalige Gefühlslage. Es beginnen Wochen der Angst und ein regelrechter Ärztemarathon für das junge Paar. Am 23. März 2004 kommt Paul per Notkaiserschnitt in der Uniklinik Bonn zur Welt, weil sein Kopf für eine normale Entbindung zu diesem Zeitpunkt zu groß ist.

Keine hohe Lebenserwartung

„Dann war er da und fast hätten wir ihn wieder durch eine Blutvergiftung verloren“, schildern Alexandra und Tim Halfar die ersten Stunden mit ihrem Baby. Schnell wird klar, dass nur eine schnelle Operation und das Einsetzen eines Shunts verhindert, dass der Kopf weiterwachsen würde. Zu diesem Zeitpunkt steht bereits fest, dass Paul schwerstbehindert sein wird, weil das Hirnwasser in seinem Kopf die Entwicklung seines Gehirns beeinträchtigt hat. „Wir haben den Arzt gefragt, wann das Gehirn wiederkommt, und dieser sagte uns damals, dass wir Paul ins Bett legen sollen, da er bald sterben würde“, ist Pauls Mama immer noch geschockt von der Aussage. Nach acht Wochen darf Paul die Kinderklinik in Bonn verlassen. Ein Jahr dauert es, bis sein Gehirndruck wieder normal ist.

Die Diagnose: genetischer Wasserkopf – Hydrozephalus

Eine Untersuchung im Institut für Humangenetik gibt der Familie Gewissheit. Paul hat einen genetischen Wasserkopf – Hydrozephalus genannt. Ein Gendefekt, der 2004 bei nur 17 Kindern bekannt ist. Alexandra und Tim Halfar lieben ihren Paul, so wie andere Eltern ihr gesundes Kind. Unermüdlich kümmern sie sich um den schwerstbehinderten Jungen. Sie besuchen mit Paul die Krabbelgruppe, machen sechs Jahre lang dreimal täglich Vojta-Therapie und melden ihn im integrativ-Kindergarten in Saßmicke an. Als Paul fünf Jahre alt wird, entscheiden sich die Halfars für ein weiteres Kind: „Wir wollten unbedingt wissen, wie es ist ein gesundes Kind zu haben“. Und so komplettiert die heute 13-jährige Laura die Familie.

So soll der Ferienpark in der Gemeinde Wenden aussehen
So soll der Ferienpark in der Gemeinde Wenden aussehen © Unbekannt | Manuela Nossutta/Funkegrafik

Paul hat Pflegegrad 5, hat bis zu seinem 18. Lebensjahr die Max-von-der-Grün-Schule in Olpe besucht und wird nun in den Werthmann-Werkstätten täglich von 8 bis 16 Uhr unterstützt. Die große Verantwortung für Paul und die Coronakrise, in der die Familie mangels Betreuung und Therapiemöglichkeiten an ihre Grenzen gekommen ist, hat sie noch fester zusammengeschweißt. Die Halfars suchten nach Erholungszeiten, Orten, um gemeinsam neue Kraft zu schöpfen – sich zu erholen. Sie fanden kaum Unterkünfte, die rollstuhlgerecht und barrierefrei sind und wo sich jedes Familienmitglied vom Alltagsstress erholen kann.

Das soll der Ferienpark Familien bieten

Also reifte eine Idee, ein Traum, eine Vision – unter dem Motto „Therapie und Auszeit für alle“. TIMAO – dieser Name steht für das einmalige Projekt. Er stammt aus dem altgriechischen und bedeutet „ehren und schätzen“. Als Initiatoren wollen Alexandra und Tim Halfar anderen Familien einen Rückzugsort bieten, ein Ferienparadies, wo Kinder oder Erwachsene mit schweren Behinderungen alles vorfinden, was für einen erholsamen Urlaub nötig ist. Ein Urlaub mit Therapieansatz, mit Hilfsangeboten wie Pflegebetten und einen Lifter. Sie erstellten einen Finanz- und Businessplan, entwickelten gemeinsam mit Tobias Hermes von der Archifaktur Lennestadt einen Konzeptplan und führten erste Finanzierungsgespräche mit Banken.

Der einmalige Ferienpark soll in Rothemühle entstehen, auf einem 16.000 Quadratmeter großen Areal, hinter dem ehemaligen Balcke-Dürr-Gelände, an der Wildenburger Straße. Einer Fläche, die die Gemeinde Wenden für das einmalige Projekt bereithält. Geplant sind sechs Ferienhäuser für bis zu acht Personen je Haus. Ein großes Gemeinschaftshaus, ein behindertengerechter Spielplatz, ein Ruheraum und eine große Reithalle, um Reittherapien durchführen zu können. Der Fokus liegt auf intensiver Hippo- und Reittherapie, speziell an die individuellen Bedürfnisse, angepassten Übernachtungsmöglichkeiten und professioneller Tagesbetreuung für Kinder mit Behinderungen und ihre Geschwister.

1,5 Millionen Eigenkapital werden benötigt

Gleichzeitig möchte TIMAO den Eltern die Möglichkeit geben, sich vom fordernden Alltag pflegender Angehöriger zu erholen und neue Kraft zu schöpfen. TIMAO ist ein Großprojekt in Höhe von 5 Millionen Euro. Um dieses tolle Projekt zu verwirklichen, werden 1,5 Millionen Euro benötigt, damit die Bank in die Finanzierung einsteigt. Mittels Investoren, Stiftungen, Spendengeldern, Patenschaften und der Mitgliedschaft im neu gegründeten Verein soll das Herzensprojekt realisiert werden. Die Gemeinnützigkeit dahinter steht an erster Stelle. „Unsere Pläne sind so weit fortgeschritten. Wir möchten das Projekt gerne für andere Familien verwirklichen und werden unser Haus verkaufen, um mit dem Kapital die benötigten 1,5 Millionen Euro aufzustocken“, so Tim Halfar.

Kosten sind bislang keine entstanden, denn die ersten Unterstützer haben sich ehrenamtlich bereiterklärt, das Projekt TIMAO zu unterstützen. So hat die Firma STH Tiefbau Kirchhundem bereits das Grundstück vermessen und seine Beschaffenheit überprüft und verifiziert, sodass Architekt Tobias Hermes von der Archifaktur Lennestadt die bedarfsgerechte Gestaltung und Konzeption der Immobilien und des Geländes übernommen hat, während die Firma G-TEC Ingenieure sich für die technische Planung und Gebäudeausstattung mit Fokus auf Nachhaltigkeit zur Verfügung stellt. Darüber hinaus haben sich weitere Kooperationspartner aus dem sozialen Bereich und der Behindertenhilfe bereiterklärt, das Projekt TIMAO zu begleiten und zu unterstützen.

  • Bürgermeister Bernd Clemens von der Gemeinde Wenden ist begeistert von dem Projekt: „Tim Halfar hat TIMAO in einer nichtöffentlichen Sitzung im Rat vorgestellt. Wir stehen voll dahinter und stellen als Gemeinde das Grundstück zur Verfügung“.
  • Weitere Informationen zum Projekt TIMAO, die Mitgliedschaft im Verein oder Patenschaften: www.timao.info
  • In der aktuellen Crownfunding-Phase werden Spenden angenommen unter: Timao, Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden, IBAN: DE42 4625 0049 0000 1742 19.

Verein TIMAO wird gegründet

Für die Realisierung des Herzensprojektes TIMAO gründete sich am 12. September der Verein TIMAO (in Gründung). Das Vorstandsteam ist eine bunte Mischung von Menschen, die sich aus unterschiedlichen Beweggründen zusammengefunden und sich zum Ziel gesetzt haben, das Projekt TIMAO zu realisieren. Unter den Gründungsmitgliedern finden sich zu allererst betroffene Familien und deren Angehörige, aber auch Therapeuten, Pflegekräfte, Betreuungskräfte, Pädagogen, Lehrer, Mitarbeiter im Vertrieb und Marketing, Mediengestalter und mehr, die sich allesamt für das Projekt TIMAO einsetzen und starkmachen. Jedes Mitglied bringt dabei seine individuellen Fähigkeiten und Ideen ein und arbeitet leidenschaftlich daran, das Projekt TIMAO weiter zu entwickeln, voranzutreiben, Unterstützer zu gewinnen und letztendlich zu verwirklichen. Jeder kann Mitglied werden und der kleine Mitgliedsbeitrag in Höhe von zehn Euro unterstützt das Projekt. Für Initiator Tim Halfar ist das Jahr 2024 richtungweisend. Sollte das Projekt am Ende nicht umzusetzen sein, weil das Eigenkapital nicht zustande kommt, wird der Verein TIMAO die Gelder an ähnliche Projekte weitergeben. „Großspenden können wir zurückabwickeln“, so Tim Halfar.