Wenden. Jeder zweite Arzt ist in Wenden über 60 Jahre alt. Kreis-Mitarbeiterin Christina Röcher will junge Ärzte anlocken.

Die Zahl ist alarmierend: 53 Prozent der Ärzte in der Gemeinde Wenden sind über 60 Jahre alt. Da drängt sich die Frage auf: Droht eine ärztliche Unterversorgung in der südlichsten Kommune des Kreises Olpe? Seit April 2022 ist Christina Röcher beim Kreis Olpe als Projektmanagerin der Servicestelle für Ärztinnen und Ärzte tätig. Ihre Aufgabe ist die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in den Städten und Gemeinden im Kreis Olpe. In der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses stellte sie ihr Tätigkeitsfeld vor und ging auch auf die Situation in der Gemeinde Wenden ein.

Dass eine medizinische Unterversorgung drohe, habe mehrere Gründe, so Christina Röcher, deren Aufgabe auch ist, Ärzten zu zeigen, dass der Kreis Olpe ein attraktiver Lebens- und Arbeitsort ist und sie während der gesamten Phase einer möglichen Niederlassung zu begleiten. „Eine Unterversorgung droht wegen des hohen Durchschnittsalters der Ärzte, gerade im Bereich der Allgemeinmedizin. Die Praxen sind veraltet. Es gibt sehr viele Einzelpraxen, die immer unattraktiver werden. Zudem wird der bürokratische Aufwand immer höher“, beschrieb Röcher die Situation im Kreis Olpe.

Praxisübernahme ist unattraktiv

Das alles mache die Übernahme einer Praxis unattraktiv. Hinzu kämen die Landflucht und die älter werdende Bevölkerung. Außerdem werde die Medizin immer weiblicher, da junge Frauen nach dem Abitur einen besseren Numerus clausus vorweisen könnten als junge Männer.

„Auf den Kopf eines Landarztes, der meist über 40 Wochenstunden arbeitet, kommen drei Ärztinnen. Wenn man sich das vor Augen führt, weiß man, was auf uns zukommt“, sagte die Projektmanagerin. Frauen würden Wert legen auf Teilzeitmodelle, die aber in den vielen Einzelpraxen im Kreis Olpe nicht umsetzbar seien. Deshalb müssten Nischenlösungen geschaffen werden – zum Beispiel in Gemeinschaftspraxen mit geregelten Arbeitszeiten.

Die Situation bei den Ärzten in Wenden.
Die Situation bei den Ärzten in Wenden. © FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Ein weiteres Problem seien die vielen Notdienste, die im Kreis Olpe geleistet werden müssten, so Christina Röcher. Grund sei, dass sich Mediziner über 60 Jahre, die es im Kreis Olpe reichlich gibt, von den Diensten befreien lassen können. Entsprechend mehr Dienste müssten die Jüngeren leisten. Dies schrecke junge Ärzte ab.

Zu Beginn ihrer Tätigkeit im Olper Kreishaus habe sie eine medizinische Befragung durchgeführt, berichtete die Projektmanagerin. 110 Praxen habe sie angeschrieben und 61 Antworten bekommen. Bemerkenswert: 42 Prozent der befragten Ärzte denken kurz- oder mittelfristig über eine Aufgabe ihrer Praxis nach. In Wenden kommen auf 19.442 Einwohner 13,2 Allgemeinmediziner. Sieben davon seien über 60 Jahre alt. Das sind 53 Prozent. Die Stadt Olpe stehe da mit 25 Prozent noch gut da, so die Projektmanagerin.

„Die Digitalisierung ist noch nicht so weit fortgeschritten wie sie sein sollte“, betonte Christina Röcher. Die Sichtbarkeit des Kreises Olpe sei nicht gut: „Jede Kommune tritt für sich auf. Es gibt keinen Weiterbildungsverbund. Es gibt keine Unterstützung bei der Nachfolgeregelung. Ich habe ein Ärzteforum im Kreis Olpe einberufen, um Kommunikation zu ermöglichen.“

Arztpraxis in Rothemühle

Als Eckpfeiler ihres Konzeptes zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung nannte Christina Röcher die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Ärzten, eine Praxisbörse für den Kreis Olpe und ein Netzwerk für heimische Medizinstudenten. Auf einer neuen Internetseite „Heimat auf Rezept“ werde sich erstmals der gesamte Kreis Olpe präsentieren. Fortgesetzt werden soll das Programm „Localhero“, bei dem Studenten der Uni Witten in Landarztpraxen hospitieren und das Sauerland kennenlernen. „Ich versuche, an die Medizinstudenten heranzukommen“, sagte Christina Röcher.

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Eine gute Nachricht bezüglich der Sicherstellung der künftigen medizinischen Versorgung gibt es aus Rothemühle. Die Gemeinde habe der Raiffeisen Sauer-Siegerland ein Grundstück in unmittelbarer Nähe zum Raiffeisenmarkt zur Verfügung gestellt für Wohneinheiten und eine Arztpraxis, so Bürgermeister Bernd Clemens. Die Bauarbeiten laufen. In die Praxis kommt Dr. Diana Fectu, die am 1. April die Praxis von Sibylle Mißmahl in Rothemühle übernommen hat.