Drolshagen-Herpel. Der kleine Kupferstollen im Drolshagener Dörfchen Herpel ist ein historisches Kleinod. Die tragische Geschichte lässt einen erschauern.

Mücken, Fliegen, Falter und sonst noch allerlei Insekten fallen wie in einem organisierten Generalangriff über mich her, als ich gemeinsam mit Jörg Uelhof und Dr. Peter Vitt ein heimathistorisches Kleinod in seinem Jahrhunderte währenden Produktionsschlaf störe. Die Rede ist vom alten Erz- und Kupferstollen, dessen Stollenmundloch sich nur wenige Meter hinter dem Grundstück von Jörg Uelhof am Hang des Lindenberges im kleinen Drolshagener Dörfchen Herpel befindet.

Historiker Dr. Peter Vitt aus Drolshagen besichtigt den Stollen, dem er in einem seiner Bücher ein kleines Kapitel gewidmet hat.
Historiker Dr. Peter Vitt aus Drolshagen besichtigt den Stollen, dem er in einem seiner Bücher ein kleines Kapitel gewidmet hat. © W | Josef Schmidt

Beim Ortsbegriff „Lindenberg“ hakt Heimathistoriker Dr. Peter Vitt allerdings ein: „Aus alten Katasterkarten geht hervor, dass der Berg eigentlich ,Lingenberg’ heißt.“ „Hier bei uns kennen wir das nur als „Lindenberg“, zuckt Uelhoff mit den Schultern. So heißt denn auch die Straße, die am Kupferstollen vorbeiführt.

Verarmtes Kloster

Die Geschichte des heute noch über eine Strecke von rund 25 Metern begehbaren Stollens reicht zurück bis ins 18. Jahrhundert, informiert uns Dr. Peter Vitt. Der Drolshagener Heimatforscher hat sich in seinem Buch „Wirtschaftsgeschichte Drolshagen“ mit dem Kupferstollen beschäftigt und die wesentlichen geschichtlichen Eckdaten festgehalten (Seite 522).

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Was heute kaum bekannt ist und vermutlich auch nur schwerlich für möglich gehalten wird, war damals bittere Realität: ein verarmtes Kloster. Gemeint ist das Drolshagener Zisterzienserinnen-Kloster, das um 1760 sprichwörtlich am Hungertuch nagte. Ein Prior, so etwas wie ein stellvertretender Kloster-Manager, sollte helfen, die Finanzmisere zu beheben. Wie die Recherchen von Peter Vitt ergaben, gelang das aber nicht. Vitt: „Mit hektischem Aktionismus kaufte der Prior Bergwerke (...) und ließ nach Erz schürfen.“

In der kniffligen Situation sei es ihm sehr gelegen gekommen, als Bauern aus dem Schreibershofer Grund von einer Kupfererz-Ader berichtet hätten: die Geburtsstunde des heute immer noch existierenden Herpeler Kupferstollens. Der Prior ließ für die damals große Summe von 3000 Talern bei Herpel den besagten Stollen anlegen, in der Hoffnung auf reichen Ertrag. Doch nach kurzer Zeit erwies sich die Hoffnung als gegenstandslos. Das erhoffte Erz kam nicht zum Vorschein. Die Hoffnung auf Kupfer war jedoch nicht völlig versiegt, so dass ein in das Dorf Bruch eingeheirateter Kupferschmied namens Scheiteler einen erneuten Versuch wagte. Laut Vitt war der Schmied vermutlich durch den Handel mit Kupfergeschirr - heute noch sind sündhaft teure Kupferpfannen das Non-Plus-Ultra in Profiküchen - zu Wohlstand gekommen. Was ihn aber nicht vor seinem tragischen Ende bewahrte.

Jörg Uelhoff, ehemaliger Ortsvorsteher von Herpel, ermöglicht uns den Blick aufs Gestein. Ob die rötlich-braunen Stellen am Ende doch noch auf Kupfer hindeuten?
Jörg Uelhoff, ehemaliger Ortsvorsteher von Herpel, ermöglicht uns den Blick aufs Gestein. Ob die rötlich-braunen Stellen am Ende doch noch auf Kupfer hindeuten? © WP | Josef Schmidt

Dass die sehnsüchtige Suche nach Gold und Silber schon so manches Menschenleben auf diesem Planeten gekostet hat, ist unbestritten. Dass aber auch Kupfer dazu in der Lage ist, überrascht den Laien. Trauriges Ende der Geschichte: Der Betrieb des Bergwerks führte den Kupferschmied in den Bankrott, so dass sich der Hochverschuldete aus Verzweiflung in seinem eigenen Weiher ersäufte. Bergbau fand danach vermutlich nie mehr statt in der kleinen Grube.

Zuflucht vor den Bomben

Völlig in Vergessenheit war sie jedoch nicht geraten: „Als die englische Airforce im 2. Weltkrieg die Sauerländer Talsperren bombardierten“, klärt Historiker Vitt auf, „befürchtete man, dass auch die Lister-Staumauer angegriffen würde und sie das gleiche Schicksal wie die Möhne-Talsperre treffen würde, wo mehr als 1300 Menschen ertranken. In Herpel erinnerte man sich an den alten Stollen, der 1912 vom Landwirt Josef Stahlhacke erwähnt wurde, und richtete ihn provisorisch als Luftschutzbunker ein.“

Jörg Uelhoff erinnert sich im Gespräch mit unserer Redaktion an eine kuriose Begebenheit: „Mein Vater Rudolf Willi Uelhof und andere ältere Herpeler konnten sich an den Stollen noch erinnern und entschlossen sich Ende der 90-er Jahre, den Stollen freizulegen.“ Als Müll, Astwerk, Abbruchmaterial und Erde beseitigt und das Mundloch freigelegt worden sei, so Uelhof, „entdeckten sie tatsächlich noch die Kerzenstümpfe der Herpeler, die in dem Stollen vor möglichen Bomben Schutz gesucht und für Licht sorgen wollten.“

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Die Herpeler jedenfalls halten ihren Kupferstollen in Erinnerung, haben vor das durch ein Gitter verschlossene Mundloch ein kleine Sitzecke errichtet und halten den Jahrhunderte in Vergessenheit geratenen Stollen in ansehnlichem Zustand. Mit breitem Grinsen erzählt Jörg Uelhof von einer größeren Veranstaltung für Alt und Jung auf dem Vorplatz: Ein als Teufel verkleideter Herpeler habe sich im Stollen versteckt und sei herausgesprungen, um den Mitbürgern einen gehörigen Schreck einzujagen.

Ob sich in dem etwa 22 Meter langen Stollen noch Kupfer im Gestein befindet, könnte wohl nur ein Bergbau-Ingenieur oder ein alter Bergmann feststellen. Mit einem kräftigen Blitzgerät geschossene Fotos zeigen zumindest rot-bräunliches Gestein an der einen oder anderen Stelle. Und vielleicht fasst sich ja doch noch einmal ein Kupfer-Fan ein Herz und lässt ein paar Brocken untersuchen. Wobei dringend davor gwarnt werden muss, dass nicht der Geist des bedauernswerten Kupferschmiedes Scheiteler im Herpeler Mondenschein umher geistert, um zu verhindern, dass andere Hand an „sein“ Kupfer legen… .