Heggen. Der alte Schießstand unweit der Bigge ist zu einem Lost Place verfallen. Karin Voß (62) war als Kind oft dort – und hat spannende Erinnerungen.
Karin Voß hat noch sehr lebendige Erinnerungen an diesen Ort. „Es war richtig schön da oben“, schwärmt die 62-Jährige aus Heggen. Jeder sprach damals nur von der Kippe. Ein Gelände ganz in der Nähe des alten Kalkwerks am Fuße der Hohen Ley. Karin Voß verbindet damit viele persönliche Abenteuer. Auch, weil der Ort ein Teil ihrer Familiengeschichte ist.
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Heute lässt sich nur noch erahnen, wie beliebt der alte Schießstand unweit der Bigge hinter der Raiffeisen-Tankstelle in Heggen war. Der Großteil der Anlage wurde zerstört oder ist der Witterung zum Opfer gefallen. Aus dem Häuschen wurden die verrosteten Heizkörper herausgerissen und ins nahegelegene Schwimmbecken geworfen, das mit Schlamm, Ästen, Laub und Moos gefüllt ist. Graffiti-Schmierereien erstrecken sich über die einzelnen Schießstände. Überall liegt Schutt, dicke Spinnenweben haben sich an den Scheibenhalterungen festgesetzt. Frühere Besucher haben zerquetschte Bierdosen und zerplatzte Luftballons hinterlassen. Vereinzelte Grasbüschel und Sträucher wachsen an den Wänden des eingestürzten Häuschens und am Beckenrand. Der Platz ist zum „Lost Place“ verkommen. Er ist verlassen, aber nicht vergessen.
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„Ich schätze, dass ich etwa fünf Jahre alt gewesen sein muss, als ich zum ersten Mal dort oben war“, erzählt Karin Voß. Ihr Vater Heinz Voß engagierte sich damals zusammen mit anderen begeisterten Schützenbrüdern als Förderer des Schießsports (Kleinkaliber). 1957 hatte er federführend den Schießstand an der Hohen Ley gestaltet. Hier wurden unter anderem offizielle Wettkämpfe des Deutschen Schützenbundes bis hin zur Bezirksebene durchgeführt. Doch das Gelände war viel mehr als ein einfacher Sportplatz: Es war ein Ort, an dem Familien aus dem Dorf zusammenkamen, und eine schöne Zeit miteinander verbrachten. „Ich kann mich daran erinnern, dass dort viele Walderdbeeren wuchsen. Wir haben als Kinder dann immer ein Eimerchen mitgenommen, Erdbeeren gesammelt und sie verschnabuliert“, sagt Karin Voß und lacht.
Über die Jahre entwickelte sich der Schießstand immer mehr zu einem Ausflugsziel. „Papa hat ein Häuschen auf das Gelände gebaut, mit Toilette, Dusche und einer Zapfanlage. Da wurden super Feten gefeiert“, so Voß. Auch ein kleines Schwimmbecken ließ Heinz Voß hier errichten. „Da drin habe ich übrigens schwimmen gelernt“, erinnert sich Karin Voß. Es war eine schöne und unbeschwerte Zeit, an die man gerne zurückdenkt.
Mit der Pubertät kam der Wunsch nach Veränderung. „Irgendwann wollte man dann auch mal was Größeres haben. Wir sind dann öfter nach Plettenberg gefahren, wo andere Mädchen und andere Jungs waren. Da wurde der Papa etwas knorrig, weil der Pool und alles drumherum natürlich regelmäßig gereinigt werden musste.“ Der einst so belebte Platz wurde immer weniger genutzt. Neue Sicherheitsbestimmungen, verbunden mit hohen und kostspieligen Auflagen, läuteten Anfang der 1980er-Jahre das Ende ein. Der Schießbetrieb wurde schließlich vollständig eingestellt. Das Scheibenschießen, das Familien und Generationen im Dorf miteinander verbunden hatte, war plötzlich keine Freizeitbeschäftigung mehr. Das Gelände wurde sich selbst überlassen.
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Marvin Groß, Sohn von Karin und Enkel von Heinz Voß, hatte vorübergehend mit dem Gedanken gespielt, das Gelände wieder zu neuem Leben zu erwecken. „Aber das waren nur jugendliche Spinnereien“, sagt der 35-Jährige rückblickend. Mittlerweile ist der Bereich so zugewachsen, dass der Weg nur noch über einen steilen Abhang zu Fuß erreichbar ist. Die Brücke über die Bigge direkt hinter einer Firma an der Biggestraße ist offiziell gesperrt und mit meterhohem Unkraut bewachsen. Für Karin Voß ist der Ort ihrer Kindheit nicht mehr zugänglich. Das letzte Mal war sie vor etwa 20 Jahren auf dem Gelände. „Natürlich ist das schade, dass das alles so verfallen ist“, sagt sie. Aber die schönen Erinnerungen an früher bleiben.