Hünsborn. Ein Unternehmen in Hünsborn hat die Vier-Tage-Woche eingeführt. Jetzt gibt es viele Bewerber.

Detlev Daub erfuhr in einen Bericht, dass in anderen Ländern die Vier-Tage-Woche ausprobiert wird. Der Geschäftsführer der Firma Daub CNC Technik leitete diesen weiter an Volker Kaluza, den Geschäftsführer Vertrieb in seinem Unternehmen. Es folgte ein Gespräch, das für eine grundlegende Änderung in der Firma in Hünsborn geführt hat. Seit sechs Monaten wird hier bereits nach dem Donnerstag das Wochenende eingeläutet.

„Wir haben uns zusammengesetzt und darüber gesprochen, was die Herausforderungen der Zukunft für unser Unternehmen bedeuten. Wir haben dann dieses Arbeitszeitmodell aus den anderen Ländern auf unser Unternehmen übertragen“, sagt Volker Kaluza im Gespräch mit dieser Redaktion. Im Oktober vergangenen Jahres wurde die Vier-Tage-Woche eingeführt. „Früher haben wir 40 Stunden die Woche gearbeitet, an fünf Tagen jeweils acht Stunden. Jetzt arbeiten wir 36 Stunden, an vier Tagen jeweils neun Stunden. Das sind vier Stunden in der Woche weniger. Das haben wir umgesetzt bei vollem Lohnausgleich“, berichtet der Geschäftsführer Vertrieb.

Immer langes Wochenende

Eine Rechnung, die aufgeht. „Wir haben es durch eine Steigerung der Produktivität ausgleichen können“, so Kaluza: „Alle sind wesentlich motivierter, ausgeglichener und zufriedener. Wir haben weniger Fehltage.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass es bei Daub CNC Technik – das Unternehmen beschäftigt sich mit individualisierten Gehäuselösungen zum Schutz von Elektronik-Baugruppen - keinen Fachkräftemangel gibt: „Wir haben viele Bewerbungen bekommen aufgrund der Änderung des Arbeitszeitmodells.“

Dieses Robotersystem hilft der Firma Daub CNC Technik laut Volker Kaluza trotz zehn Prozent weniger Arbeitszeit die Produktivität zu erhöhen.
Dieses Robotersystem hilft der Firma Daub CNC Technik laut Volker Kaluza trotz zehn Prozent weniger Arbeitszeit die Produktivität zu erhöhen. © WP | Privat

Donnerstag sei für die Mitarbeiter im Unternehmen schon der Freitag: „Alle haben ein langes Wochenende. Wie jetzt über Ostern, ist das hier jede Woche. Das sorgt dafür, dass die Stimmung besser ist im Unternehmen.“ Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergesundheit seien gestiegen, betont der Geschäftsführer Vertrieb.

Gerade jungen Leuten gehe es heutzutage um eine „Work Life Balance“, darum, Arbeit und Freizeit in Einklang zu bringen. „Früher haben die Leute sechs Tage die Woche gearbeitet, sich reingekniet und gesagt, dann holen wir uns einen neuen 11er. Heute geht es darum, dass man sich nicht kaputt macht. Wir glauben nicht, dass ein Mitarbeiter bei uns bei einer Vier-Tage-Woche einen Burn-Out kriegt“, so Kaluza.

Durch das neue Arbeitszeitmodell gebe es einige weitere Vorteile: „Prozesse, die uneffizient sind, werden dadurch eher entdeckt und optimiert. Ein Mitarbeiter kam zum Beispiel und sagte, dass er es zeitlich nicht schaffe, eine Excel-Tabelle zu erstellen. Als wir ihn fragten, für wen er das denn mache, meinte er: Weil ihr das so wollt. Da haben wir es sein gelassen.“

Einsparungen bei Gas und Strom

Auch die energetische Nachhaltigkeit sei ein wichtiger Faktor, der für die Vier-Tage-Woche spricht: „Dadurch, dass die Firma einen Tag weniger in der Woche aufschließt, haben wir Einsparungen bei Gas und Strom.“ Kaluzas Bilanz nach dem ersten halben Jahr mit dem neuen Arbeitszeitmodell ist durchweg positiv: „Für uns war das die richtige Entscheidung. Wir werden weiter daran festhalten.“ Anfangs habe es zwar noch ein oder zwei Zweifler im Unternehmen gegeben, aber das sei vorbei: „Diejenigen, die anfangs noch dagegen waren, sind jetzt auch überzeugt.“

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Er sei auch bereits von anderen Unternehmen kontaktiert worden, berichtet der Geschäftsführer Vertrieb: „Wir gehen gerne in den Austausch mit Firmen, die das auch einführen möchten. Wir erklären, wie wir das gemacht haben.“

Stimmen aus der Industrie im Kreis Olpe

Arndt G. Kirchhoff, u. a. Unternehmer in der Autozulieferbranche aus Attendorn und Verbandsfunktionär, sagt zum Thema Vier-Tage-Woche: „Man kann prinzipiell alles umsetzen, aber man muss es flexibel machen und der Arbeit angemessen. Bei Schichtmodellen an der Produktionsmaschine, die 24 Stunden an fünf Tagen abdecken, ist das kaum zu machen. Bei Schichtmodellen für sieben Tage schon.“

Auch feste Arbeitszeiten zu bestimmten Tageszeiten seien nicht immer möglich: „Wenn einer mit chinesischen Partnern konferiert, muss er morgens früh arbeiten, tut er das mit Amerika, muss er abends spät arbeiten. Das liegt am Zeitversatz in der Welt. Das betrifft viele Unternehmen, die global unterwegs sind.“

Dr. Ludger Ohm (Ohm & Häner) aus Olpe weist ebenfalls auf das Drei-Schicht-Modell hin: „Für uns ist die Vier-Tage-Woche nicht praktikabel. Wir müssen unsere Anlagen auslasten. In ein oder zwei Schichten kann man in Deutschland kaum mehr produzieren. Mit den Pausen hat eine Schicht dann acht Stunden, mal drei dann 24 Stunden. Das geht genau auf, bei zweimal 15 Minuten Pause kommen wir dann auf die 37,5-Stunden-Woche.“ Gearbeitet werde von 6 bis 14 Uhr, von 14 bis 22 Uhr und von 22 bis morgens um 6 Uhr.

Ali Atasoy, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von Thyssen-Krupp in Olpe, hält das Vier-Tage-System ebenfalls für kaum durchsetzbar: „Ich halte das für schwierig. Thyssen-Krupp war nicht der einzige Betrieb, der zugemacht hat, mit der Begründung, die Arbeitskosten in Deutschland sind zu hoch, wir gehen ins Ausland. Ich habe in dieser Woche in meinem privaten Umfeld über das Thema diskutiert. Natürlich wäre es schön, wenn ich nur vier Tage pro Woche arbeiten würde, und das bei fast gleichem Lohn, aber ich halte es für unrealistisch.“